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Gulnara Karimowa 2011 auf der  Fashion Week in Moskau.

© dpa

Usbekistan: Diktatorentochter Karimowa in Ungnade gefallen

Gulnara Karimowa, die Tochter des usbekischen Staatschefs, führte lange ein Glamour-Leben – doch nun sitzt sie im Hausarrest.

Ihr Land gilt als eine der schlimmsten Diktaturen der Welt. Doch bis vor kurzem schien das Usbekistans Präsidententochter Gulnara Karimowa nicht zu stören. Die 41-Jährige gab sich große Mühe, ein glamouröses Leben zu führen. Sie hatte ein eigenes Label für Mode, Parfum und Schmuck und eine Wohltätigkeitsorganisation. Außerdem versuchte sie, eine Karriere als Popstar zu starten. Karimowa baute sich zugleich ein Firmenimperium auf. Ihr Vermögen wird auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzt. Sogar als mögliche Nachfolgerin ihres Vaters Islam Karimow, der das Land seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 regiert, war sie im Gespräch. Doch mittlerweile ist sie bei ihrem Vater in Ungnade gefallen: Seit Februar hat sie Hausarrest.

Gulnara Karimowa berichtet von Schlägen und Drohungen

Vor kurzem erreichte ein Brief aus Usbekistan eine Journalistin der BBC. Er war von Hand in russischer Sprache geschrieben und trug keine Unterschrift. Ein Schriftvergleich ergab, dass der teilweise schwer verständliche Brief „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ von Karimowa verfasst wurde, so die BBC. Darin berichtete Karimowa über den Hausarrest, über Drohungen und ständige Überwachung. „Ich stehe unter starkem psychologischem Druck, ich wurde geschlagen“, schrieb sie und erwähnte blaue Flecke an den Armen. Sie werde verfolgt, weil sie Dinge gesagt habe, über die Millionen andere schwiegen.

Die "Räuberbaronin" von Usbekistan

Doch wer Karimowas Vergangenheit kennt, muss diese Selbststilisierung als Opfer merkwürdig, wenn nicht unangemessen finden. Sie sei die „meistgehasste Person“ des Landes, berichtete 2005 der damalige US-Botschafter Jon Purnell nach Washington, wie aus den von Wikileaks veröffentlichten Depeschen hervorgeht. Karimowa werde als eine Art „Räuberbaronin“ betrachtet. Tatsächlich hat sie beim Aufbau ihres Firmenimperiums mit größter Rücksichtslosigkeit agiert. „Die meisten Usbeken sehen Karimowa als gierige, machthungrige Person, die ihren Vater benutzt, um Geschäftsleute oder jeden anderen, der ihr im Weg steht, zu vernichten“, berichtete der US-Botschafter nach Hause.

Ihr Land vertrat Karimowa auch offiziell. Sie war Botschafterin Usbekistans bei den Vereinten Nationen in Genf – auch wenn sie den Posten wohl eher als Vorwand betrachtete, ein Luxusleben in ihrer Villa am Genfer See zu führen.

Ermittlungen gegen Karimowa wegen Korruption

Doch in jüngster Zeit kam sie durch einen Korruptionsskandal in die Schlagzeilen. Der schwedische Telekommunikationskonzern TeliaSonera soll 2,3 Milliarden Kronen (etwa 257 Millionen Euro) für eine Mobilfunklizenz in Usbekistan gezahlt haben. Überwiesen wurde das Geld an eine Briefkastenfirma in Gibraltar, hinter der Gulnara Karimowa stehen soll. Behörden in Schweden und der Schweiz ermitteln nun, ein schwedischer Staatsanwalt benannte Karimowa sogar offiziell als Verdächtige in einem Korruptionsverfahren.

Ist dies der Grund, warum sie nun bei ihrem Vater in Ungnade gefallen ist? In einem hermetisch abgeschotteten Regime wie dem usbekischen ist dies schwer zu sagen. Zudem ist sie bereits im vergangenen Jahr mit bizarren Vorwürfen gegen ihre Mutter und ihre Schwester Lola aufgefallen, als sie beide mit Hexerei in Verbindung brachte. Das Regime in Taschkent geht seit einigen Monaten gegen Gulnara Karimowa vor: Ihre Fernsehsender wurden ebenso geschlossen wie die Boutiquen in Taschkent. Im Februar sollen mehrere Personen aus ihrem engsten Umfeld festgenommen worden sein.

In Usbekistan wird Opposition brutal verfolgt

In Usbekistan wird jegliche Art von Opposition gegen das Regime brutal verfolgt. Kritiker sitzen im Gefängnis, es gibt zahlreiche Berichte über Folter. Auf den Baumwollfeldern des Landes werden seit vielen Jahren Kinder und Jugendliche Jahr für Jahr zur Arbeit gezwungen.

Als Karimowa noch an ihrem Image arbeitete, wollte sie von all dem nichts wissen. Auf Twitter ließ sie sich zwar von Menschenrechtsaktivisten und Journalisten gelegentlich in Wortgefechte verwickeln, ging aber auf konkrete Fragen zu Menschenrechtsverletzungen nicht ein oder blockte die Kommunikation mit Kritikern ganz ab.

Heute gibt sie sich plötzlich geläutert: „Wie naiv war ich zu glauben, dass es Rechtsstaatlichkeit in diesem Land gibt“, schrieb sie. „Ich habe nie gedacht, dass so etwas in einem zivilisierten, aufstrebenden Land, als das Usbekistan sich darstellt, passieren könnte.“ Erst bei näherem Hinsehen habe sie all die „Hässlichkeit“ dessen erkannt, was in ihrem Land geschehe. „Und wenn ich Leuten zuhöre, mit denen ich vorher gestritten habe, wird mir klar, dass all das seit langer Zeit passiert.“ Mitleid über ihren schlagartigen Absturz aus dem Rampenlicht kann die Präsidententochter allerdings nicht erwarten. Dafür war sie zu lange Teil des Systems, das sich nun gegen sie wendet.

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