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Paul liebt Ballerspiele.

© privat

Jugend denkt über denTod nach: Viel mehr als nur Gewalt

"Hast du nichts Sinnvolleres zu tun, als Leute abzuknallen in deinen bescheuerten Ballerspielen?", meckert Mama. Das Problem ist, dass sie wie die meisten Erwachsenen nicht versteht, warum mir diese Spiele ans Herz gewachsen sind - weil ich sie gemeinsam mit meinen Freunden spiele, sagt Paul, 15 Jahre.

Meine Freunde und ich sind gerade dabei, uns zu entscheiden, was wir heute spielen. „Lass uns mal Operation Metro spielen“, sagt mein Kumpel, „da wird schön geballert.“ Die Spielkarte lädt, und sofort geht es los: Von links kommen drei Gegner, welche wir durch den Bewegungsmelder meines Freundes schon gesehen haben. Bumm – mit drei Schüssen sind sie weg. Wir laufen weiter, als wir auf der Karte fünf Gegner von der anderen Seite kommen sehen. „Schnell weg hier, das sind zu viele!“ Auf der Flucht erledige ich noch einen allein stehenden Maschinengewehrschützen mit dem Messer von hinten.

Als meine Mutter in mein Zimmer kommt, ist sie empört. „Es ist bald Mitternacht“, meckert sie, „morgen ist Schule, und du hast nichts Sinnvolleres zu tun, als Leute abzuknallen in deinen bescheuerten Ballerspielen. Die ganze Zeit höre ich irgendwelche Waffengeräusche und Schreie aus deinem Zimmer.“

Ich spiele Ballerspiele. Diesen Satz verbinden Erwachsene wie meine Mutter oft mit den üblichen Vorurteilen. Meist sagen sie, diese Spiele machen mich aggressiv und gewaltbereiter. Sie sagen, in diesen Spielen gehe es hauptsächlich um Gewalt und ums Töten. Solche Aussagen machen mich sehr traurig. Es ist eine oberflächliche Ansichtweise meines Hobbys, das mir im Lauf der Zeit sehr ans Herz gewachsen ist und in dem doch viel mehr als Gewalt steckt. "Diese Spiele sind mehr als nur der Spaß an der Gewalt. Wir zählen nicht nur kalt die Tode, die wir erzielen", erkläre ich meiner Mutter. "Du kannst das Töten in diesen Spiel und einen Mord in der realen Welt doch nicht gleichsetzen. Ich bringe die Spielfigur des Gegners im Spiel um, eine fiktive Person also, und nicht die Person, welche am anderen Ende der Leitung sitzt. Ich raube niemandem das Leben." Das möchte sie nicht akzeptieren. Ich argumentiere also weiter: "Es geht mir nicht mal ums bloße Rumballern auf diese fiktiven Spielfiguren. Klar, am Ende das Ziel des Spiels, die Gegner auszuschalten. Aber der Grundgedanke ist, mit meinen Spielkameraden einen Weg zu finden, das zu erreichen. Ich versuche, dem Gegner einen Gedanken voraus zu sein, mich abzusprechen, wie wir vorgehen, und eine gewisse Taktik zu entwickeln. Wir arbeiten im Team, um möglichst klug vorzugehen." Es ist doch wie beim Fußball, wo es das Ziel ist, möglichst viele Tore zu erzielen. Aber der Reiz am Fußball ist der Weg dahin. Der Reiz ist, klüger als der Gegner zu spielen. Genau so ist es bei diesen Spielen. Mit der realen Welt verbinde ich da eher wenig. Niemals würde ich einem Menschen eine Kugel in den Kopf jagen, wie im Spiel, weil es sich um ein echtes Leben handelt. Solange ich das persönlich differenzieren kann, halte ich solche Spiele für einen spannenden Zeitvertreib mit Freunden. Trotzdem möchte ich nicht ausschließen, dass die Gewalt in den Spielen bei Leuten, die psychisch sehr labil sind und keine Ansprechpartner haben, eine bereits vorhandene Aggressivität verstärken kann.

Paul Berger

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