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Neanderthaler

© ddp

Wissenschaft: Leipziger Forscher präsentieren Entwurf des Neandertaler-Erbguts

Deutsche und amerikanische Forscher haben das Erbgut des Neanderthaler entschlüsselt. Am Donnerstag präsentierten sie ihre Ergebnisse zeitgleich in Potsdam und Chicago. Nun erhoffen sich die Wissenschaftler weitere Aufschlüsse über die Entwicklung des Menschen.

Forscher aus Leipzig und den USA haben erstmals einen Entwurf des von ihnen entschlüsselten Neandertaler-Erbguts präsentiert. Projektleiter Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie sprach am Donnerstag in Leipzig von einem Meilenstein. Die Entschlüsselung soll helfen, die evolutionäre Beziehung von Mensch und Neandertaler zu klären, der vor etwa 30.000 Jahren ausstarb.

Forscher entschlüsseln mehr als drei Milliarden DNA-Fragmente

Die Forschungsergebnisse wurden zeitgleich in Leipzig und auf der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (AAAS) in Chicago vorgestellt. Die Wissenschaftler erhoffen sich von der Rekonstruktion des Neandertaler-Erbguts vor allem Antworten auf die Frage, welche genetischen Veränderungen zur Entwicklung des modernen Menschen beigetragen und schließlich dazu geführt haben, dass er sich vor etwa 100.000 Jahren von Afrika aus über die gesamte Welt verbreiten konnte. Gemeinsam mit der US-Firma "454 Life Sciencs Corporation" entschlüsselte die Gruppe um Pääbo mehr als drei Milliarden DNA-Fragmente aus Neandertalerknochen, die etwa 60 Prozent des Genoms abdecken. Daraus rekonstruierten sie dann die Rohfassung des gesamten Erbguts des Neandertalers, der einst in Europa und Teilen Asiens lebte.

Die analysierten DNA-Fragmente stammten demnach in erster Linie aus 38.000 Jahre alten Neandertalerknochen, die in Kroatien gefunden wurden sowie von Fossilien aus Spanien und dem Kaukasus. Außerdem verwendeten die Forscher Proben des Ur-Neandertalers, dessen Skelett 1856 in einem Tal bei Düsseldorf gefunden wurde und der dem Frühmenschen erst seinen Namen gab. Eine in den USA entwickelte spezielle Technologie ermöglichte es, die Zellkern-DNA aus den Fossilien zu entnehmen und zu entschlüsseln. Dies war mit den bisherigen Methoden praktisch unmöglich. Normalerweise gestaltet sich die Analyse von DNA aus Fossilien schwierig, weil ein Organismus nach dem Tod von Bakterien und Pilzen besiedelt wird und ein Großteil der DNA dadurch zerstört wird.

Gene haben wohlmöglich zur Sprachfähigkeit beigetragen

Laut Pääbo können die entzifferten Neandertal-Gene nun mit den bereits entschlüsselten Genomen von Menschen und Schimpansen verglichen werden, um festzustellen, "wie das Genom der ausgestorbenen Neandertaler von dem des heutigen Menschen abweicht". Für die Genomanalyse hat der Mikrobiologe inzwischen ein Konsortium von Wissenschaftlern aus aller Welt zusammengestellt. Sie werden unter anderem verschiedene Gene untersuchen, die für die neuere menschliche Entwicklung von besonderer Bedeutung waren, darunter das so genannte FOXP2-Gen, das möglicherweise maßgeblich zur Sprachfähigkeit beigetragen hat.

Darüber hinaus sind die Forscher an zwei weiteren Gene interessiert, die mit Alterung und der Entwicklung des Gehirns in Verbindung gebracht werden. Varianten dieser Gene wurden möglicherweise von Neandertalern an heutige Menschen vererbt. "Vorläufige Ergebnisse unseres Konsortiums deuten allerdings darauf hin, dass Neandertaler, wenn überhaupt, nur einen sehr geringen Anteil zu der bei den heutigen Menschen gefundenen Varianz beigetragen haben", erklärte der Max-Planck-Forscher. Pääbo hofft, fundierte Ergebnisse der Analyse noch in diesem Jahr veröffentlichen zu können. Seit mehr als einhundert Jahren versuchen Paläontologen und Anthropologen die evolutionäre Beziehung zwischen dem heutigen Menschen und dem Neandertaler als seinem nächsten Verwandten aufzuklären. (jm/AFP)

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