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Panorama: Zug zerfetzt deutschen Bus in Ungarn

Stau auf den Bahngleisen war die Ursache für das schwere Unglück mit mindestens 34 Toten am Plattensee

TOD AM BAHNÜBERGANG

Bei herrlichem Sonnenschein endet der Urlaubsausflug entlang des Plattensees im Inferno. In der ungarischen Ferienregion am Balaton starben am Donnerstagmorgen laut offiziellen Angaben mindestens 34 Menschen, als ein Zug auf einem unbeschrankten Bahnübergang in einen Bus raste. Mehr als zehn Bus-Insassen wurden verletzt – einige Passagiere lebensgefährlich.

Der Reisebus war mit Fahrgästen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein an Bord am Morgen von einer Pension im Badestädtchen Siofok am Balaton zu einem Frühstückslokal gestartet. Am letzten Tag eines Pauschalaufenthalts stand offenbar noch ein Kurzausflug auf dem Programm, bei dem wegen des schönen Wetters aber nicht alle Reiseteilnehmer mitfuhren.

Laut ungarischer Nachrichtenagentur MTI musste der Fahrer des Doppelstockbusses kurz nach halb neun wegen eines Verkehrsstaus auf den Gleisen des Bahnübergangs halten. Der Lokführer eines Fernzugs, unterwegs vom Budapester Südbahnhof ins westungarische Nagykanizsa, konnte nicht mehr bremsen. Beim Aufprall wurde der Bus in zwei Teile zerschmettert und ging in Flammen auf. Ein Wrackteil wurde von der Lokomotive mitgerissen, bis der Zug nach 150 Metern zum Stehen kam. Mit vier Hubschraubern, 30 Krankenwagen und 30 Feuerwehrzügen rückten in der dicht besiedelten Ferienregion rund 100 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Budapest kurz darauf Notärzte und Rettungsmannschaften an, um die verunglückten Touristen aus den Trümmern des bis zur Unkenntlichkeit zerfetzten Busses zu bergen. Für mehr als 30 Menschen kam laut Darstellung von Tibor Dobson, Sprecher des nationalen Katastophenschutzamtes, jede Hilfe zu spät. Auch der Busfahrer kam um. Die Verletzten wurden in Krankenhäuser der Umgebung eingeliefert. Im Hospital des Kreisstädtchens Siofok am Südostufer des Balaton kämpften am Donnerstag noch mehrere schwer Verletzte mit dem Tod. „Im Zug wurde offenbar niemand verletzt“, berichtete Sprecher Dobson.

In den ungarischen Medien wurde am Donnerstag spekuliert, ob der Busfahrer – von der Sonne geblendet – das Blinklicht übersehen hat, das an dem unbeschrankten Bahnübergang vor herannahenden Zügen warnt. Laut österreichischem Fernsehen ORF hat eine Überlebende die Aussage von Verantwortlichen der ungarischen Bahn MAV bestätigt, nach der das rote Licht funktionierte. Noch am Donnerstagvormittag fuhr der deutsche Botschafter Wilfried Gruber von Budapest an die Unfallstelle in der Nähe des Autobahn-Endes am Plattensee, um sich selbst ein Bild von der Katastrophe zu machen. Die Identifizierung der Opfer war sehr schwierig. „Wir wissen nur, wer die Reise gebucht hat, aber nicht, wer an Bord war“, sagte ein Polizeisprecher in Hannover am Donnerstagnachmittag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Reise war von einem Unternehmen aus Emstek, einer Ortschaft bei Cloppenburg, mit einer Busfirma aus Löhne in Westfalen organisiert worden. Die ungarische Regierung richtete unmittelbar nach Bekanntwerden des Unglücks einen Krisenstab ein, in dem sich Ministerpräsident Peter Medgyessy laufend über die Rettungsarbeiten informieren ließ. Die Ausgaben ausländischer Gäste sind für den ungarischen Staat ein wichtiger Faktor im Kampf gegen das Handelsbilanzdefizit.

Das Unglück wird die Diskussion über die Gefährlichkeit von Busreisen wieder anfachen, die gerade in den mitteleuropäischen Binnenländern wegen ihrer Preisgünstigkeit sehr beliebt sind. So waren erst vor wenigen Wochen weit mehr als 20 tschechische Winterurlauber getötet worden, als ihr Bus auf der Rückreise kurz hinter der österreichischen Grenze in Südböhmen eine Böschung hinabstürzte.

Ulrich Glauber[Wien]

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