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Panorama: Kampf um Coppi

Am 17. September wird mit dem ersten Bürgerentscheid Berlins über die Fusion zweier Schulen entschieden

Sie haben protestiert, demonstriert, Lichterketten organisiert, Konzerte gegeben, Briefe geschrieben und Tausende von Unterschriften gesammelt. Ulrike Roth, 17, weiß selbst gar nicht mehr so genau, wie sie in all das hineingeraten ist. „Da saß ich plötzlich nachts um zwei am Schreibtisch und habe Briefe an das Bezirksamt Lichtenberg geschrieben.“ Auch Claudia Merkel, 17, und Ulrich Ziegler, 18, haben viel zu tun in diesen Tagen: Sie sind Schülersprecher des Coppi-Gymnasiums. Bei Informationsabenden, Diskussionsrunden und Bürgertreffen ist mindestens einer von beiden dabei, erklärt, diskutiert.

Am 17. September ist es so weit: Dann müssen die Lichtenberger in Berlins erstem Bürgerentscheid abstimmen, ob das Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasium erhalten bleibt. Denn das Bezirksamt plant wegen des Schülerrückgangs, das musische Gymnasium mit dem humanistischen Immanuel-Kant-Gymnasium an dessen Standort in Rummelsburg zu fusionieren. In das Coppi-Gebäude soll das naturwissenschaftliche Georg-Forster- Gymnasium einziehen.

Das Coppi-Gymnasium, idyllisch gelegen am Karlshorster Römerweg, ist gepflastert mit den Kunstwerken seiner Schüler. Im Pausenhof stehen meterhohe weiße Gipsskulpturen. In der Pause dringt aus einem Klassenzimmer Jazzmusik. Ein Schüler am Schlagzeug und einer am Keyboard improvisieren einen Ragtime. An der Wand hängen Fotos von den Musicalaufführungen der letzten Jahre. Jedes Jahr führen die Schüler des Coppi-Gymnasiums ein selbst komponiertes Musical auf. „Dabei stehen dann auch alle Lehrer auf der Bühne und machen sich zum Affen“, grinst Hans-Peter Pommer, Fachbereichsleiter für Geschichte, Erdkunde und Politik.

Genau das sei das Schöne: diese besondere Atmosphäre. Das humorvolle, von Vertrauen und Respekt geprägte Verhältnis von Schülern und Lehrern, die künstlerische und musische Umgebung. Auch Schulleiterin Hildegunde Selent versteht die Pläne des Bezirks nicht. „In 15 Jahren ist so viel gewachsen“. Lothar Bösel, der Fachbereichsleiter für Musik, erzählt stolz von einer Initiative seiner Schüler, die unter dem Motto „Coppi muckt auf“ Konzerte organisiert haben, mit denen gegen die Fusionspläne protestiert wurde.

„Der Bezirk ist nie auf unsere Argumente eingegangen, es hieß: So ist es, fertig. Ich glaube, das hat zu unserem Aufschrei geführt“, sagt Angela Deppe, die Vorsitzende der Gesamtelternvertretung. So ging Anfang 2005 eine Protestwelle ungeahnten Ausmaßes los. „Wir haben schnell genug reagiert“, sagt Ulrike, die damals in der zehnten Klasse war und Schulsprecherin. Eine Klage der Elternvertretung beim Oberverwaltungsgericht gegen die Fusion wurde abgewiesen. Die Idee mit dem Bürgerbegehren entstand.

Volksbildungsstadtrat Michael Räßler-Wolff (für PDS) widerspricht den Vorwürfen, der Bezirk habe eine undemokratische Entscheidung gefällt. „Alle nötigen Gremien sind an den Gesprächen beteiligt gewesen.“ Das Kant-Gymnasium als älteste Schule am Ort müsse unbedingt erhalten bleiben. Die Fusion von Coppi- und Kant-Schule sei die einzige Lösung.

Was Eltern, Schülern und Lehrern wichtig ist: Der Protest, der nun bis zum Bürgerentscheid geführt hat, soll sich nicht gegen die anderen Schulen richten. Das aber ist schwer zu vermitteln. Dass die anderen beiden Schulen wütend sind auf das Coppi-Gymnasium und den Beteiligten Egoismus und das Streben nach einer Insellösung vorwerfen, damit müssen sie leben.

Alle Hoffnungen ruhen nun auf dem 17. September. Die Schüler werden noch Handzettel an alle Haushalte in Lichtenberg verteilen. Und am Sonntag vor der Wahl wollen sie ein Transparent in der Treskowallee aufhängen. Die Coppi- Schüler wollen anderen Schulen zeigen, dass sich Protest lohnt, dass man etwas erreichen kann, sagt Claudia. „Wenn wir das können, können das andere auch.“

Lisa Zimmermann

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