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Matthias Rust landete auf der Großen Moskwa-Brücke und rollte längs der Kremlmauer aus.

© imago/ITAR-TASS

Vor 30 Jahren in Moskau: Die spektakuläre Landung des Matthias Rust am Kreml

Die Welt traute ihren Augen nicht: Ein 18-jähriger Deutscher landete am 28. Mai 1987 mit einem Sportflugzeug mitten in Moskau. Bis heute ist nicht ganz klar, wie das gelingen konnte.

Die Touristen im Zentrum Moskaus mochten ihren Augen nicht trauen: Drei Mal umkreiste die einmotorige „Cessna 172 P“ mit deutscher Kennzeichnung am Abend des 28. Mai 1987 den Roten Platz. Dann zog der Pilot den Bogen etwas weiter, landete auf der nahe gelegenen Großen Moskwa-Brücke und rollte, leicht bergauf, längs der Kremlmauer aus. Neben der Basilius-Kathedrale kam das Sportflugzeug zum Stehen. Er habe am Kreml landen wollen, weil er einen anderen Platz in Moskau einfach nicht kannte, gab der Pilot zu Protokoll.

Der 18-jährige Matthias Rust aus Wedel mit kaum 50 Stunden Flugerfahrung war sechs Stunden vorher von Helsinki kommend in den sowjetischen Luftraum eingedrungen. Mehr als 800 Kilometer war er dort umhergeflogen – über drei Ringe mit Luftabwehrraketen hinweg bis ins Herz der hochgerüsteten Supermacht. Und das ausgerechnet am 28. Mai, in der Sowjetunion der „Tag der Grenztruppen“. Die schienen an ihrem Ehrentag vollständig versagt zu haben.

Doch bis heute ist nicht eindeutig geklärt, wie Rusts Flug gelingen konnte. War es tatsächlich nur die „Friedensgeste“ eines exzentrischen Einzelgängers, die naive Sympathie für Michail Gorbatschows Kurs der Perestroika zum Ausdruck bringen sollte? Rust selbst ist davon nie abgerückt.

Der Verteidigungsminister und 300 Generäle wurden gefeuert

Oder war es eine gut geplante Operation westlicher Geheimdienste im Bunde mit Landesverrätern aus dem Umfeld Gorbatschows? Diese Verschwörungstheorie liest man immer wieder in Medien, die der heutigen Kreml-Führung in Russland nahestehen – und es spricht durchaus einiges dafür. Die Grenztruppen hatten die Cessna nämlich nicht übersehen: Sie hatten das Flugzeug auf dem Radar, umkreisten es mit einer MiG 23, zwangen es aber nicht zur Landung.

Matthias Rust betritt am 30. November 1987 das Oberste Gericht der UdSSR in Moskau.
Matthias Rust betritt am 30. November 1987 das Oberste Gericht der UdSSR in Moskau.

© dpa

Die Folgen für die sowjetische Armeeführung waren verheerend: Mehr als 300 Generäle, voran Verteidigungsminister Sergej Sokolow, verloren ihren Job. Sie alle hatten Gorbatschows Kurswechsel mit großem Misstrauen beäugt. Rust habe dem KPdSU-Generalsekretär einen willkommenen Vorwand für die größten Säuberungen seit Stalin geliefert, sagen die Verschwörungstheoretiker. Alles Zufall?

Gegen den großen Verrat spricht die Landung selbst: Es dauerte fast eine Stunde, bis der sonst allgegenwärtige KGB den Flieger Rust aus dem Verkehr zog. Der hatte sich zuvor an seiner Cessna von Touristen fotografieren lassen und Autogramme gegeben. Wie bei einer gewöhnlichen Verkehrskontrolle hatte ein Milizionär die Personaldokumente des Fliegers Rust sehen wollen. Als er seinen Vorgesetzten den Vorfall meldete – Rust hatte kein Visum im Pass – , hätten diese ihm zunächst nicht geglaubt, erzählte er später. Rust wurde zu vier Jahren Arbeitslager verurteilt, blieb aber im  Gefängnis in Moskau und wurde schon 1988 begnadigt.

Über ihre Sicherheitsorgane spotteten die Moskauer noch lange: Der KGB, so ging die Rede, habe die Gullydeckel auf dem Roten Platz zugeschweißt. Damit nicht ein amerikanisches U-Boot aus der Kanalisation auftaucht.

Die Cessna 172 hängt heute im Deutschen Technikmuseum in Berlin.
Die Cessna 172 hängt heute im Deutschen Technikmuseum in Berlin.

© picture-alliance/ dpa

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