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Zu Ehren von Nkosi Johnson. Der damals 11-Jährige bat die Regierung Südafrikas vor 16 Jahren um Medizin. Er starb an Aids. Diese HIV-Waisen sind selbst infiziert.

© Jürgen Bätz/dpa

Welt-Aids-Konferenz in Durban: Aids ist kein Todesurteil mehr

Mit dem Globalen Fonds sind Aids-Medikamente auch in Afrika für viele zugänglich geworden. Auf Aktivistinnen wie Maurine Murenga lastet allerdings noch immer die eigene HIV-Infektion.

Als Maurine Murenga 2002 ihre Diagnose bekam, war sie überzeugt, dass ihr Leben zu Ende ist. Sie war schwanger und hatte sich auf das HI-Virus testen lassen. „Ich bekam die Diagnose in aller Öffentlichkeit“, erzählt sie bei einem Besuch bei der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung in Berlin und schüttelt sich. Bei der 21. Welt-Aids-Konferenz, die seit Montag im südafrikanischen Durban stattfindet, soll es nun um die Gruppen gehen, die am Rand der Gesellschaft leben – und deshalb bis heute oft keine Behandlung bekommen. Das sind HIV-infizierte Homosexuelle, Drogensüchtige, Prostituierte, Transsexuelle und legale oder illegale Einwanderer, die auch in Deutschland oft keine Hilfe bekommen. Das kritisierte die Deutsche Aids-Hilfe zum Gipfelauftakt.

Zunächst sah es auch für Maurine Murenga nicht gut aus. Nachdem ihre Diagnose bekannt geworden war, verlor sie ihren Job. Ohne Einkommen konnte sie sich keine Behandlung leisten. Sie infizierte ungewollt ihren Sohn, obwohl es schon Medikamente gab, die das hätten verhindern können. „Ich schrieb einen Brief an mein Kind – und schloss mit dem Leben ab“, erzählt sie. In den Kliniken lagen abgemagerte Menschen in den Fluren. Ärzte und Pfleger verzweifelten, weil sie ihren Patienten und sich selbst nicht mehr zu helfen wussten. Sie konnten den Aids-Kranken nur beim Sterben zusehen.

Dabei gab es schon sei 1996 eine Kombinationstherapie gegen Aids. Nur in Afrika konnte sich die kaum jemand leisten. Das änderte sich 2002 mit der Gründung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose. Im September findet die fünfte Wiederauffüllungskonferenz für den Globalen Fonds in Kanada statt. 13 Milliarden Dollar sollen in den kommenden drei Jahre eingesammelt werden, sagt Christoph Benn, der beim Globalen Fonds dafür zuständig ist, Geld aufzutreiben. Seit 2003 ist der deutsche Arzt dabei und überzeugt, „dass er vieles verbessert hat“, sagt er dem Tagesspiegel.

Das sieht auch Maurine Murenga so. Sie vertritt für die globale Organisation HIV-infizierter Frauen ICW die Betroffenen im Aufsichtsrat des Globalen Fonds. Maurine Murenga ist heute „eine von etwa 100, die sich offen zu ihrem HIV-Status bekennen“. In Kenia seien allerdings 1,6 Millionen Menschen infiziert, sagt sie. „Das Stigma ist stark“, bedauert sie. Nachdem ein Kindermädchen ausgeplaudert hatte, dass ihr Sohn die lebensrettende Medizin nehmen muss, „wollte niemand mehr mit ihm spielen“, und das Kindermädchen lief davon.

Maurine Murenga hilft heute HIV-Infizierten in Kenia.
Maurine Murenga hilft heute HIV-Infizierten in Kenia.

© Ute Stallmeister/DSW

„Der größte Unterschied zu damals ist: Ich kann ein Darlehen für ein Haus aufnehmen, und ich kann damit rechnen, dass ich lange genug lebe, um es zurückzuzahlen“, sagt Murenga und strahlt.

Das gilt auch für das Gastgeberland des Welt-Aids-Kongresses, der noch bis Freitag dauert. Jahrelang hatte die südafrikanische Regierung die Aids-Krise verleugnet. Die Folge: Heute sind sieben Millionen Menschen in Südafrika HIV-infiziert. Dennoch ist Südafrika für Christoph Benn „eine Erfolgsgeschichte“. Nachdem der Fonds zunächst die gesamte Aids-Behandlung finanziert hatte, trage heute die Regierung in Pretoria 85 Prozent der Kosten für die Medikamente selbst. Nur noch mit kleinen Aufklärungsprogrammen hilft der Globale Fonds bei der Bekämpfung der Epidemie mit.

Dass die Lebenserwartung in Afrika in den vergangenen 15 Jahren um etwa 20 Prozent gestiegen ist, ist für Benn „der beste Beweis“, dass der Fonds mit der Unterstützung von jeweils national oder regional entwickelten Programmen „gegen die drei tödlichsten Krankheiten erfolgreich war“. Heute würden nur noch Programme genehmigt, bei denen die Aids- und die Tuberkulose-Behandlung zusammen angegangen werde, berichtet Benn. Denn Tuberkulose ist immer öfter eine Folgeerkrankung von Aids – und mit genauso vielen Vorurteilen belastet wie die Immunschwächekrankheit. In Kenia wurden Tuberkulosekranke bis vor Kurzem noch zwangsweise weggesperrt. Zumindest das hat das Parlament in Nairobi inzwischen abgeschafft. Aber zu verhindern, dass aus behandelbarer Tuberkulose eine nahezu nicht mehr behandelbare multiresistente Tuberkulose wird, darin sieht Benn eine der wichtigen Aufgaben für die Zukunft.

Übrigens ist auch bei der Aidsbehandlung noch nicht alles erreicht. Nicht nur, dass die Infektionsraten in Osteuropa, vor allem Russland, und Zentralasien wieder steigen. Auch in Afrika werden nach wie vor nicht einmal die Hälfte der Aids-Kranken mit der Behandlung erreicht. Vor allem in West- und Zentralafrika mangelt es noch an Behandlungsmöglichkeiten, berichten die „Ärzte ohne Grenzen“. „ Im Krankenhaus von Berberati im Westen der Zentralafrikanischen Republik sind 84 Prozent der Todesfälle aidsbedingt“, berichtet die Organisation aus Anlass des Aids-Gipfels. „In eine Klinik in Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo kommt ein Viertel der HIV-Patienten zu spät, um noch gerettet werden zu können“, berichten die Ärzte weiter. Die Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ bemängelt, dass noch weniger Männer als Frauen behandelt würden. Die meisten Frauen würden in der Schwangerschaft getestet. Aber Männer suchten Hilfe meistens erst, „wenn es zu spät ist“.

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