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Panorama: Wer war’s?

Kommerzielle Vaterschaftstests sind ein profitables Geschäft – auch heimliche. Die sollen nun verboten werden

Es ist eine der wenigen Branchen, die seit Jahren boomt: kommerzielle Vaterschaftstests. Seitdem 1998 außergerichtliche Tests erlaubt wurden, ist die Nachfrage explodiert. Mehr als 50 000 Tests wurden in Deutschland allein im vergangenen Jahr vorgenommen. So ist eine Art Industrie für Vaterschaftstests entstanden. Fast hundert Labore bieten ihre Dienste an, zwischen 400 und 1200 Euro nehmen sie für ein Gutachten. Überraschungen bei den Ergebnissen sind übrigens eher selten. In rund 80 Prozent der Fälle bestätigt der Test den vermuteten Erzeuger.

Doch das Geschäft ist rechtlich nicht ganz abgesichert. Der Grund: heimliche Vaterschaftstest. Da kommerzielle Labore in der Regel keine Einwilligung der getesteten Personen fordern, können Tests auch mit heimlich entnommenen Proben, alten Kaugummis oder ausgefallenen Haaren, stattfinden. Die Anbieter zeigen dabei großes Entgegenkommen. Manche Testsets kann man in der Apotheke kaufen. Die selbst entnommenen Proben müssen dann nur noch an die Labore geschickt werden. Diese liefern nach etwa zwei Wochen die Antwort – mit einer Verlässlichkeit von 99, 99 Prozent.

Noch ist die Rechtslage unklar. Im Herbst 2003 betonte das Landgericht München noch die Rechte der Väter: Ein heimlicher Abstammungstest sei für das Wohl des Kindes besser als eine gerichtlich erzwungene Klärung der Vaterschaft. Dem hat jetzt das Oberlandesgericht Celle widersprochen. Wenn eine Frau das alleinige Sorgerecht habe, müsse sie in jedem Fall dem Test zustimmen, da sie auch die Rechte des Kindes vertrete. Ohne ihre Einwilligung ist ein Test vor Gericht wertlos. Angesichts dieser widersprüchlichen Urteile muss nun der Bundesgerichtshof klären, ob heimliche Vaterschaftstests überhaupt zulässig sind. Auch wenn das Urteil noch aussteht, hat sich Rudolf Vosskämper, Richter am Familiengericht Tempelhof-Kreuzberg in Berlin, bereits entschieden: „Ich lasse keine privat erstellten Gutachten zu.“ Angesichts nicht beglaubigter Proben seien kommerzielle Tests einfach nicht verlässlich genug. Vosskämper setzt stattdessen auf Tests bei Universitätsinstituten, die Proben und Identifikation von Vater, Kind und Mutter verlangen: „Wenn nicht alle Betroffenen eingewilligt haben, werte ich das Testergebnis als erschlichen.“

„Heimliche Tests sind unethisch“, sagt auch Hubert Pöche, Professor am rechtsmedizinischen Institut der Berliner Charité. Er gehört dem Bundesverband der Sachverständigen für Abstammungsgutachten an, der sich seit Jahren für ein Verbot von heimlichen Tests einsetzt. Auch das Bundesjustizministerium lehnt heimliche Test ab und plant diese per Gesetz spätestens Ende 2004 zu verbieten. Auftrieb könnte diese Initiativen durch eine Studie bekommen, die auch vier Monate nach dem Erscheinen noch Wellen schlägt. Die Verbraucher-Zeitschrift „Öko-Test“ hatte im November 2003 elf kommerzielle Labore auf ihre Zuverlässigkeit und Genauigkeit hin geprüft. Das Ergebnis: neun Institute fielen mit der Note „ungenügend“ durch, ein Labor schnitt „befriedigend“ ab, bei einem weiteren lag noch kein Ergebnis vor. Die schlechten Noten hagelte es aber nicht wegen falscher Ergebnisse: Die Institute wurden zwei Noten heruntergestuft, wenn sie anonyme Proben annahmen. Das sei jedoch rechtlich unerheblich – und ethisch vertretbar, meint Michael Ruiss. Er ist Sprecher der Humatrix AG, dem größten deutschen Unternehmen für Gentests: „Wir setzen auf die Eigenverantwortung der Kunden. Wenn falsche Proben eingereicht werden, betrügt der Kunde vor allem sich selbst und nicht das Labor.“

„Zurzeit ist ein Verbot nicht durchsetzbar“, meint Richard Grosse, Leiter des Gendiagnostik-Instituts IMMD. Das Justizministerium plane, heimliche Tests nur als geringfügiges Vergehen ohne strafrechtliche Folgen einzustufen. „Das wird weder Kunden noch bestimmte Institute abschrecken, weiter heimliche Tests durchzuführen. Notfalls weichen sie ins Ausland aus“, sagt Grosse.

Hannah Pilarczyk

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