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Geschenke unterm Weihnachtsbaum.

© dpa/ Karl-Josef Hildenbrand

Weihnachten: Wissenschaftler: Am besten schenkt man Geld

Originelle Überraschungsgeschenke sind keine gute Idee, sagen Forscher. Beschenkte wissen das nicht zu würdigen. Stimmt eigentlich die These von der Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes?

Von Andreas Oswald

Jede Generation bildet sich fälschlicherweise ein, sie hätte 1. den Sex neu erfunden und 2. die Theorie von der vulgären Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes entdeckt. Das behauptet Wirtschaftsprofessor Joel Waldvogel von der Wharton School of Economics. Jedes Jahr ist in der Vorweihnachtszeit die Rede von der Seelenlosigkeit der Konsumgesellschaft, deren Exzesse immer schlimmer werden. Besonders beklagt wird seit geraumer Zeit das einfache Bestellen von Geschenken im Internet, das dem schnöden Materialismus die Krone aufsetzt. Da machen sich die Leute noch nicht einmal die Mühe, ein originelles Geschenk zu suchen und sich beim Einkaufen inspirieren zu lassen. Außerdem gibt es da noch die Berichte über die ausgebeuteten und überlasteten Paketzusteller. Wenn das das Christkind wüsste.

Aber was ist dran am Wehklagen über den Niedergang des Weihnachtsfestes? Was sagt die Wissenschaft dazu?

Nichts ist dran. Mit seinem Buch „Scroogenomics“ hat Waldvogel im Jahr 2009 einige Gewissheiten zum Thema Weihnachtsgeschenke über den Haufen geworfen. Demnach war der Konsum in der Weihnachtszeit 1930 relativ gesehen mindestens genauso stark wie heute. Es stimmt also nicht, dass es immer schlimmer wird. Sofern Konsum überhaupt schlimm ist. Dabei ist phantasieloses und uninspiriertes Schenken noch das Beste, geht aus der Wissenschaft hervor.

Einfallslos und uninspiriert ist es am besten

Waldvogels wichtigste Erkenntnis ist: Am besten schenkt man sich zu Weihnachten Geld. In seinen Untersuchungen hat er festgestellt, dass Menschen dann am zufriedensten sind. Zufrieden sind sie auch, wenn sie vorher gefragt werden, was sie sich wünschen, und dann genau das auch bekommen. Das mag bequem, unoriginell und gesellschaftlich wenig akzeptiert sein, aber es ist am besten.

Man kann sich gut vorstellen, wie Millionen Menschen unter der Originalität ihrer Mitmenschen leiden und sich anschließend für die kreativen Geschenke auch noch überschwänglich bedanken müssen.

Waldvogels Thesen beruhen auf der Annahme, dass jeder Mensch seine eigenen Bedürfnisse am besten kennt. Jedes Geschenk von einer anderen Person geht vermutlich an den Bedürfnissen des Beschenkten vorbei. Die Befragungen haben das statistisch bestätigt.

Eine seiner Studien ergab, dass Beschenkte den Wert des Geschenks zwischen zehn und 30 Prozent niedriger schätzen, als es in Wirklichkeit gekostet hat. Das ist nach Ansicht von Waldvogel ökonomisch sehr ineffizient. Eine andere Befragung ergab, dass Menschen eine um 18 Prozent höhere Befriedigung hatten, wenn sie etwas selber kauften, als wenn sie dasselbe geschenkt bekommen. Das sei ein Beleg dafür, dass die eigene Konsumentenentscheidung besser ist, als die Entscheidung eines Schenkenden.

Seine Theorie von der Geschenkeffizienz ist eng angelehnt an die Theorie einer Effizienz der Börsenmärkte. Diese Theorie sei hier nicht weiter erläutert, sie führt zu nichts.

Effizient ist ein Geschenk laut Waldvogel nur dann, wenn der Beschenkte sich genau das gleiche Produkt kaufen würde. Es gibt Ehepaare, die sich so genau kennen, dass das auch tatsächlich passiert. Ein Autor der „Financial Times“, Tim Harford, berichtete, er habe bei einem Onlinehändler als Weihnachtsgeschenk ein paar Socken für seine Frau bestellt. Aus dicker Wolle, wie seine Frau es gerne hat und genau ihr Stil. Das Paket kam mit identischem Inhalt kurze Zeit später ein zweites Mal an. Die Frau hatte sich sicherheitshalber selber genau dieses Weihnachtsgeschenk bestellt. Und war schneller als der Mann. Ihrem Mann hatte sie offenbar nicht zugetraut, bei seinen Geschenken richtig zu liegen. Wenn das nicht noch ein Thema unterm Weihnachtsbaum wird.

In diesem speziellen Fall hat Professor Waldvogel aber unrecht gehabt, die Originalität des Mannes in Bezug auf die warmen Socken passte ideal zu den Wünschen seiner Frau.

Aber kommen wir weg von den Socken, es gibt nämlich nicht nur originelle Geschenke, es gibt auch praktische Geschenke. Schenken Sie ihrem Mann doch ein Schlafsofa, darauf darf er schlafen, wenn er zu laut schnarcht.

So ein Stress

Waldvogel hat ausgerechnet, dass in den USA an jedem Weihnachtsfest 85 Milliarden Dollar falsch ausgegeben werden, weil die Menschen originelle Geschenke machen wollen, statt besser einfallslos, unromantisch, gefühllos und roboterhaft sich gegenseitig Geld zu schenken, einen Geschenkgutschein – oder nach einem Wunsch zu fragen.

Die Wissenschaftler Francis J. Flynn, Stanford, und Francesca Gino, Harvard, haben grundlegende Missverständnisse zwischen Schenkenden und Beschenkten erforscht. Sie stellten fest, dass Menschen ein Geschenk mehr genießen, wenn sie es sich explizit gewünscht haben. Schenkende denken dagegen fälschlicherweise, dass die Beschenkten es gleichermaßen genießen, wenn sie ein Überraschungsgeschenk bekommen. Schenkende bilden sich ein, dass der Empfänger ein Überraschungsgeschenk als besonders aufmerksam und bedacht empfindet. Das ist aber gar nicht der Fall.

Flynn und Gino fanden zwei weitere Dinge heraus: Wenn der Empfänger sich ein präzises Geschenk wünscht, hat er größere Chancen, dass er kein Überraschungsgeschenk bekommt, als wenn er eine Wunschliste übergibt. Zudem denken Schenkende, der Empfänger möchte eher ein explizit gewünschtes Geschenk, als Geld. Das stimmt aber nicht. Geld ist am besten.

So ein Stress. Soll man sich also am besten nichts schenken? Und von dem Geld Aktien kaufen? Warum weiter den Kopf zerbrechen? Bei aller Vernunft kriegen die meisten am Ende doch noch die Kurve – und nehmen ihren Partner einfach mal in den Arm. Es ist schließlich Weihnachten.

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