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Japan bricht ein. Während die Börse in Tokio am Montag massive Kursverluste hinnehmen musste, stiegen an anderen asiatischen Finanzplätzen die Aktien. Foto: dpa

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Wirtschaft: 200 Milliarden Euro weniger

Die Aktienkurse in Tokio stürzen ab. In Deutschland verlieren die großen Akw-Betreiber

Berlin - Es kam wie befürchtet: Der japanische Aktienmarkt ist am Montag massiv eingebrochen und hat andere Finanzplätze nach unten gerissen. Der Kursrutsch vernichtete in Tokio einen Börsenwert von rund 200 Milliarden Euro. Dies entspricht gut einem Viertel des Börsenwertes aller 30 Dax-Unternehmen oder dem Bruttoinlandsprodukt Dänemarks. Zu einer Gegenbewegung kam es hingegen an den Börsen in China, Hongkong und Südkorea – sie legten zu.

Am deutschen Aktienmarkt waren die Schockwellen hingegen deutlicher zu spüren. Der Dax fiel bis zum Handelsschluss um 1,7 Prozent auf 6866 Punkte. Insbesondere die Versicherungs- und Versorgeraktien standen unter Druck. Die vorübergehende Aussetzung der Laufzeitverlängerung für die deutschen Kernkraftwerke setzte den Akw-Betreibern Eon und RWE zu. Sie gaben auch europaweit überdurchschnittlich nach – ebenso wie die Versicherungstitel Munich Re, Hannover Rück oder Swiss Re.

Der Tokioter Aktienleitindex Nikkei brach um 6,2 Prozent ein und schloss auf einem Vier-Monats-Tief von 9620,49 Punkten. Dies ist der größte Tagesverlust seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008. Der Aktienumsatz erreichte mit 4,88 Milliarden Papieren den höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg. Obwohl die japanische Notenbank den Markt mit umgerechnet mehr als 130 Milliarden Euro stützte, ist die Sorge der Investoren groß, dass die japanische Wirtschaft in eine Rezession zurückfällt – mit negativen Folgen für die Weltwirtschaft. Die Großbank Credit Suisse bezifferte die Katastrophenschäden am Montag auf umgerechnet bis zu 130 Milliarden Euro.

Analysten der Investmentbank Merrill Lynch erklärten die eher besonnene Reaktion der Anleger an anderen asiatischen Börsen mit der weltwirtschaftlich geringeren Bedeutung Japans. Das Land spiele nicht mehr die zentrale Rolle wie noch 1995, dem Jahr des Erdbebens in Kobe. Die US-Börse eröffnete schwächer: der Dow-Jones-Index fiel bis zum Handelsschluss in Deutschland um 0,8 Prozent. Andere europäische Aktienindizes – der Londoner FTSE 100, der Cac 40 in Paris und der Schweizer Swiss-Market-Index (SMI) – fielen teils nur moderat zurück. David Buik, Marktstratege bei BGC Partners, erklärte, er könne sich eine schnelle Erholung der japanischen Wirtschaft vorstellen. Voraussetzung dafür sei, dass es keine weiteren Erdbeben oder Tsunamis gebe und die Reaktoren des Atomkraftwerks in Fukushima wieder ans Netz gehen könnten. „Die Japaner werden ihr Land schnell wieder aufbauen, auch um den Preis noch höherer Schulden“, sagte Robert Halver von der Baader Bank.

VERSICHERER

Nach Einschätzung der Ratingagentur Moody’s wird das Erdbeben in Japan vor allem Rückversicherer schwer treffen. An der Börse verloren die Aktien des weltgrößten Rückversicherers Munich Re (früher Münchener Rück) am Montag über 3,4 Prozent, die Titel der Hannover Rück gaben um zwei Prozent nach. Das Beben von Japan dürfte nach dem Hurrikan Katrina die für die Versicherungsbranche teuerste Naturkatastrophe sein. Nach Prognosen des Versicherungsdienstleisters AIR Worldwide wird den Versicherern allein das Erdbeben Schäden von bis zu 35 Milliarden Dollar bescheren, Verwüstungen durch den Tsunami sind in dieser Schätzung noch nicht enthalten. Katrina hatte die Branche 60 Milliarden Dollar gekostet. Welche Forderungen auf die einzelnen Versicherer zukommen werden, ist aber noch unklar. Die Munich Re hat in Japan einen Marktanteil von zehn bis 15 Prozent. „Das heißt aber nicht, dass wir zehn Prozent der Schäden tragen“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Bei Erdbebenschäden werde nur ein kleiner Teil des Risikos ins Ausland transferiert. Auch die Unfälle in den Atomkraftwerken würden die Versicherer „nicht signifikant“ belasten, heißt es bei der Munich Re. „Bei der Versicherung der Atomkraftwerke sind in Japan Schäden durch Erdbeben und Tsunamis ausgeschlossen“, sagte Dirk Harbrücker, Geschäftsführer der Deutschen Kernreaktor Versicherungsgemeinschaft (DKVG) dem Tagesspiegel.

ENERGIEVERSORGER

Zu einer Umschichtung kam es bei den Aktien der deutschen Energieversorger. Während Papiere von Eon (minus 5,3 Prozent) und RWE (minus 4,8 Prozent) verloren, sprangen die Kurse der Solar- und Windbranche nach oben. So wurde der gesamte Technologieindex Tec-Dax von Aktien aus der Erneuerbaren Energiebranche angetrieben, er stieg um 0,2 Prozent. Spitzenreiter im Index waren die – in den vergangenen Monaten massiv gefallenen – Titel von Conergy mit einem Aufschlag von zuletzt knapp 22 Prozent. Es folgten Nordex (plus 17,81 Prozent), Q-Cells (plus 14,6 Prozent)und Solarworld (plus 13 Prozent). Experten der Großbank Unicredit sehen in der Nuklearkatastrophe in Japan Chancen für die Solarindustrie. Auch Siemens könnte davon profitieren, die Aktie verlor am Montag allerdings 1,6 Prozent. Aktien des japanischen Atomkraftwerksbetreibers Tepco verloren unter dem Eindruck der drohenden Katastrophe in seinen Kraftwerken fast 24 Prozent.

AUTOINDUSTRIE

Die Aktien der beiden japanischen Autobauer Toyota und Honda, die die Produktion in ihren japanischen Werken stoppen mussten, gaben um knapp acht beziehungsweise mehr als sechs Prozent nach. Die Pkw-Nachfrage in Japan dürfte nach Einschätzung von Experten in diesem Jahr einbrechen. 2010 wurden auf dem nach China und den USA drittgrößten Pkw-Markt der Welt 4,2 Millionen Autos neu auf die Straße gebracht. Ein Einbruch der Nachfrage könnte auch deutsche Autohersteller treffen, die wie Daimler stark in Japan engagiert sind.

CHIPHERSTELLER

In der Chipbranche kommt es zu größeren Verschiebungen. Nachdem Werke der japanischen Halbleiterhersteller abgeschaltet wurden, werden sich die Abnehmer japanischer Chips vorerst verstärkt in Korea, Taiwan, Europa und den USA umsehen müssen. So profitierten die Titel des weltweit zweitgrößten Herstellers, der koreanischen Samsung, mit einem Kursplus von mehr als vier Prozent auf den Ausfall der Werke von Toshiba und Freescale in Japan. Toshiba ist weltweit der drittgrößte Chipanbieter. mit dpa, rtr

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