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Panorama: Kaninchenfutter Erst denken, dann essen Wir haben Hunger, Hunger Hunger Essen aus Mülltonnen Fleisch oder Leben! Supersteak in Hypersoße Grillen mit Zukunft

Während die meisten Mädchen bei Unter 18 durchaus über Ethik beim Essen nachdenken, gaben die Jungen ein klares Votum ab: Fleisch her!

Was genau vegan sein bedeutet? Google sagt, man darf keinerlei tierische Produkte essen. Mein Vater sagt: Man muss sich einfach wie ein Kaninchen ernähren. Wenn ich ehrlich bin, liegt er da nicht ganz falsch.

Tag 1. Normalerweise würde ich Müsli mit Milch essen. Aber Milch kommt von Kühen, Kühe sind Tiere, Tiere werden ungerecht behandelt. Das ist das Mantra, das ich mir jetzt vor jeder Mahlzeit denken muss. Ich schmiere mir gut gelaunt ein Marmeladenbrötchen. Mein Bruder lächelt schadenfroh und sagt: In Brötchen ist auch Milch. Meine Mutter: Aber nur in manchen! Ich: Ist da nun Milch drin? Mama: Woher soll ich das wissen, die sind vom Markt. Als ich später meine Freundin dasselbe frage, antwortet sie: Bin ich Moses? Spätestens da wird mir klar:

Wenn man vegan sein will, darf man sich nicht auf das Wissen anderer verlassen. Das ist ein Kampf, den man

allein zu kämpfen hat.

Tag 2. Da ich mich nicht wirklich aufs Vegansein vorbereitet hatte, war der gestrige Tag eine Katastrophe, denn ich war am Abend auf einem Fest. Während alle sich vergnügten, stand ich da mit einer einzelnen Karotte. Nach und nach versuchten die anderen, mich dazu zu bringen, doch was zu essen. Noch eine Tatsache, mit der man als Veganer konfrontiert wird. So gut wie jeder versucht, dich zu „Ausnahmen“ zu überreden. Aber ich hielt durch. Bis heute Nachmittag. Mann, verdammt, wir waren in meinem Lieblings-Burger-Restaurant.

Tag 3–6. Langsam gewöhne ich mich dran. Die zusätzliche Energie, die man angeblich bekommt, ist mir noch nicht begegnet. Von wegen ausgeglichen und ruhig. Ich bin schlecht gelaunt. Ich brauche Schokolade, ein Döner wäre auch nicht schlecht. An sich finde ich die Einstellung, wenig oder gar kein Fleisch zu essen, ganz gut. Das mit dem Käse und der Butter geht mir aber zu weit. Mein Fazit: Vegan sein ist garantiert nicht jedermanns Sache.

Bengisu Köse, 15 Jahre

Vor ein paar Jahren sollten wir in der Schule zusammenstellen, in welchen Bereichen wir zu Hause auf die Umwelt achten. Dabei ist mir zum ersten Mal richtig bewusst geworden, wie viel Auswirkungen auch das auf die Umwelt hat, was ich esse. Der Fisch, der auf meinem Teller landet, fehlt im Ökosystem des Meeres. Und auch der Luxus, exotische Früchte, zu jeder Jahreszeit eingeflogen, in Deutschland zu genießen, ist nicht gerade hilfreich zur Reduzierung der CO2-Bilanz.

Klar ist es sehr angenehm, essen zu können, worauf man gerade Lust hat. Ich zum Beispiel könnte ständig Curry mit Huhn essen.

Aber es ist einfach so: Esse ich viel Fleisch, müssen auch viele Tiere vor der Schlachtung auf engstem Raum gehalten werden. Und kaufe ich Bananen für 88 Cent pro Kilo, muss ich mich nicht wundern, wenn dabei nicht genügend für die Plantagenarbeiter übrig bleibt.Da frage ich mich: Ist mir der billige Preis wirklich so wichtig, dass mir die Umstände, unter denen das Produkt entsteht, völlig egal sind? Klar kann sich nicht jeder leisten, alles im Bioladen einzukaufen. Und ich möchte mir auf gar keinen Fall herausnehmen zu fordern, dass jemand, der jeden Cent zweimal umdrehen muss, gefälligst nur das teuerste Fleisch zu kaufen hat. Meiner Meinung nach kann man das aber dadurch regeln, dass man nicht so häufig Fleisch kauft, aber wenn, dann nicht das billigste. Ich finde, es wäre besser, ein- oder zweimal die Woche gutes Fleisch zu essen als jeden Tag schlechteres – sowohl ethisch als auch geschmacklich.

Aber der beliebteste Einwand ist: Mir hat keiner in mein Essen reinzureden. Das geht in Ordnung – aber mal darüber nachzudenken, welche Konsequenzen der eigene Speiseplan hat, schadet wohl auch niemandem. Ich finde, dass wir nicht alle so weitermachen können, wie es vielleicht noch unsere Elterngeneration getan hat. Wir sind jung – machen wir was aus unserer Welt.

Laurence Isabelle Stroedter, 18 Jahre

„Freeganer boykottieren die heutige Überfluss- und Wegwerfgesellschaft, indem sie Lebensmittel nicht kaufen, sondern aus Mülltonnen entnehmen, die abends vor die Supermärkte gestellt werden. Dort finden sie oft kiloweise nahezu unversehrtes Obst, Gemüse und teilweise noch originalverpackte Lebensmittel. Diese Lebensmittel werden weggeworfen, da sie anscheinend dem verwöhnten Konsumenten nicht mehr zumutbar sind.“

Essen aus Mülltonnen. Zuerst klingt dieses eher ungewöhnliche Ernährungsprinzip natürlich nicht so toll. Allerdings ist es, wie der freundliche Wiener uns auf der Website freegan.at mitteilt,

moralisch sehr korrekt – sogar noch viel korrekter als Öko kaufen oder Vegetarismus oder sogar Fruitarismus (darunter versteht man die

Ernährung von Fallobst) oder Nudelauflauf von gestern

aufwärmen.

Denn die Freeganer haben ja im Grunde genommen recht: Wir werfen viel zu viel weg, und irgendjemand muss sich darum kümmern, das zu stoppen. Oder wie Ilse Aigner, unsere Agrar- und Verbraucherministerin, bemerkte: Die Mindesthaltbarkeitsdaten sind viel zu früh angesetzt. Lebensmittel halten länger. Dreck reinigt den Magen und so. Einfach mal das Brötchen wieder vom Boden aufheben. Oder noch weiter gehen.

Ich denke, die Menschheit braucht mehr Verständnis für diejenigen, die sich wirklich um unsere Welt sorgen. Ich empfinde großen Respekt gegenüber Freeganern. Sie tun Gutes. Sie klauen ja nichts. Sie arbeiten daran, ein Gleichgewicht wiederherzustellen, der ganzen Menschheit mit ihrer Lebenseinstellung zu helfen. Außerdem, krank macht das ja offensichtlich auch nicht – solange die Lebensmittel nicht verfault sind. Auf der Website steht, morgens ist alles immer noch am frischsten.

Warum mache ich das eigentlich nicht? Muss ja auch gut für den Geldbeutel sein, so sparsam zu leben. Vielleicht sollte ich das machen. Und gesund und abwechslungsreich ist es auch noch, wenn man es recht bedenkt! Das muss ja super cool sein, wenn man sagen kann: „Ich bin Freeganer. I dive dumpsters, ich tauche in Mülltonnen. Willst du mitmachen?“ Okay. Sobald ich von zu Hause ausziehe, werde ich Freeganerin.

Sonja Radde, 16 Jahre

Ethik und Essen – das hat für mich nicht viel gemeinsam. Es gibt so viele Pseudo-Vegetarier oder sogar Veganer, die Ethik beim Essen fordern, aber im Endeffekt gar nicht wissen, warum. Ich muss gestehen, mich mit so etwas nie intensiv auseinandergesetzt zu haben. Wozu auch? Ich esse, damit ich satt werde und weil ich finde, dass bestimmte Speisen ein Luxus sind, den ich gerne genieße.

Es ist jetzt nicht so, dass mir unsere Umwelt, die Tiere auf unserer Erde und alles, was unter unserer

Essensproduktion leiden muss, scheißegal ist. Nur finde ich, liegt es in der

Natur aller Lebewesen zu

essen – und zwar zumeist ein anderes Lebewesen.

Also fressen und gefressen werden. Ein natürlicher Prozess, den es schon immer gibt. Fleisch gehört auf die Speisekarte. Selbstverständlich ist Qualität für mich auch ein wichtiger Faktor. Bei guter Qualität, also bei teuren Lebensmitteln (insbesondere bei Fleischwaren) gehe ich davon aus, dass das Tier auch entsprechend behandelt wurde und nicht misshandelt oder wie ein Gegenstand gebraucht. Das sind die einzigen ethischen Faktoren, die ich nachvollziehen kann, wenn es ums Essen geht. Übertriebenes Gehabe um Ethik beim Essen kann ich nicht verstehen. Warum sollte ich Tofu essen, der ganz nebenbei nach nichts schmeckt und auch nicht wirklich toll aussieht, wenn ich genauso gut ein gutes Filet essen kann, was zumeist richtig gut schmeckt? Das mag provokant klingen, und mit Sicherheit könnten mir zig Experten und Pseudoexperten das Gegenteil beweisen, aber für mich liegt da ein meilenweiter Unterschied. Essen ist für mich Kultur und sollte nicht verändert werden. Jeder kann das individuell entscheiden, wie er möchte – ich entscheide mich so. Ein Löwe denkt ja auch nicht vorher über die ethischen Probleme beim Jagen nach, sondern erlegt die Antilope einfach. Sie kämpfen ums Überleben, so wie alle Lebewesen auf diesem Planeten. Ich tu das auch.

Luca Hyzdal, 18 Jahre

Es ein ziemlich heißer Tag im Berliner Juli. Es hat viel geregnet in letzter Zeit, und jetzt will ich einfach nur im Tiergarten entspannen und ein bisschen grillen. Für alles ist gesorgt, nur noch an einer Sache fehlt es – dem Fleisch. Da gibt es im Supermarkt eine ziemlich große Auswahl: Man kann eine Packung mit sechs Steaks für zwei Euro oder eine mit zwei Steaks für zehn Euro kaufen. Ich bin Schüler, woher soll ich denn bitte Geld haben? Na klar freue ich mich über die sechs Steaks für zwei Euro und greife zu – schließlich komme ich auch grade wieder aus einer Wachstumsphase und hab den ganzen Tag nichts gegessen.

Doch mein Kumpel läuft schnurstracks auf das Kühlregal mit dem Biofleisch zu und greift sich das teuerste aus der oberen Regalreihe: 100 Euro das Kilo, so in der Größenordnung ist das. Ich sag ihm, er hat sie doch nicht mehr alle und was das soll. Ich geb doch nicht 100 Euro für zwei magere Nackensteaks aus und zwar nur weil das Schwein ein bisschen mehr Freiraum hatte und vielleicht drei Tippelschrittchen mehr in seinem Leben gelaufen ist.

Er fragt mich, ob ich den Film „We feed the world“ gesehen habe. Nee, hab ich nicht. Und selbst wenn: Alles Heuchelei!

Leute, die Biofleisch kaufen, befriedigen ihr schlechtes Gewissen mit ein paar Euro und denken, ihre gute Tat sei für heute getan.

Aber ich frage den Kumpel jetzt erst mal, wieso ich mein Geld für Fleisch ausgeben soll, das nicht im Ansatz besser schmeckt als mein mit Geschmacksverstärkern aufgepepptes Supersteak. Das lächelt mich nämlich grade in der mit E-Stoffen angereicherten Hypersoße zart an.

Wieso soll ich darauf verzichten satt zu werden? Soll ich etwa meine Entwicklung unterdrücken? Ich brauch die Proteine für McFit! Vielleicht noch den Dönermann an der Ecke bitten, das nächste Mal Neuland-Fleisch an den Spieß zu hängen? Damit der Döner dann sechs Euro kostet und halb so groß ist? Nee danke, ist mir echt zu anstrengend.

Viktor Kewenig, 18 Jahre

Weil meine Freunde und ich nur noch ein Jahr Schule vor uns haben, machen wir uns Gedanken über die Zukunft. In ein paar Jahren wird sich unsere Ernährung grundlegend verändert haben. Wir wollen es einmal ausprobieren: Vegetarisches Grillen – das Grillen der Zukunft.

Wir finden einen Platz neben einem etwa 40-Jährigen und seinen Kumpels. Er ist ein eingefleischter Griller: Drei-Tage-Bart, braune Shorts und eine Schürze mit dem Aufdruck „Grillmeister“. Er blickt auf unser vegetarisches Menü: „Was seid ihr denn für Ökotanten?“ Dann schiebt er schnell hinterher, dass er nur Biofleisch grillt.

Das ist ja schön und gut, aber auch Biorinder stehen pupsend auf der Weide und zerstören die Atmosphäre.

Aufgeräumt erklären wir ihm: In ein paar Jahren wird Fleisch so teuer sein, dass man sich lieber dem Zwangsvegetarismus fügt. Dann sind Sie auch eine Ökotante. Der Grillfan ist schockiert. Stur murmelt er: „Auf den Grill gehört Fleisch.“

Inzwischen haben wir unseren zweiten Gang aufgelegt: Algensteak. Algen werden nämlich eines unserer Grundnahrungsmittel der Zukunft werden. Man kann sie unter Wasser anbauen. Das ist wichtig, damit auch bei einer wachsenden Weltbevölkerung genug Platz bleibt.

„Und was ist mit dem Geschmack?“, fragt der Grillnachbar, der langsam vorsichtig wird. Natürlich lassen wir ihn probieren. Er verzieht das Gesicht, brummelt aber: „Ist in Ordnung. Aber Fleisch ist besser.“

Wer auch in der Zukunft die Finger nicht von Tieren lassen kann, kann ja Insekten essen. Heuschrecken und andere Tierchen enthalten viel Eiweiß. Außerdem können sie in Massenproduktion gezüchtet werden. Ungläubig fragt unser Nachbar: „Grillt ihr jetzt Insekten?!“

Nein, da können wir ihn beruhigen. Wir essen nur, womit wir uns wohlfühlen. In der Zukunft werden wir zwar auch Insekten ohne Zögern essen. Aber so weit wollen meine Freunde und ich dann doch nicht vorausdenken. Das versteht der Grillmeister gut und stößt mit uns an.

Lena Fiedler, 17 Jahre

Bengisu Köse[15 Jahre]

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