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Panorama: Warum fielen die Passagiere aus der Maschine?

An der Saugtheorie werden Zweifel laut. Wer nicht angeschnallt war, rutschte vielleicht auf dem schrägen Boden raus

Was geschah über dem Urwald? Die bis zu 130 Passagiere, die am Freitag aus einer von der kongolesischen Armee gecharterten, ukrainischen Transportmaschine in den Tod stürzten, hatten offenbar keine Chance. Die Heckklappe des Jets mit der 4,50 Meter lange Laderampe hatte sich aufgrund eines technischen Defektes geöffnet. Zunächst hatte es geheißen, die Insassen seien wegen des Druckunterschieds hinausgesaugt worden. Dann hieß es, die Maschine habe nur eine Höhe 2200 Metern gehabt, in der noch kein Unterdruck existiert. Erst bei 5000 bis 6000 Metern Höhe ist der Druckunterschied stark genug, dass Menschen, die nicht angeschnallt sind, hinausgeschleudert werden können. Am Samstag schließlich hieß es, die Maschine könnte doch eine Höhe von 10000 Metern gehabt haben. Auch über die Zahl der Todesopfer werden neue Angaben verbreitet. Gestern war von 130 Menschen die Rede, die umgekommen sein sollen. Sieben Leichen wurden bisher gefunden. Die Armee setzte die Suche gestern fort. An Bord waren Armeeangehörige mit ihren Frauen und Kindern.

Möglicherweise ist das Unglück durch einen groben Fehler beim Start verursacht worden. Nach Angaben eines Überlebenden war die Heckklappe schon beim Abflug nicht richtig geschlossen. Versuche, sie im Flug zu schließen, seien gescheitert, sagte der Polizist Kabmba Kashala am Samstag. Als sich die Klappe öffnete, klammerte er sich an einer Leiter fest. Wenn es zum Zeitpunkt des Unglücks noch keinen nennenswerten Druckunterschied gab, muss sich die Maschine in einem kräftigen Steigflug mit entsprechender Schräglage befunden haben, so dass die Menschen einfach aus der Öffnung rutschten. Die nicht angeschnallten Fluggäste hatten keinen Halt durch die Rückenlehnen klassischer Flugzeugsitze.

Transportflugzeuge wie die russische Iljushin IL-76 sind in erster Linie für die Beförderung von sperrigen Gütern ausgelegt. Die Kabinenwände sind nur spartanisch verkleidet und statt Teppichen befinden sich am Boden Rollensysteme zum Be- und Entladen der Frachtpaletten oder -container, die mit Gurten festgezurrt werden. Fluggäste werden zumindest im zivilen Betrieb kaum befördert. Bei militärischen Truppentransporten hocken die Soldaten in der Regel auf herunterklappbaren Stoffbänken entlang der Seitenwände der Kabine, während ihre Ausrüstungen in der Mitte verzurrt sind. Auch hier gibt es allerdings Sicherheitsgurte, denn bei Turbulenzen oder den oft drastischen, taktischen Flugmanövern bei Kriegseinsätzen könnten sich die Passagiere sonst kaum auf ihren Plätzen halten.

Dass sich die Laderampen im Heck von Transportflugzeugen auch während des Fluges öffnen lassen, ist gewollt. Es gehört zum Einsatzspektrum dieser Maschinen, Soldaten und Ausrüstungsgegenstände per Fallschirm über Krisengebieten abzusetzen. Eine Praxis, die auch regelmäßig in Manövern geübt wird. In niedrigen Höhen ist das Öffnen der Heckklappe bei normalen Flugzuständen auch völlig ungefährlich, solange sich niemand ungesichert zu dicht an die Öffnung wagt.

Bevor die Höhe der Maschine zum Unglückszeitpunkt nicht geklärt ist, lässt sich nur spekulieren. Entweder flog die Maschine über 5000 Meter und viele Passagieren wurden hinausgesaugt. Oder viele Passagiere waren nicht angeschnallt und rutschten auf dem schrägen Boden aus der Maschine. Oder viele standen direkt an der Heckklappe und fielen vor Schreck hinaus, als sie sich plötzlich öffnete.

Rainer W. During

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