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Video im schwedischen Kinderfernsehen: Die tanzenden Genitalien

Ein Musikvideo mit tanzenden Geschlechtsteilen im Kinderfernsehen hat in Schweden Streit ausgelöst - und inzwischen weltweit Aufsehen erregt.

„Snippe-dipp-dipp-snippedi-snopp, da kommt der Penis im vollen Galopp. Snippe-dipp-dipp-snippedi-do, selbst bei einer alten Tant’ – da sitzt die Scheide sehr elegant.“ So trällern „Snippan“ und „Snoppen“, wie die Vagina und ihr männliches Pendant in kinderfreundlichem Schwedisch heißen, fröhlich. Als animierte Genitalien tanzen sie seit gut einer Woche über den Bildschirm – und das im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Schwedischen Fernsehens SVT. So weit, so ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist aber auch, was dann folgte: Die tanzenden Geschlechtsteile werden zur Weltnachricht und die Geschichte zu einem Lehrstück für effektive PR.

Das Programm soll Drei- bis Sechsjährige über den Körper informieren

Zunächst die Fakten: Der Song ist Teil des Programms Bazillen-Notaufnahme, das das Schwedische Fernsehen in seinem Kinderkanal ausstrahlt. Es soll Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren über den Körper, die verschiedenen Körperteile und häufige Krankheiten informieren. Füße und Kopfweh, Pinkeln und Pupsen, die Ohren und die Zähne standen schon auf dem Programm. Nun sind die Genitalien dran. „Unser Programm baut auf den Zuschriften von Kindern auf“, erklärt Kajsa Peters, zuständige Produzentin bei SVT, „und zu den Geschlechtsteilen haben wir massenhaft Fragen bekommen."

Zu jedem Thema spielt die sendungseigene „Freche Band“ einen passenden Song. Text und Musik kommen von Johan Holmström. „Zu Snoppen und Snippan wollte ich ein pädagogisches und fröhliches Lied schreiben“, sagt der 42-jährige Vater in einem Zeitungsinterview. So entstanden der zartblaue Penis mit Hut und die hellgelbe Vagina mit überlangen Wimpern. Wohlgemerkt, das Video ist kein Aufklärungsfilm. Es geht nicht um Sex, sondern darüber, wie die Körperteile aussehen, wo sie sitzen und dass man sie zum Pinkeln braucht.

Die Werbestrategie der Redaktion des staatlichen Senders ging auf

Die Redaktion der Bazillen-Notaufnahme kam auf die Idee, eine gekürzte Fassung des Genitalien-Songs als Werbefilm in eigener Sache auf die kanaleigene Facebook-Seite zu stellen. Die Werbestrategie ging auf. Kaum tanzten Penis und Vagina, kamen die Kommentare. Sie waren in ihrer großen Mehrheit positiv. Einige wenige jedoch empörten sich über Pornografie im Gebührenfernsehen und zunehmende Sexualisierung. Geschickt erklärte die Redaktion des Senders die paar Dutzend negativen Kommentare in Anlehnung an das Wort „Shitstorm“ öffentlich zu einem „Snipp-und- Snopp-storm“. Als die Internetplattform Youtube den Videoclip dann auch noch vorübergehend mit einer Alterssperre belegte, war eine riesige Aufmerksamkeit garantiert. Das 90-Sekunden-Video mit den singenden Genitalien wurde mit mehr als drei Millionen Klicks zum „viralen Erfolg“, wie SVT selbst stolz twittert.

Die Diskussion in Schweden hat sich inzwischen verlagert

Gelegt hat sich die Aufregung noch nicht. Aber die Diskussion in Schweden hat sich inzwischen verlagert. Die Hauptthemen lauten nun: Warum ist der Film so „heteronormativ und transfeindlich“? Und warum steht der Penis, sollte er nicht besser hängen?

Karin Häggmark

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