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Ein Höhlenretter seilt sich in rund 1800 Metern Höhe am Eingang der Riesending-Schachthöhle am Untersberg in Bayern ab.

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Update

Verunglückter Höhlenforscher: Johann Westhauser könnte Donnerstag aus Riesending geborgen werden

In der Riesending-Höhle haben die Rettungskräfte den verunglückten Johann Westhauser schon fast bis zum letzten Biwak gebracht. Nur noch gute 400 Meter trennen ihn offenbar vom Tageslicht.

Johann Westhausers Leidenszeit könnte bald ein Ende haben: Der am Pfingstsonntag verunglückte Höhlenforscher wird offenbar schneller aus der Riesending-Schachthöhle befreit als erwartet. „Wir rechnen wegen der günstigen Bergungsbedingungen damit, dass der Johann Westhauser bereits am Donnerstag oder Freitag ans Tageslicht befördert werden kann“, sagte Andreas Rutz von der Bergwacht Bayern dem Tagesspiegel.

Am Mittwochmorgen war der Trupp bereits vor dem Biwak 1 angelangt, wie ein Sprecher der Bergwacht mitteilte. Im Laufe des Vormittags sollte die Lagerstätte erreicht werden. Beim Biwak 1 ist die Basisstation, die den letzten Stützpunkt vor dem Ausgang der Höhle bildet. Nur noch rund 400 Meter trennen den Verletzten Westhauser dort vom Tageslicht.

Der erfahrene Höhlengänger Westhauser, der am Institut für Angewandte Physik des Karlsruher Instituts für Technologie arbeitet, hat durch einen Steinschlag in 1000 Metern Tiefe ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Der 52-jährige Forscher gehört zu den Entdeckern der Riesending-Schachthöhle in Berchtesgaden.

Verwinkelte Gänge und Fels-Cabyons erschweren die Rettung

Am vergangenen Freitag begann die aufwendige Bergung des Verletzten. Nach einem elfstündigen Aufstieg erreichten die Rettungskräfte am Dienstagmorgen bereits das vorletzte Biwak, in rund 500 Metern Tiefe. Schon am Dienstagmittag brachen sie dann in Richtung Biwak 1 auf – dem letzten Lager vor dem Ausgang. Biwaks werden die Zwischenlager genannt, in denen die Retter Ruhepausen einlegen und Kräfte sammeln können.

Mit Flaschenzügen und Seilwinden durch enge Gänge: So kompliziert ist die Rettung.

© dpa

Sie wurden speziell für die schrittweise Evakuierung des Verletzten vorbereitet. Die Pausen sind nötig: Ohne die Biwaks wäre die äußerst tiefe und enge Wegstrecke in völliger Dunkelheit kaum zu bestreiten. Denn der Rettungseinsatz in der Höhle, die mitunter aus steil abfallenden Schächten, verwinkelten engen Gängen sowie unterirdischen Fels-Canyons besteht, ist einer der komplexesten und schwierigsten in der Geschichte. Nur wenige Mediziner erfüllen die Voraussetzungen für so einen Einsatz. 

Höhlenretter aus fünf Nationen

Die Retter sind erfahrene und toptrainierte Höhlenkletterer. „Es gäbe wohl in keinem europäischen Land allein genügend Menschen, die eine solche Rettung realisieren können“, sagte der Ehrenvorsitzende der Bergwacht Bayern, Alois Glück, der Nachrichtenagentur dpa. Es sei auch international eine ganz außergewöhnliche Herausforderung. „Etwas Vergleichbares ist jedenfalls nicht bekannt.“

Deswegen helfen derzeit die besten Höhlenretter aus fünf Nationen bei der Rettung aus der Riesending-Höhle. Mehr als 60 Einsatzkräfte befinden sich derzeit in der Höhle, weitere Helfer stehen am Eingang bereit. Sie kommen aus Deutschland, Österreich, Italien, der Schweiz und Kroatien. Auch einige Ärzte aus diesen Ländern gehören zum Rettungsteam.

Die Aufgaben verteilten sich fast von allein: Deutsche Retter erreichten den Verletzten als Erste und übernahmen die erste Versorgung und betteten den Verletzten möglichst trocken und warm. Italiener brachten ihm medizinisches Material und Medikamente und die Schweizer die Trage, mit der sie den 52-Jährigen ans Tageslicht hieven werden. Österreicher bauten den ersten Abschnitt von Biwak 5 zu Biwak 4 für den Transport aus.

Die Helfer arbeiten unter extremen Bedingungen: tagelange Dunkelheit und Kälte macht ihre Mission schwierig. Viele von ihnen sind ehrenamtlich im Einsatz. Einige Teams sind deswegen inzwischen neu besetzt, weil Retter wieder an ihre regulären Arbeitsplätze mussten. Doch der Wille zur Hilfeleistung sei bei allen ungebrochen, sagt der Italiener Roberto Antonini.

Für das letzte Stück wird ein Flaschenzug benötigt

Das schwierigste Stück steht den Rettern und Westhauser allerdings noch bevor: Der letzte Abschnitt vor dem Ausgang – ein extrem langer und senkrechter Schacht – birgt noch einmal besondere Herausforderungen. Mithilfe eines Flaschenzuges müssen sie Westhauser in diesem Abschnitt in der sperrigen Trage über 180 Höhenmeter senkrecht nach oben ziehen. Dafür brauchen sie Platz, den sie in diesen engen Schächten kaum haben. Mit einem Pendelzug, bei dem sich mehrere Retter herablassen, werden die Retter dann das Gegengewicht zu der Trage bilden.

Johann Westhauser kennt die Höhle gut. Das Bild zeigt ihn 2009 in einem der Gänge.

© picture alliance / dpa

Sobald sie das Tageslicht erreichen, hängt das weitere Vorgehen von Westhausers Zustand ab. „Ist er transportfähig, wird er mit einem Helikopter in ein Krankenhaus geflogen, wo er endlich die vollständige medizinische Betreuung bekommt, die er braucht“, sagte Rutz von der Bergwacht Bayern. Der Zustand des Patienten ist nach seinen Angaben „weiterhin unverändert stabil“. Zurzeit betreuen eine italienische Ärztin, ein österreichischer Arzt und ein Rettungssanitäter den Verletzten, der inzwischen seit elf Tagen kein Tageslicht mehr gesehen hat. In welches Krankenhaus er nach der Bergung kommen wird, sei allerdings noch nicht entschieden. (mit dpa)

Igor Mitchnik

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