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Panorama: Zartere Versuchung

Draufgänger haben bei Frauen wenig Chancen. Fürsorgliche Männer werden am Geruch erkannt. Weil das in den Genen liegt

Draufgängertum und kantige Gesichter beeindrucken Frauen weniger, als viele Männer vermuten. Stattdessen punkten Partner, die verlässlich wirken – und die wie der Vater der Frau riechen.

Am attraktivsten war der junge Mann, der sich in einen reißenden Fluss stürzte, um ein Kind zu retten. Bungeejumping und andere schlichte Mutproben ohne tieferen Sinn dagegen imponierten den Frauen wenig. Das ist das Ergebnis einer kürzlich im Fachjournal „Evolution and Human Behaviour“ erschienenen Studie. Der Psychologieprofessor William Farthing von der Universität von Maine in Orono hatte dafür 52 junge Frauen und 48 junge Männer zu ihrer Einstellung gegenüber risikoreichem Verhalten befragt und die Probanden auch beobachtet, während er ihnen 21 aus dem Leben gegriffene Szenarios vorführte. „Frauen ziehen vorsichtige Männer als Partner vor“, resümierte der Psychologe kürzlich gegenüber der BBC. Seiner Untersuchung zufolge schätzen die jungen Männer die Vorliebe der Frauen jedoch falsch ein: Sie gehen mehrheitlich davon aus, dass Frauen eher draufgängerische Männer ins Herz schließen.

Dabei könnte mehr Sanftheit ihre Chancen bei Frauen erhöhen. „Pünktlich zum Valentinstag“, der in England vor einer Woche gefeiert wurde, hat auch der britische Biologe Anthony Little von der Universität Liverpool Ergebnisse veröffentlicht, die in diese Richtung weisen. Er machte Männergesichter am Computer einerseits mit ausgeprägtem Kinn und prominenten Wangenknochen markanter – alles Anzeichen dafür, dass im Entwicklungsprozess hohe Level des männlichen Geschlechtshormons Testosteron wirksam waren. Andere Gesichter zeichnete er bewusst weich, verkleinerte die Nase, milderte die Konturen. Ergebnis: Die meisten Frauen hatten die „feminineren“ Männergesichter lieber. Der schottische Psychologe David Perrett macht ähnliche Versuche schon seit Jahren an seinem „Wahrnehmungs-Labor“. Auch dort bevorzugen die Probandinnen regelmäßig die weicheren Gesichter. Zur Begründung fallen Begriffe wie „Zuverlässigkeit“ und „Vertrauenswürdigkeit“.

Eigenschaften also, die die Frau sich für den Vater der eigenen Kinder wünscht. In Zeiten, in denen 40 Prozent der Akademikerinnen kinderlos bleiben, gerät leicht in Vergessenheit, dass Partnerwahl in der Menschheitsgeschichte vor allem ein Ziel hatte: Fortpflanzung, möglichst erfolgreiche Weitergabe der eigenen Gene.

Mindestens einen Mann kennen junge Frauen, der sich auf diesem Feld schon einigermaßen bewährt hat: den eigenen Vater. Und dessen Duft scheinen Frauen bei der Partnerwahl unbewusst in der Nase zu haben. Sagt zumindest die Biologin Martha McClintock, die in der Vergangenheit schon für Schlagzeilen sorgte, weil sie als erste erkannte, dass Frauen, die zusammenleben, ihren Zyklus synchronisieren, und die sich als eine der ersten mit den Pheromonen, den Sex-Duftstoffen, befasste. Sie ließ für eine Studie, die vor zwei Jahren in „Nature Genetics“ veröffentlicht wurde, 49 unverheiratete junge Frauen an T-Shirts schnuppern, die verschiedene männliche Freiwillige zuvor zwei Nächte lang getragen hatten. Tatsächlich gefiel der Geruch, der den Textilien entströmte, den Frauen am besten, wenn deren Träger einige für das Immunsystem wichtige Gene mit ihrem Vater gemeinsam hatten. Doch was sind die viel beschworenen „guten Gene“? Erbmerkmale des Haupthistokompabilitätskomplexes (MHC), der bei der Unterscheidung von Freund und Feind in der Immunabwehr eine wichtige Rolle spielt, interessieren die Partnerwahl-Forscher unter den Biologen bei Tier und Mensch schon länger. Im neuesten Heft der Fachzeitschrift „Evolution and Human Behaviour“ hat eine britische Arbeitsgruppe um Craig Roberts von der Universität Newcastle nun herausgefunden, dass Frauen die Wangenhaut von Männern besser gefiel, die an drei MHC-Genorten auf Chromosom 6 zwei unterschiedliche Kopien trugen. Genetische Vielfalt, die in der Krankheitsabwehr helfen könnte, wird dieser Untersuchung zufolge also als Attraktivitätsmerkmal wahrgenommen.

„Frauen investieren mehr in die Fortpflanzung und tragen ein größeres Risiko. Sie müssen deshalb bei der Partnerwahl auf Merkmale achten, die die Chancen für gesunden Nachwuchs erhöhen, zugleich aber an dessen Versorgung denken“, erklärt der junge Evolutionspsychologe Lars Penke von der Berliner Humboldt-Universität. Die Versorgerqualitäten scheinen dabei im Moment eine größere Rolle zu spielen – zumindest in Europa und den USA. „Von Untersuchungen aus Jamaika weiß man, dass maskuline Männer dort als weitaus attraktiver gelten.“ Penke hält es für möglich, dass hier zu Lande auch die Pille das Bild verändert hat. Denn man weiß, dass Frauen in der fruchtbaren Zeit des Eisprungs in der Mitte des Menstruationszyklus eher eine Schwäche für den „starken“ Mann entwickeln. Der Eisprung aber fällt durch den hormonellen Eingriff aus. Ausgerechnet die weite Verbreitung der sicheren Empfängnisverhütung könnte folglich dazu geführt haben, dass Frauen heute eher Männer mit Vaterqualitäten sexy finden.

Doch Biologie ist nicht alles. So könnte es Draufgängern indirekt doch nützen, dass ihre Bereitschaft zu Mutproben den Geschlechtsgenossen imponiert und damit den Status eines Manns bei den anderen Männern erhöht. „Wenn einer einen höheren Status unter anderen Männern hat, mögen Frauen ihn möglicherweise deshalb, auch wenn die Risikobereitschaft selbst ihnen nicht gefällt“, mutmaßt Farthing. Wo es um Status geht, sind schließlich Geld und Macht nicht weit. Diese Faktoren sind bei der Partnerwahl nicht ganz unwichtig geworden. Man kann sie nicht am T-Shirt erschnuppern. Übrigens mochten die Frauen beim Geruchstest die frisch gewaschenen Hemden von allen doch am allerliebsten.

Adelheid Müller-Lissner

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