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Panorama: Zum Fürchten gut

Er war Mafioso und Monster, Boxer und Boss – und hält uns seit 40 Jahren in Atem. Robert De Niro wird heute 60

Es gibt nur wenige Schauspieler, von denen man nie genug kriegen kann. Wenn er lacht und sein ganzes Gesicht dabei in Falten legt, wenn er mit einem irren Ausdruck in den Augen auf seine Gegner eindrischt, wenn er mit schräg gelegtem Kopf und erhobener rechter Hand wen auch immer belehrt – man hat das schon so oft gesehen. Aber dann, innerhalb von Sekunden, verwandelt sich dieser Eindruck des allzu Bekannten in Staunen darüber, dass er uns dennoch immer wieder in Atem hält: Robert De Niro, der seit dreißig Jahren das andere, das gute Hollywood repräsentiert, ist heute 60 Jahre alt.

Da er jede Statur, jede Figur, jede Frisur und so ziemlich alles andere, was sich mit einem Körper und einem Gesicht anstellen lässt, ausprobiert hat, wirkte er immer alterslos.

Brutal und sentimental

Schließlich war er 1987, also mit 44, als alternder Al Capone in „The Untouchables" längst dick und fett und kahl, während er sechs Jahre später, in seiner eigenen Regiearbeit „A Bronx Tale", wieder den jugendlichen Vater eines kleinen Jungen spielte. Robert De Niro hat an Fett- oder Muskelmasse ab- und wieder zugenommen, er hat Tattoos am Körper und grässliche Entstellungen im Gesicht getragen, je nach dem ob er Boxer oder Boss, Monster oder Mobster war. Und all diese Gesichter und Gestalten vermischen sich zu einer einzigen Präsenz: der eines temperamentvollen, mit Vorsicht zu genießenden, jovialen Mannes in mittleren Jahren, ein treuer Begleiter durch Jahrzehnte des bis heute als unabhängig geltenden amerikanischen Kinos.

Natürlich ist er es, der uns gezeigt hat, was es heißt, Italiener in New York oder überhaupt in den USA zu sein. Sämtliche Stadien der italienischen Einwanderungswellen in die Neue Welt lassen sich an seinen Filmen ablesen. Seine Familie war die Mafia, und durch ihn wissen wir, was sie so attraktiv macht, jedenfalls für Männer: Rituale der Herzlichkeit, obsessiver Umgang mit Prestigeobjekten, ein unnachahmlicher Schick und Ziti alla Bolognese. Wie oft haben wir ihn im Kreis der Paten über dampfenden Spagetti-Schüsseln mit Sugo sitzen sehen, dessen Knoblauch- und Kräuterduft von der Leinwand herunter wehte. Und wie oft hat er mit beredten Gesten die Unaufschiebbarkeit eines Vorhabens verdeutlicht, die Plausibilität seiner Argumentation unterstrichen.

Und erst die Sprache! Ein hastiger, atemloser, slangdurchsetzter Redefluss, der von Beginn an keinen Widerspruch duldet, ja nicht einmal für Einwürfe Platz lässt. Freundlichkeit kann nahtlos in Drohungen übergehen, und wenn er einmal schweigt, müssen seine Gesprächspartner sich wirklich fürchten. Rau und verschliffen sind Idiom und Stimme, und beide erinnern immer, auch wenn er ganz andere Rollen spielt, an seine Herkunft von der Straße. Er ist ein „street kid“, das es zu etwas gebracht hat, häufig im kriminellen Milieu. Sein deutscher Synchronsprecher Christian Brückner hat die meisten dieser Eigenarten gerettet.

Ja, Robert De Niro hat auch Ärzte, Geistliche, Musiker, Trucker, Polizisten, Feuerwehrmänner, Kranke, Militärs und einfache Väter gespielt, aber als Mafioso war er immer am überzeugendsten. Vielleicht weil seine Figuren trotz aller Brutalität einen Rest von Sentimentalität bewahrt haben, eine Weichheit, die plötzlich hervorbricht und sie für überraschende Momente liebenswert macht. Diese Ambivalenz und Hintergründigkeit lassen Robert De Niros Mafiosi so unglaublich attraktiv erscheinen. Ähnliches gilt auch für seine Rolle als Boxer in „Raging Bull“ – dem Film über den Aufstieg und den Fall eines „rasenden Stiers“.

Zwar war es „Taxi Driver", der De Niro 1975 sofort zum Kultstar werden ließ und Martin Scorsese, seinen Lieblingsregisseur bis heute, gleich mit. Aber eigentlich hat er schon 1963 das erste Mal vor der Kamera gestanden, bei Brian de Palmas Film „The Wedding Party". Also sind es schon vierzig Jahre, die Robert De Niro bei uns ist.

Wir könnten noch weitere 40 vertragen.

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