zum Hauptinhalt
247216_0_124534cf.jpeg

© David Heerde

Slam-Poet Julian Heun: Dichter dran

Reime lagen ihm schon immer: Julian Heun, 19, ist einer der talentiertesten Poeten Berlins, veröffentlichte auch kleine Werke auf der Jugendseite des Tagesspiegel - und tritt heute bei der Berliner Stadtmeisterschaft an.

Begonnen hat alles so: Julian reimte gerne, wie jedes Kind eben. Er saß auf dem Gepäckträger, sein Vater, ein Deutschlehrer, trat in die Pedale und Julian reimte. Später, als er schon ein bisschen größer war, musste Julian feststellen: Malen konnte er nicht so gut, Basteln auch nicht, aber Reimen, das lag ihm. Also verschenkte Julian Gedichte, zu Geburtstagen, zu Ostern und zu Weihnachten. Das Publikum, die Eltern, Tanten, Omas und Opas waren begeistert.

Angetan ist das Publikum noch immer, allerdings reimt Julian Heun längst nicht mehr nur vor Tante, Oma, Opa. Wenn Julian Heun heute zum Mikrofon greift, muss er überzeugen, denn das Publikum entscheidet: Daumen hoch, Daumen runter. So einfach ist das bei Poetry Slam, grob gesagt. Auch bei der ersten Berliner Stadtmeisterschaft, die am heutigen Sonntagabend vor 700 Zuschauern in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz stattfindet. Los geht es um 20 Uhr; der Eintritt kostet zwölf Euro.

Ihm bleiben nur wenige Minuten

Wenn sich der 19-Jährige mit anderen Slam-Poeten auf der Bühne misst, hat er nur wenige Minuten, mit seinem Auftritt zu überzeugen. Mit seiner Poesie. Und das gelingt ihm ziemlich gut. Deutschsprachiger Meister der Unter-20-Jährigen ist er geworden im vergangenen Jahr, Vizemeister in diesem. Und dabei ist er noch gar nicht lange dabei, gerade mal eineinhalb Jahre.

Das Wort habe ihm gefallen, sagt er. Poetry Slam, das bedeutet übersetzt so viel wie Dichterschlacht. Also ging er hin. Einmal, zweimal und war wenig später selbst mittendrin. „Die Hemmschwelle ist groß“, sagt er. „Man gibt etwas sehr Intimes von sich preis.“ Kaum eine Woche vergeht inzwischen, in der Heun, der sein Abitur an der Gabriele-von-Bülow-Oberschule gemacht hat und im Reinickendorfer Ortsteil Konradshöhe wohnt, keinen Slam-Auftritt hat. Mal sind es kleinere, mal größere. „Eigentlich geht es doch nur um den Spaß“, sagt Heun. Außerdem gibt es eine feste Regel bei Poetry Slam: „Der beste Poet verliert immer. Das ist ungerecht, ist aber so. Es ist oft zu schwer, gegen lustige Texte zu gewinnen.“

Das Geheimnis des Votrags

Will man trotzdem gewinnen, muss man üben. Die Texte werden beim Schreiben laut gelesen, Lachpausen eingeplant, vor dem Spiegel die Körperspannung geprüft, im verschlossenen Kämmerchen Dialekte gesprochen: bayerisch, sächsisch, deutsch-türkisch, indisch-englisch. „Wenn mir langweilig ist, spreche ich Dialekt. Das kann dann schon nerven“, sagt er. „ Würde das jemand anders machen, ich würde ihn bitten, ganz schnell damit aufzuhören.“

Was aber bleibt bei so viel Einsatz für die Poesie noch übrig im normalen Leben? Eine ganze Menge. Julian schreibt Kolumnen, zum Beispiel in einer Zeitschrift für Deutschschüler aus Osteuropa, geht demnächst auf Lesereise mit Werken eines jung verstorbenen polnischen Autors und reist im kommenden Jahr für fünf Monate durch Südamerika. Dort will er vielleicht auch sein Roman-Manuskript fertig schreiben. „Gedichtbände kauft ja niemand“, sagt er. Und danach? „Keine Ahnung“, wahrscheinlich ein Studium, vielleicht Germanistik. Hauptsache Sprache.

Juliane Eichblatt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false