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Panorama: Verhüllt – aber nur draußen

Die islamische Fulla macht der amerikanischen Barbie Konkurrenz – und ist inzwischen selbst eine Marke

Sie hat dunkle Augen, schwarze Haare und endlose Beine. Sie trägt hochhackige Schuhe, eng anliegende, sexy wirkende Hosen und T-Shirts. Allerdings hat sie eine kleinere Körbchengröße als die gewöhnliche Barbie-Puppe. Und sie besitzt keine Miniröcke oder Bikinis, sondern alle Gewänder reichen bis über das Knie. Wenn sie das Haus verlässt, zieht sie eine schwarze Abbaja mit Kopftuch über, das bodenlange Gewand, das Frauen in den Golfstaaten tragen. Einen Gebetsteppich hat sie auch immer dabei: Die „Fulla“ ist die nahöstliche Variante der Barbie- Puppe, die sich in der arabischen Welt zu einem Verkaufsschlager entwickelt hat.

Mehr als zwei Millionen Exemplare sollen seit zwei Jahren verkauft worden sein. Gerade zum Opferfest, das die islamische Welt derzeit feiert und bei dem es Geschenke für die Kinder gibt, gingen die „muslimischen“ Plastikpuppen weg wie warme Semmeln. „Viele Eltern ziehen die Fulla vor, weil sie mehr den islamischen Werten entspricht“, sagt Marwan Abdallah, der in einem großen Spielwarenladen im Stadtteil Mohandessin in Kairo arbeitet. Das überrascht wenig, da doch mindestens 70 Prozent der ägyptischen Frauen mittlerweile verschleiert sind. Auch berühmte Film- und Fernsehstars erregen immer wieder Aufsehen, indem sie neuerdings ihr Haar bedecken. Damit repräsentiert die Fulla einen Trend zur Verschleierung, der in den meisten arabisch-islamischen Ländern spürbar ist.

Entworfen wurde die Fulla von dem in Syrien ansässigen Design-Büro „New Boy“, nachdem Saudi-Arabien die Barbie-Puppe wegen ihrer „wenig bedeckenden Kleider und beschämenden Posen“ verbannt hatte. Hergestellt wird die Fulla ebenso wie die Barbie in China. Aber sie ist deutlich billiger als ihre amerikanische Cousine: 119 statt 250 ägyptische Pfund (18 statt 35 Euro). Das ursprünglich extrem konservative Kleiderset wurde für den ägyptischen und jordanischen Markt dann doch etwas erweitert. „Sie wurde moderner“, berichtet Ahmad Mohammed, der im „Spielzeug-Palast“ im Oberschichtsviertel Maadi-Digla die Puppen verkauft. Hier allerdings ist die Fulla, benannt nach einer Jasminsorte, nur eine Puppe unter anderen. Neben der Barbie gibt es die freche Bratz und die deutsche Babyborn. „Viele unserer Kundinnen wollen westliche, importierte Produkte und keine lokalen“, beschreibt Ahmed das Verkaufsverhalten der Mütter der Oberschicht.

Damit stehen Barbie und Fulla auch für den Kulturkampf, der innerhalb der arabischen Welt tobt. Allerdings wirkt die Fulla zwischen westlichen Idealen und angeblich islamischen Vorschriften ebenso hin- und hergerissen wie viele ägyptische Mädchen: Sie tragen hautenge Hosen und Blusen, dann aber ein züchtiges Kopftuch darüber. Modetrends wie Ethno-Look oder Sportswear sind bei ihnen ebenso beliebt wie im Westen – nur die Ärmel sind etwas länger, und es gibt teilweise gleich das Kopftuch aus dem passenden Stoff dazu. Eine eigenständige, authentische Mode, die sich von der teilweise verpönten westlichen Kultur tatsächlich abhebt, ist bei den jungen ägyptischen Mädchen ebenso wenig zu entdecken wie bei der Fulla. Außer dem Ausgehmantel, der einfach alles verdeckt.

Die Erfinder der Fulla haben sich von Mattel, der Herstellerfirma der Barbie- Puppen noch mehr abgeschaut: Sie haben Fulla dank massiver Werbung in eine Marke verwandelt, die Fulla-Plastikbecher oder -Badelatschen, rosa-grüne Fulla-Fahrräder oder sogar Fulla-Cornflakes herausbringt. Das Fahrrad für Vierjährige ist mit 600 ägyptischen Pfund (90 Euro) nicht nur sehr teuer, die Verpackung zeigt zudem ein blondes Mädchen, das so gar nicht dem Aussehen ägyptischer Mädchen entspricht. Doch die Werbung hat der Fulla einen eigenen Charakter gegeben, der wohl maßgeblich zu ihrem Verkaufserfolg beiträgt: „Sie ist liebevoll, umsichtig, bescheiden und respektiert ihre Eltern“, sagte der Manager des „New Boys“-Design-Studios in Damaskus, Fawas Abidin in einem Interview. Sie wird beim Beten gezeigt, beim Kuchenbacken oder beim Lesen. Das entspricht in etwa dem konservativen Frauenbild vieler Muslime. „Es reicht nicht, der Barbie einen Schleier aufzusetzen“, meint Abidin. Natürlich hat die Fulla keinen männlichen Freund, keinen dunkelhaarigen Ken – das würde diesem Ideal nicht entsprechen. Dafür hat sie zwei Freundinnen. Und die Firma denkt darüber nach, einen beschützenden Bruder zu schaffen.

Aber auch die islamische Barbie soll nicht auf die Hausfrauenrolle beschränkt werden: Ein Kleiderset für Fulla als Ärztin oder Lehrerin ist nach Angaben Abidins in Planung. „Das sind respektable Berufe für Mädchen.“

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