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Valentins Massaker: Killer mit akademischen Ehren

Nach dem Amoklauf mit sieben Toten an einer Universität des US-Bundesstaates Illinois stellt das Motiv des Täters die Ermittler vor ein Rätsel: Ein vorbildlicher Student, der über Gewalt forschte, wurde selbst zum Killer.

Tiefe Trauer, Schock und Fassungslosigkeit nach dem Valentins-Massaker an einer Universität im US-Staat Illinois: Ein schwer bewaffneter 27 Jahre alter Ex-Student der Northern Illinois University (NIU) in DeKalb hat an der Hochschule fünf Menschen und dann sich selbst mit Schüssen getötet. Zwischenzeitlich war von sechs Opfern die Rede gewesen. 15 Studenten wurden verletzt, einige davon schwer. Das Motiv von Steven Kazmierczak, der als Soziologiestudent sogar zu akademischen Ehren gekommen war, bleibt unklar. "Es gab keine Hinweise, dass es einmal Probleme mit ihm geben könnte", sagte Universitätsdirektor John Peters dem US-Fernsehsender CNN.

Wenige Stunden nach dem blutigen Amoklauf am Valentinstag versammelten sich Studenten und Lehrkräfte auf dem rund 100 Kilometer westlich von Chicago gelegenen Campus in stillem Gedenken. Viele entzündeten Kerzen. "Wut, Schmerz, Angst, Frustration und Ungläubigkeit waren maßlos, als die Tragödie bekannt wurde", beschrieb die Universitätszeitung "Northern Star" die Stimmung. Die Hochschule mit ihren rund 25.000 Studenten steht noch immer unter dem Schock des Terrors. Ein Student ist sich sicher: "Nichts wird wieder wie vorher sein." US-Präsident George W. Bush rief seine Landsleute auf, für Hinterbliebene und Freunde der Opfer zu beten. Er sprach von einer "tragischen Lage".

Augenzeuge: Ich glaube er wollte so viele wie mglich treffen

Stück für Stück fügt sich das Mosaik des Horrors zusammen: Augenzeugen zufolge betritt der ganz in schwarz gekleidete Schütze um kurz nach 15 Uhr Ortszeit einen mit etwa 100 Studenten besetzten Hörsaal, wenige Minuten vor dem Ende einer Einführungsvorlesung im Fach Geowissenschaften. Wortlos eröffnet der schlaksige Kazmierczak vom Podium aus das Feuer aus drei Pistolen und einer Pumpgun - vor allem in die ersten Sitzreihen gibt der Täter 20 bis 30 Schüsse ab. "Ich glaube, er wollte so viele wie möglich treffen", erzählte Student John Giovanni (20) der Zeitung "Chicago Tribune".

"Er stand eine Sekunde da, schaute sich um und begann zu schießen", berichtet Meghan Murphy (22). "Sein Gesicht war leer, als ob er kein Mensch ist. Er sah aus wie ein Statue, die zielt." Sofort bricht Panik in dem weitläufigen Vortragssaal aus. Studenten werfen sich auf den Boden oder versuchen die Tür zu erreichen. Student Giovanni: "Eine Menge Leute sind hingefallen. Ich bin einfach über sie hinweggestiegen und habe mit niemandem gesprochen."

Uni-Direktor: Er hatte sehr gute Leistungen

Nach Ermittlungen der Polizei fielen die Schüsse binnen weniger Sekunden. Vermutlich unmittelbar danach brachte sich der Amokläufer um. "Es begann und endete sehr, sehr plötzlich", sagte der Chef der Campuspolizei, Donald Grady. Als die Polizisten die Leiche auf dem Podium des Saales entdeckten, fanden sie noch unverbrauchte Munition. Bis zum Frühjahr 2007 studierte der Schütze an der Northern Illinois University Soziologie. Für eine Arbeit über Selbstverstümmelungen von Häftlingen war er dort ausgezeichnet worden. "Er hatte sehr gute akademische Leistungen", sagte Universitätsdirektor Peters dem Fernsehsender CNN. Bis zum Amoklauf war er an einer anderen Universität in Illinois eingeschrieben. Eine kriminelle Vergangenheit hatte Kazmierczak nach Polizeiangaben auch nicht.

Erinnerungen an Virginia-Tech

Das Blutbad weckte in den USA Erinnerungen an den schrecklichen Amoklauf eines südkoreanischen Studenten an der Virginia-Tech-Universität in Blacksburg. Der seelisch schwer gestörte 23-Jährige hatte aus Hass an der Hochschule 32 Menschen und dann sich selbst getötet. Erst vergangenen Freitag hatte eine Studentin an einer Hochschule in Baton Rouge (US-Bundesstaat Louisiana) zwei Kommilitoninnen und anschließend sich selbst erschossen.

Hochschuldirektor Peters sagte, die Lehren aus dem Blacksburg-Massaker hätten geholfen, schnell auf den Amoklauf an der NIU zu reagieren. Die Studenten hätten dank eines verbesserten Alarmsystems umgehend über die Gefahr informiert worden können. Allerdings äußerte er Sorge, was die neuerliche Bluttat an einer amerikanischen Hochschule bedeuten könnte. "Universitäten sollen eigentlich die offensten Institutionen überhaupt sein", sagte er. "Aber Vorfälle wie diese zwingen uns, die Dinge, wie sie sind, zu überdenken."

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