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© AFP

Zyklon-Desaster: ''Überall Leichen, die Straßen sind voll''

Die Katastrophe ist weit dramatischer als zunächst befürchtet: Nach dem schlimmsten Zyklon in der Geschichte Birmas sind 24 Millionen Menschen betroffen. Die Versorgung der Überlebenden gestaltet sich schwierig. Zudem gibt es Vorwürfe gegen die Militärregierung, die Hilfe teilweise zu behindern.

Wie der staatliche Rundfunk aus Birma berichtet, sind mindestens 22.000 Menschen durch den Zyklon ums Leben gekommen. 41.000 Menschen würden noch vermisst. Die internationale Hilfsorganisation ActionAid geht sogar von mindestens 27.000 Todesopfern aus und beruft sich auf "nichtoffizielle Quellen". Nach UN-Angaben aus Genf ist die Hälfte der Bevölkerung von der Katastrophe betroffen. Hunderttausende wurden obdachlos. Es mangelt vor allem an Zelten, Decken, Medikamenten, Trinkwasser und Nahrungsmitteln.

Helfer berichteten dem BBC-Programm für Birma nach einem ersten Hubschrauberflug über das Irrawaddy-Delta von unzähligen Leichen in den Straßen. Das Militärregime bat um internationale Hilfe. Allerdings saßen nach Angaben der UN im Nachbarland Thailand zahlreiche Helfer fest, weil sie kein Visum bekamen. Im Land wuchs die Kritik an der Regierung, die nicht vor dem Zyklon gewarnt und keine Vorkehrungen getroffen hatte. Sie will ungeachtet der Katastrophe an diesem Samstag ihr umstrittenes Verfassungsreferendum in den meisten Landesteilen abhalten.

"Überall Leichen, die Straßen sind voll", berichtete Tin Htar Swe, die Leiterin des BBC-Programms für Birma, im Fernsehen. Sie hat mit Helfern und Betroffenen gesprochen. "Sie irren wie gelähmt durch die Straßen und sehen nur Tote. In vielen Dörfern im Irrawaddy-Delta sind 95 Prozent der Häuser zerstört."

Es fehlt an allen Ecken und Enden

Zyklon "Nargis" war am Samstag mit einer drei Meter hohen Flutwelle herangewalzt. Weite Landesteile standen unter Wasser. In der Hafenmetropole Rangun wurden nach Schätzung eines deutschen Einwohners 70 bis 80 Prozent der Bäume entwurzelt. Zivilisten und Mönche seien mit bloßen Händen im Einsatz, um den gröbsten Schutt zu beseitigen. "Es fehlt überall an Werkzeug", sagte Carsten Schmidt, Manager des Reisebüros Uniteam. Die Wirtschaftsmetropole Rangun hatte weder Strom noch Wasser.

Mit einem für das abgeschottete Regime ungewöhnlichen Hilferuf wandte sich der Informationsminister an die Öffentlichkeit: "Wir brauchen Hilfe auch aus dem Ausland, wir freuen uns darüber", sagte Kyaw Hsan. Die eigenen Mittel sind nach Angaben von Birma-Kennern dürftig. Birma ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die Junta hat die einst blühende Landwirtschaft völlig heruntergewirtschaftet. Wenige ausländische Hilfsorganisationen sind zugelassen. Die Junta verdächtigt vor allem westliche Ausländer schnell der Spionage. In Rangun waren nach Angaben des Exilsenders "Democratic Voice of Burma" Feuerwehrwagen unterwegs, die Wasser verteilten - allerdings habe die Feuerwehr sich dies teuer bezahlen lassen.

Entscheidendes UN-Treffen

Um die Hilfen aus der ganzen Welt zu koordinieren, werden sich die Vereinten Nationen (UN) und ihre in Birma vertretenen Unterorganisationen am Mittwoch in Rangun mit Helfern anderer Nicht-Regierungsorganisationen treffen. Dabei sollen nach Angaben der Hilfsorganisation ADRA die Einsatzgebiete und Aufträge in dem verwüsteten Land systematisch verteilt werden. ADRA gehört der "Aktion Deutschland Hilft" an, in der zehn große Hilfsorganisationen vertreten sind. Verschiedene Organisationen sind bereits seit Jahren in dem südostasiatischen Land im Einsatz. Die entscheidende Sitzung soll am Vormittag (Ortszeit) stattfinden, viereinhalb Stunden vor der Mitteleuropäischen Sommerzeit.

Noch sei die Organisation der Nothilfe "ein logistischer Alptraum", da es überall an Booten und Lastwagen fehle, sagte ein Sprecher der britische Hilfsorganisation Save the Children. Das Benzin werde knapp. In Deutschland standen die ersten Helfer des Bündnisses von Hilfsorganisationen Aktion Deutschland Hilft in den Startlöchern. Thailand flog am Dienstag Medikamente und andere Hilfsmittel im Wert von knapp 200.000 Euro nach Birma. China liefert Güter im Wert von 640.000 Euro. Großbritannien stellt fünf Millionen Pfund (rund 6,3 Millionen Euro) für die Opfer bereit. Die Soforthilfe werde über Hilfsorganisationen und die Vereinten Nationen in das asiatische Land fließen, teilte die Regierung mit. Ein Nothilfe-Team werde zudem umgehend in das Land geschickt. In Indien liefen zwei Marineschiffe mit Zelten, Medikamenten, Nahrungsmitteln und Decken aus, zwei Flugzeuge mit Hilfsgütern folgten. Die EU, Deutschland, Frankreich, die USA und Indonesien boten Geld und Hilfe an.

Die UN hielten in Bangkok eine Krisensitzung ab. "Es ist ja ein Riesenproblem, überhaupt in die Region zu kommen", sagte der Sprecher des UN-Büros in Rangun, Aye Win. "Das UN- Entwicklungsprogramm hat vier Teams in das Delta-Gebiet geschickt, aber die meisten Boote dort sind zerstört, und die Kommunikation ist zusammengebrochen."

Das Ausmaß Katastrophe hätte begrenzt werden können

Nach Angaben des Münchner Mediziners Heinrich Schoeneich waren die Menschen unzureichend vorgewarnt. "Ich glaube schon, dass da Warnungen erfolgt sind, aber nicht in dem Ausmaß, wie es hätte sein können", sagte der Arzt, der gerade aus Rangun zurückkehrte. Mit Hilfe von Satelliten könne ein solcher Wirbelsturm bis zu 48 Stunden vorher entdeckt werden, sagte Brigitte Leoni, Sprecherin des UN-Büros für internationale Strategien zur Katastrophenbegrenzung (UNISDR), in Genf. "Das Problem ist aber, dass man die Information zwar hat, sie aber nicht an die Bevölkerung weitergibt."

Auch Dissidenten warfen der Militärjunta vor, die Bevölkerung nicht ausreichend gewarnt zu haben. "Sie waren zu sehr damit beschäftigt, ihr Referendum vorzubereiten", sagte ein Sprecher der Opposition, Soe Aung, im Exil in Bangkok. Er rief die Junta auf, den für Samstag geplanten Urnengang zu verschieben. Dabei sollte das Volk über eine neue Verfassung abstimmen, die die Macht des Militärs zementiert. Von einer Verschiebung wollte die Regierung am Dienstag noch nichts wissen. Das Referendum finde in den meisten Landesteilen statt, beschied sie. In 47 besonders betroffenen Bezirken werde in zwei Wochen nachgewählt. (sgo/dpa)

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