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Winterchaos in New York: Manhattan im Schnee

Wenn es an der Ostküste der USA schneit, bricht alles zusammen – aber der New Yorker lässt sich nichts anmerken.

Wer am Abend durch das verschneite East Village von Manhattan läuft, erkennt das Szeneviertel nicht mehr. Wadentief sank in den Schnee, wer sich auf den Weg in ein Restaurant oder zu einem Club machte. Eine wundersame Stille liegt über dem Ausgehviertel, es ist in ein eigentümliches Licht getaucht, das die Straßenlaternen, Ampeln und die Lichter der Häuser in den Schnee werfen.

Der Manhattanite lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, nichts kann ihn provozieren. Selbst wenn er sich ärgert, er überspielt das, tut so, als sei es besonders cool, dass er in einer Stadt lebt, in der alles immer wieder zusammenbricht, auch, wenn es mal schneit.

Und wer bei Schnee einen spektakulären Blick vom Cristadora House wirft, einem Art-Deco-Bau, hinunter auf den in Weiß getauchten Tompkins Square Park, der wird für alle Unbill entschädigt, die die beste Stadt der Welt für seine Bewohner bereithält.

Es gibt in der Tat einiges zu ertragen, wenn es schneit.

Der Schneesturm an der Ostküste Amerikas hat vor allem in den großen Metropolen für ein gewaltiges Chaos gesorgt. Vor allem in New York und Umgebung, wo rund sechzig Zentimeter fielen und den Verkehr an Flughäfen und in den Straßen lahmgelegt haben. Zehntausende von Haushalten kämpfen mit Stromausfällen. Die jährlichen Blizzards zeigen, dass die veraltete Infrastruktur in Amerika mit normalen Situationen nicht fertig wird.

Überraschend ist die Situation in Städten wie New York und Boston also nicht. Jedes Jahr spielen sich die gleichen Szenen ab. Und gegen einige hätte man schon längst etwas unternehmen können. Am Flughafen etwa, wo die Airlines bereits mehr als tausend Verbindungen gestrichen haben. Die Start- und Landebahnen liegen unter einer dicken Schneedecke. Die Flughafenbetreiber beteuern, gegen das Winterwetter machtlos zu sein.

Anderswo sieht man das nicht so: Der Flughafen in Anchorage, Alaska, wo jährlich bis zu drei Meter Schnee fallen und damit durchschnittlich viermal so viel wie in der Region New York, wurde seit Eröffnung in den fünfziger Jahren nur einmal wegen Schnee gesperrt. „Normalerweise räumen wir innerhalb kürzester Zeit auf “, erklärt ein Flughafensprecher und zeigt stolz seine großen Räumfahrzeuge. An den Flughäfen John F. Kennedy, Newark Liberty und La Guardia, die jährlich rund 100 Millionen Fluggäste abfertigen, steht solches Räummaterial nur in begrenztem Umfang zur Verfügung.

Relativ sauber geräumt sind hingegen die Straßen, doch auch das hilft in der Region nur bedingt. Wenn die gewaltigen Schneepflüge in den Morgenstunden durch Manhattan und die Vororte donnern, dann räumen sie nicht nur den Schnee von der Fahrbahn, sondern türmen ihn haushoch an der Straßenseite auf, wo die Anwohner ihre Autos geparkt haben. Die sind folglich unter einer gewaltigen Schneedecke zunächst kaum zu finden und dann nur mir außergewöhnlichem Arbeitseinsatz freizuschaufeln. Wer es dennoch auf die Straßen schafft, kommt dort kaum voran. Den Amerikanern ist das Konzept von Winterreifen fremd, entsprechend bricht der Verkehr bei Schnee umgehend zusammen. Es gibt Tausende von Unfällen und ohne Reifengriffigkeit tasten sich die meisten Fahrer im Schrittverkehr durch die Straßen.

Sowohl die New Yorker U-Bahn als auch der Nah- und Fernverkehr kommen schon bei gutem Wetter kaum mit den Pendlermassen klar. Wenn sich das Passagieraufkommen wegen Schnee vergrößert, reicht das Rollmaterial nicht aus. Das U-Bahn-System in New York – Schienen, Weichen, Leitungen – ist zum Teil fast hundert Jahre alt und muss bei schwieriger Witterung umso vorsichtiger benutzt werden. Viele Pendler bleiben an diesem ersten Arbeitstag nach Weihnachten entsprechend zu Hause – wo sie unter Umständen keinen Strom haben werden. In New York, Boston und anderen Städten entlang der Küste sind ganze Stadtteile dunkel. Auch das ist ein Infrastrukturproblem: Das Stromnetz an der Ostküste ist das älteste in den ganzen USA. Im Sommer bricht es zusammen, weil zu viele Klimaanlagen zu viel Strom ziehen, im Winter, weil Schnee und Bäume die Strommasten einknicken lassen.

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