zum Hauptinhalt

Für alle Felle: Hilfe für ängstliche Hunde

Sie verweigern den Gehorsam, machen, was sie wollen: unsere Haustiere. Was tun? Die Tiertherapeutin weiß es. In dieser Folge gibt Dr. Werner Rat zu Hunden mit einer Angststörung.

Von Susanne Leimstoll

Das Problem
Ist Hündin Sam ein Weichei? Vor allem hat das zehn Monate alte Schäferhundmischling-Mädchen Angst: vor anderen Hunden, vor fremden Menschen, vor Alltagsgeräuschen. Schon Gassi gehen vor der Wohnung am belebten Stuttgarter Platz ist kaum möglich: Sam macht ihr Geschäft lieber zu Hause. Draußen fängt sie an zu hecheln und zu zittern, ein Hund im Schockzustand, kaum ansprechbar. Das ist nicht erst seit gestern so. Halterin Katharina, 30, selbstständige Webdesignerin mit heimischem Büro, hat den Welpen schon in diesem Zustand bekommen. Da war Sam gerade vier Monate alt.

Die Lösung
Das ist mein täglich Brot: Hunde, die von unseriösen Händlern vermittelt wurden, angeboten übers Internet. Wie Sam. Mit vier Wochen von der Mutterhündin getrennt, im Umland in einer Scheune mit Bretterverschlägen bis zur 16. Woche gehalten, isoliert aufgewachsen, per Internet annonciert und für 200 Euro an die Kundin verkauft. Übergabe im Pappkarton. „An dem Tag bin ich gerade in Ihrer Nähe“, hatte der Züchter gesagt. Für Katharina kein Grund, misstrauisch zu werden. Vermittlungen dieser Art passieren täglich. Die Anbieter wechseln alle paar Minuten ihre Websites. Sam kam viel zu früh von der Mutter weg. Was ein Hund zwischen der vierten und zwölften Lebenswoche nicht kennenlernt, macht ihm später Angst oder lässt ihn aggressiv werden. Sam war nach ihrer Isolationshaft kein lebendiges Umfeld gewöhnt.

Die Diagnose

Massive Sozialisations- und Habituationsdefizite. Entwicklung einer generalisierten Angststörung. Deprivationssyndrom, also: Aufzucht ohne Außenreize.

Die Therapie

Sam ist ein Fall für Psychopharmaka, für angstlösende Mittel. Wenn die Angst wegfällt, wird der Hund ansprechbar. Katharina wollte die Hündin unbedingt behalten. Deshalb übt sie täglich, sie an Außenreize zu gewöhnen. Die Fortschritte sind winzig: Mittlerweile schafft sie es mit Sam ein Mal um den Block. In fünf Monaten hat das Tier drei Straßen kennengelernt und lässt sich von zwei bis drei weiteren Menschen anfassen. Urlaub? Macht man nicht mit einem solchen Hund. Mit Freunden am Stutti frühstücken gehen und den Hund mitnehmen? Keine Chance. Heilung? Nicht in zehn Jahren. Die Hündin wird nie ganz normal.

Der Rat
- Haustiere nie, um zu sparen, übers Internet besorgen und auch nicht auf dem Tiermarkt. Zum Vergleich: Ein Schäferhund kostet beim Züchter etwa 900, bei illegalen Händlern 200 Euro.

- Immer den Herkunftsort ansehen.

- Papiere von anonymen Händlern und dubiosen Zuchtvereinen und -verbänden sind nichts wert.

Dr. Ulrike Werner (45) aus Schöneberg ist Tierärztin und Tierverhaltenstherapeutin mit mobiler Praxis. Auf dieser Seite schildert sie echte Fälle aus ihrem Alltag. Alle genannten Namen sind anonymisiert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false