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Apple Watch. Der Hoffnungsträger erfüllt nicht alle Hoffnungen - jedenfalls nicht die der Investoren.

© dpa

Von Apple Watch bis Rolex: Die Uhr - das letzte Reservat der Männlichkeit

Pompös muss sie sein, protzig und mit ganz vielen Zeigern. Was sich der Mann in seiner Mehrheit um seinen Unterarm bindet, ist Ausdruck eines ungebändigten Restes an Barbarei. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Wolfgang Prosinger

Männer, die auf Handgelenke starren. Immer öfter wird dieses Bild neuerdings zu sehen sein. Seit dem 24. April ist die Apple Watch, die iWatch, nun weltweit auf dem Markt, die Uhr, die ein Computer ist. Und weil die Firma in diesen drei Monaten allein in Deutschland 13,5 Millionen Euro zur Werbung für das neue Wunderwerk ausgegeben hat, ist sie nun auch hierzulande am Ende der Unterarme anzutreffen, hauptsächlich an männlichen. Ein klotziges Ding. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, dann tragen sie alle. Und beginnen wird ein neues Zeitalter der menschlichen Motorik: Der Kopf sitzt nicht mehr gerade auf dem Hals, sondern hält sich in steter Linksneigung. Männer, die auf Handgelenke starren.

Immer noch besser, könnte man sagen, als das unentwegte Gefummel mit den Handys, raus aus der Tasche, rein in die Tasche, raus aus der Tasche. Immer noch besser als das sture, weltvergessene Handy-Glotzen. Mit der iWatch genüge ein kurzer Blick aufs linke Handgelenk, und schon hat sich die Sache. Eine Rückkehr in zivilisatorischere Zeiten, ein Zuwachs an Eleganz.

Der uneleganteste Ort der Menschheit

Ach ja, Handgelenk und Eleganz – das sind zwei Wörter, die nicht zueinander passen wollen. Das Handgelenk scheint eher der uneleganteste Ort der Menschheit zu sein, zumindest was die Männer angeht. Wollte man die nämlich danach beurteilen, was sie an dieser Stelle tragen, man müsste ins schönste Verzweifeln geraten. Die Männeruhr bringt das Schlimmste im Mann zum Vorschein. Der Mann hat ja im Lauf der Geschichte nicht nur den aufrechten Gang erlernt, sondern auch, dass er das Wilde, Animalische, Vorzeitliche, das in ihm steckt, zu zähmen hat. Es ist ihm ansatzweise durchaus gelungen, die Vermenschlichung des Mannes hat gerade in den vergangenen Jahrzehnten erfreuliche Fortschritte gemacht – Ausnahmen bestätigen die Regel.

Nur an seinem Handgelenk scheint dieser Prozess noch nicht angekommen zu sein. Es ist, nun ja, die Achillesferse des Mannes, sein wunder Punkt. Hier bin ich Neandertaler, hier darf ich’s sein. Denn was sich der Mann in seiner Mehrheit um seinen Unterarm bindet, ist Ausdruck eines ungebändigten Restes an Barbarei. Pompös muss sie sein, die Uhr, protzig, und ganz viele Zeiger muss sie haben und womöglich noch mehr Knöpfe. Muss nach was aussehen, was hermachen, und deshalb muss sie natürlich riesengroß sein (Berliner Männer lieben ja auch sehr das Autokennzeichen B-IG).

Ein Trumm von einer Uhr, dicke Dinger, und wenn dann auch noch Rolex drauf steht oder Breitling oder Omega oder Cartier, umso besser. Dann weiß auch jeder, dass sie teuer war. Und dass sich der Träger das leisten konnte.

Alles, was ansonsten verpönt ist und peinlich und indiskutabel, das Großspurige, die Zurschaustellung von Reichtum – bei der Uhr darf es noch sein. Mühsam und in langen Jahren hat der Mann das Verzichten gelernt, fährt nur noch in Ausnahmefällen haifischflossenbewehrte Großraumlimousinen, und dicke Klunker an den Fingern darf bloß noch ein Popstar tragen. Er ist schmucklos geworden, der Mann.

Das Ende der Armbanduhr war schon prophezeit worden

Selbst der einst so beliebte Brilli im Ohr ist entschieden auf dem Rückzug (und hat dem fingerdicken Durchbohren des Ohrläppchens Platz machen müssen), das Goldkettchen steht unter Ludenverdacht, das Bauchnabelpiercing ist etwas für Mädels und die Prada-Tasche für 4000 Euro ebenfalls. Höchstens auf der Haut ist noch Platz für ornamentale Farbkunstwerke. Aber die kann man schließlich nicht immer und überall zeigen, besonders im Winter nicht. Er hat es nicht leicht, der Mann, wenn er etwas aus sich machen will. Er kann kein Rad schlagen.

So bleibt also nur die Uhr als das wohl letzte Refugium männlichen Prunk- und Schmuckwillens. Dabei hatten viele schon das Ende der Armbanduhr prophezeit, als die Handys aufkamen und deren Besitzer die Zeitmessung an eben diese Geräte delegierten. Es ist nicht dazu gekommen, die Rückgänge in der Branche waren minimal, gut zu verschmerzen.

Allein die Schweiz exportiert pro Jahr noch immer an die 30 Millionen Uhren. Das mit dieser neuen Apple Watch hat sie jetzt allerdings doch ein wenig alarmiert. Aber dann haben sie sich schnell wieder beruhigt. Die Konkurrenz betrifft ja nur das Marktsegment von Uhren unter 500 Euro. Und da liegen die in der Schweiz doch sowieso darüber.

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