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Panorama: „Ich weine kurz und prägnant“

Nora Tschirner über Multikulti, Liebeskummer, Freiheit – und das Klo im ZDF-Fernsehgarten

Nora, gestern ist der Film „Kebab Connection“ angelaufen. Du spielst ein Mädchen namens Titzi, das mit einem Türken zusammen ist und schwanger wird...

...und sich dann von ihm trennt, als sich zeigt, dass er mit der Vaterrolle schlicht überfordert ist, genau. Ziemlich radikal. Aber vor dem Hintergrund einer Schwangerschaft ist das für mich sehr nachvollziehbar.

Titzi gehört zu denjenigen, die lieber jemanden verlassen als verlassen zu werden.

Tja, wer tut das nicht? Ist natürlich leichter zu ertragen. Trotzdem schmerzt beides. Wenn ich gehe, dann meist, wenn der Respekt füreinander noch nicht völlig aufgebraucht ist. Obwohl es dann besonders wehtut. Wenn ich merke, dass jemand an meiner Seite nicht glücklich werden kann und sich selbst im Weg steht, dann mache ich den Schritt.

„Kebab Connection“ ist eine Art Multikulti-Komödie, die im Hamburger Schanzenviertel spielt. Kennst du selber Türken und Griechen?

Meine Familie hatte immer einen starken Draht zu Griechenland, wir waren sehr oft dort und hatten auch in Berlin griechische Freunde. Dadurch, dass meine Eltern spätestens seit 89 sehr viel mit uns reisten, bin ich relativ offen im Umgang mit anderen Kulturen, für mich war das immer normal. Türkische Freunde habe ich vermehrt seit den Dreharbeiten.

Im Film löst sich der Konflikt auf. In der Realität gibt es ja diesen Begriff der Parallelgesellschaften. Vor kurzem gab es hier in Berlin einen Mord an einer jungen Türkin, einen so genannten „Ehrenmord“. Findest du, dass Multikulti in der Realität überhaupt funktioniert, oder ist das ein Hirngespinst der 68er?

Menschen haben, glaube ich, eine oft unbegründete Angst vor Andersartigkeit. Diese kann sich beim näheren Kennenlernen schnell erledigen. Und das ist die Chance. Ob nun zwischen Türken und Deutschen, Türken und Griechen, aber eben auch Deutschen und Deutschen. Wenn man sich kennen lernt und achtet, kann Multikulti funktionieren.

Hast du eigentlich gerade einen Freund?

Nein.

Wärst du lieber mit jemandem aus der Filmbranche zusammen oder mit jemandem, der damit nichts zu tun hat?

Ich habe fast Angst davor, mich am Arbeitsplatz zu verlieben, zum Beispiel in einen Schauspieler oder so. Ich mag es, wenn jemand meinem Leben eine andere Welt hinzufügen kann, ohne meine eigene zu verachten.

Kannst du dir vorstellen zu heiraten?

Aber hallo! Ich finde Heiraten extrem romantisch. Dieses Gelöbnis „du und ich“ – was für eine schöne Herausforderung! Man müsste natürlich sehen, wie man das möglichst lebendig hält. Ich finde es schön, irgendwann über meinen Freund zu sagen: Das ist mein Mann. Und was Kinder angeht: Ja, ich will Kinder, allerdings sollte ich damit nicht zu spät anfangen. Das gehört zum Erwachsensein ja auch dazu.

Wie erwachsen fühlst du dich?

Manchmal sehr erwachsen, manchmal überhaupt nicht. Es war aber nie mein Ziel, immer Kind zu bleiben.

Ist es einfacher, erwachsen zu sein, wenn man mehr Freiheiten als Pflichten hat?

Ich habe schon Privilegien. Mir ist das neulich im Auto aufgefallen. Ich stehe nie im Stau, weil ich auf die Autobahn fahren kann, wann ich will. Ich kann machen, was mir Spaß macht. Ob das aber so erwachsen ist?

Und du wirst auf die tollsten Partys eingeladen.

Partys sind nicht so mein Ding. Alle denken, ich sei in jeder Sekunde witzig und spontan. Aber ich sitze eben gern manchmal nur so herum, schaue und schweige, da fragen sich dann Leute, die mich aus dem Fernsehen kennen: Was ist denn mit der los?

Was ist denn dann mit dir los?

Eigentlich nichts. Mein Kollege Patrice …

… der MTV-Moderator …

… kam neulich zu mir und hat gefragt, ob ich müde sei. Weil ich still vor dem Computer saß. So sehen Leute aus, sagte er, die auf Valium sind. Mir ging es aber sehr gut. Ich bin ein normaler Mensch. Es gibt hunderttausend Mädchen in Berlin, die genauso sind wie ich. Nur: Vor der Kamera macht sich Schweigen schlecht. Daher der verfälschte Eindruck.

In „Kebab Connection“ fällt der Satz: „Ich bin zu jung, um zu warten, weil meine Seele brennt“.

Brennt meine Seele? Klingt ein bisschen anstrengend. Mit solchen Sprüchen bin ich immer sehr vorsichtig. Meiner Seele geht es super. Die brennt ab und zu vor Freude. Aber was wohl stimmt an diesem Satz, ist, dass ich zu jung bin, um zu warten. Wenn jemand sagt, du bist zu jung, um irgendwas zu machen, ist das für mich kein Argument.

Seit dem Film „Soloalbum“ vor zwei Jahren war lange nichts zu hören von dir.

Ich drehe nur, wenn reizvolle Angebote kommen und ich die Kraft dazu habe. Nachdem ich Soloalbum gedreht hatte, war ich mir nicht mehr sicher, ob der Beruf das Richtige für mich ist.

Warum?

Da haben eben Profis mitgespielt. Und ich habe mich sehr unter Druck gesetzt. Dann habe ich eine Lungenentzündung gehabt, weil ich trotzig mit meinem Körper umgegangen bin. Die Belastung, der Stress, der Druck, das halte ich alles durch, dachte ich. Mein Körper sah das geringfügig anders.

Was hast du daraus gelernt?

Man muss sich Zeit einfach nehmen und Fehler zulassen.

Glaubst du, dass es in der Film- und Fernsehwelt mehr Idioten gibt als anderswo?

Die Gefahr besteht auf jeden Fall. Weil es einfach um eine oberflächliche Sache geht. Wenn man als Meeresbiologe in seinem eigenen Saft schwimmt, hat man es wenigstens noch mit sinnvollem Wissen zu tun. Leute in der Unterhaltungsbranche sind ständig von Unfug bedroht, der sich als Wichtigkeit aufplustert. Viele Kollegen, die in diesem Geschäft aufhören zu arbeiten, tun dies wahrscheinlich, weil der Drang nach Realität zu stark wurde.

Setzen Fans einen auch unter Druck?

Ich versuche, den negativen Aspekt von mir fernzuhalten. Und ich finde es eben gefährlich, wenn man anfängt zu denken, dass man ohne die Fans nicht der Mensch wäre, der man ist. Gut, man würde nicht so viel Geld verdienen und sonstwas, das stimmt schon alles. Aber das ist nicht mein Ziel. Ich möchte mich auch nicht irgendwann bei dem Entschluss ertappen, eine Homestory zu machen, weil „der Fan“ angeblich einen Anspruch auf diese privaten Informationen hat. Schlimm wird es, wenn Fans verwirrt sind. Ich meine Stalker …

… diese Typen, die glauben, du seiest in sie verliebt, nur weil du sie zufällig im Publikum angeschaut hast? Und durchdrehen?

Ja, genau. Wirre Köpfe.

Ist es einfach, berühmt zu werden?

Ich glaube, dass Einzige, was man machen muss, ist, lange genug dein Gesicht ins Fernsehen zu halten. Selbst wenn du das Klo im ZDF-Fernsehgarten lange genug putzt und dabei gefilmt wirst und gar nichts sagst, werden Leute sich irgendwann mit dir identifizieren. Die Frage ist: Geht’s darum?

Musst du eigentlich manchmal heulen? Titzi, die Figur in „Kebab Connection“, wird oft enttäuscht, doch sie heult nicht, sondern reagiert wütend.

Ich weine eher kurz und prägnant. Wenn du einfach traurig bist, kannst du nicht versuchen, dir Wut einzureden. Ich finde alles, was aufgesetzt ist, ein bisschen schwierig. Kleine Kindern, die hinfallen, heulen erst mal vor Schmerz, hören dann aber auf, weil sie noch kein Selbstmitleid kennen. Wenn Erwachsene heulen, heulen die ja teilweise über Stunden.

Und das findest du peinlich?

Nur, wenn so ein Zustand aus Lust am Leiden künstlich aufrecht erhalten wird. Wenn einen Menschen etwas verletzt, muss es erlaubt sein zu weinen. Aber ich ertappe mich selbst oft dabei, dass ich nach zwei Minuten denke: So, ist gut, reicht. Und es stimmt. Witze darüber zu machen, ist ab dann viel besser.

Drei Tafeln Schokolade und …

… eine heiße Badewanne und diese Frauenrezepte im Fernsehen? Nee, furchtbar! Immer diese armen amerikanischen Frauen, die sowieso nur Eis essen, wenn sie sich getrennt haben. Ganz schlimm. So wie zum Beispiel Eva Mendes in „Hitch“. Die weint und isst Eis. Und alle im Kino fühlen sich verstanden.

Ist doch gemütlich.

Nee. Ich finde, dass man sich nicht nur im Trennungsfall verwöhnen muss, sondern grundsätzlich immer.

Das Gespräch führten David Denk und Okka Rohd.

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