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Gasblasen steigen in der Nähe von Bornholm aufgrund des Nord-Stream-Lecks auf.

© Foto: REUTERS/ DANISH DEFENCE COMMAND

Update

Beschädigte Nord-Stream-Leitungen: Messwerte zeigen große Methanwolke über Skandinavien

Berechnungen zufolge könnten die Gaslecks bei den Ostsee-Pipelines so viel Methan ausstoßen wie zweieinhalb Kohlekraftwerke in einem Jahr.

Eine Auswertung der Forschungsgruppe ICOS (Integrated Carbon Observation System) zeigt am Freitag bereits einen starken Anstieg der Methanwerte in der Atmosphäre. An verschiedenen Messstationen in Schweden, Norwegen und Finnland habe man nach den Beschädigungen der Pipelines erhöhte Methanwerte in deren Umkreis beobachten können.

Die Lecks an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 könnten durch das austretende Methan starke Umweltschäden verursachen. Jüngsten Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) zufolge könnten die Schäden zu 300.000 Tonnen austretendem Methan führen, was laut UBA etwa 7,5 Millionen Tonnen an sogenannten CO2-Äquivalenten entspreche.

CO2-Äquivalente gelten als Vergleichswert für die Umweltauswirkungen von Treibhausgasen. Die Zahl gibt dabei an, wie stark das jeweilige Gas im Vergleich zu Kohlenstoffdioxid in den nächsten zwanzig Jahren zur Erderwärmung beiträgt. Die gewählten Umrechnungsfaktoren sind in der Praxis variabel.

Häufig wird für Methan der Wert 84 auf Empfehlung des Weltklimarates verwendet. Das UBA und das Bundesumweltministerium rechnen mit dem Faktor 25.

Der berechnete Wert entspricht laut UBA etwa einem Prozent der deutschen Jahres-Gesamtemissionen. Die Berechnung stütze sich auf geschätzte Informationen zu Füllzustand und Volumen der beiden Ostsee-Pipelines.

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An den russischen Nord-Stream-Pipelines waren Anfang der Woche zunächst drei Lecks entdeckt worden. Die genaue Ursache ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt.

Wie viel Gas sich genau in den beschädigten Leitungen befindet und wie viel davon austreten wird, bleibt bisher unklar. Auch aufgrund des Standortes im Wasser ist das Ausmaß über Satellitendaten schwer abzuschätzen, da hier die Reflexion des Wassers oder auch Bewölkung zu Ungenauigkeiten führt.

Eine Simulation der ICOS-Gruppe geht allerdings davon aus, dass die aktuelle Windrichtung für eine weitere Ausdehnung der Methanwolke führen dürfte. Aktuell arbeiten mehrere Forschungsgruppen mit Hochdruck an einer genauen Berechnung der möglichen Umweltschäden-

Die Simulation der ICOS-Forschungsgruppe.

© Foto: Screenshot Integrated Carbon Observation System

Die fehlenden Messwerte an den Pipelines wie die tatsächlich enthaltene Menge an Gas und der aktuelle Druck im Speicher, aber auch die Tatsache, dass noch immer Gas austreten könnte, erschweren die Berechnung der Umweltauswirkungen.

So viel Methan wie zweieinhalb Kohlekraftwerke in einem Jahr

Die Nachrichtengruppe „Bloomberg“ zitiert die Schätzung eines Wissenschaftlers auf 115.000 Tonnen austretendes Methan, was sogar 9,6 Millionen Tonnen CO2 entspräche. Zum Vergleich: Ein Kohlekraftwerk verbraucht über ein gesamtes Jahr nicht einmal halb so viel.

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Andere Berechnungen sehen den potenziellen Methanwert sogar noch höher. Als relativ sicher gilt allerdings, dass die Gaslecks bei Nord Stream 1 und 2 das größte Methan-Leck seit jeher darstellen. Besonders gravierend ist dabei die Masse an Methan, die über einen besonders kurzen Zeitraum freigesetzt wird.

Angesichts Berechnungen des Weltklimarates IPCC bezeichnen Klimaexperten den Totalschaden der Pipelines als desaströs und deren Folgen als unberechenbar.

Alltagsschäden liegen weit höher

Im Vergleich zu den Mengen an Methan, die Tag für Tag aufgrund von Abläufen wie Fracking oder durch Kohlekraftwerke produziert werden, bilden die Auswirkungen der Gaslecks aber nur eine „kleine Blase“, so Dave Ray, Direktor am Climate Change Institute im schottischen Edinburgh gegenüber „Bloomberg“.

Für die Meereswelt in der Ostsee dürften die Lecks weitgehend ungefährlich bleiben. Da Methan als nicht giftig eingestuft wird, sollten Flora und Fauna vor Ort keine Veränderungen aufweisen.

Die Lecks sind ein Superemitter-Event von unvorstellbarem Ausmaß.

Sascha Müller-Kraenner, Deutsche Umwelthilfe

Die Deutsche Umwelthilfe forderte die Betreiber der Pipelines und die deutschen Aufsichtsbehörden indessen auf, das verbleibende Gas aus allen Strängen der Ostsee-Pipelines unverzüglich abzupumpen. „Die Lecks sind ein Superemitter-Event von unvorstellbarem Ausmaß“, sagte Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner in einer Mitteilung. „Das verbleibende Gas muss sofort aus allen Pipeline-Strängen abgepumpt werden.“

Insgesamt drei Lecks waren nach ersten Druckabfällen Anfang der Woche sowohl in einer der Röhren der Nord-Stream-2-Pipeline wie auch an beiden Röhren von Nord Stream 1 entdeckt worden.

Die Lecks befinden sich in der Nähe der dänischen Insel Bornholm. In der Region wurden Anfang der Woche Explosionen registriert. Die EU und die Nato gehen von Sabotage aus.

Die Hauptverhandlerin der Grünen in der Europäischen Union, Jutta Paulus, schließt Zufall bei den Vorfällen strikt aus. Der russische Präsident Wladimir Putin wolle ihrer Ansicht nach damit sagen: „Seid sicher, dass ihr wisst was ihr tut, wenn ihr weitere Sanktionen gegen uns verhängt.“

Aus diesem Grund müssten nun alle Möglichkeiten genutzt werden, um die Energieeffizienz zu erhöhen und die erneuerbaren Energien auszubauen, erklärte sie gegenüber „Bloomberg“. (mit dpa)

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels stand, dass ein Wissenschaftler, den Bloomberg zitiert, die Menge auf 115 Tonnen austretendes Methan schätzt. Richtig ist, es sind 115.000 Tonnen. Wir haben dies korrigiert und bitten den Fehler zu entschuldigen.

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