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Wirtschaft: 4,2 Millionen Menschen suchen eine Stelle

Streit in der Bundesregierung über die Wachstumsprognose – Starker Euro bremst

Berlin (brö/HB). Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hält ein Absinken der Arbeitslosenzahlen unter die Marke von vier Millionen noch in diesem Jahr für möglich. Trotz der schlechten Wachstumsaussichten werde sich der Arbeitsmarkt im Jahresverlauf erholen, sagte der Minister am Donnerstag in Berlin. Diesem Ziel müsse sich allerdings alles andere unterordnen. Experten befürchten jedoch, dass der Anstieg des Euro zu einem weiteren Jobabbau führen könnte.

Ende 2002 erreichte die Arbeitslosigkeit mit 4,225 Millionen Menschen den höchsten DezemberStand seit fünf Jahren, teilte die Bundesanstalt für Arbeit (BA) am Donnerstag in Nürnberg mit. Das waren gut 200 000 mehr als noch im November. Die Arbeitslosenquote stieg auf 10,1 Prozent. Auch bereinigt um jahreszeitliche Einflüsse registrierten die Statistiker einen Anstieg um 28 000 Personen. BA-Chef Florian Gerster (SPD) sagte, dies gehe über „das Saisonübliche hinaus“. Er führte dies auf die schwache Konjunktur und die geringe Binnennachfrage zurück. Die Lage werde auch in den kommenden Monaten angespannt bleiben. „Die erste Jahreshälfte wird unerfreuliche Zahlen bringen“, prognostizierte Gerster. Wie hoch die Arbeitslosigkeit ausfallen werde, hänge vom Wetter und von der internationalen Lage ab.

Im Durchschnitt des Jahres 2002 waren 4,06 Millionen Menschen ohne Stelle. Das ist der erste Anstieg seit 1997 und liegt deutlich über dem Ziel von 3,5 Millionen, das Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bei seinem Amtsantritt als Maßstab genannt hatte.

Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement hält es trotz der Konjunkturflaute für möglich, dass die Arbeitslosigkeit im Laufe des Jahres unter die Marke von vier Millionen sinkt. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass das weltweite Wirtschaftswachstum nicht einbreche. Derzeit bremse die unsichere geopolitische Lage die Konsumfreude der Bürger und das Engagement von Investoren in Deutschland. Damit die Arbeitslosigkeit sinke, müssen „aus Wachstum schneller Jobs werden“, forderte Clement. Dazu werde die Umsetzung des Hartz-Reformkonzeptes beitragen. „Personal-Service-Agenturen, Ich-AG´s und Minijobs werden in Kürze ihre Wirkung entfalten“, kündigte Clement an. Der Schaffung zusätzlicher Stellen müssten sich „alle anderen Aufgaben unterordnen“.

Derweil gibt es in der Bundesregierung Streit darüber, ob die Wachstumsprognose eines um 1,5 Prozent stärkeren Bruttoinlandsproduktes (BIP) noch haltbar ist. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) plädiert nach Informationen des Handelsblattes für eine „ehrliche Zahl“ von 1,0 Prozent im Jahreswirtschaftsbericht, der Ende Januar erscheint. Ein Plus in ähnlichem Ausmaß halten auch die meisten Ökonomen für wahrscheinlich. Wirtschaftsminister Clement dagegen warnte vor einem „Wettlauf nach unten“. Die Neuverschuldungsgrenze der Europäischen Union von drei Prozent des BIP werde Deutschland in diesem Jahr aber auf jeden Fall einhalten, versicherte Clement.

Schlechte Ausgangslage für Berlin

Einer Erholung des Arbeitsmarktes könnte jedoch die Aufwertung des Euro entgegenstehen, befürchtet der Chefvolkswirt der Allianz, Michael Heise. Dem Tagesspiegel sagte er, die Stärke des Euro gegenüber dem Dollar führe zu Kostensteigerungen für deutsche Unternehmen. Sie würden versuchen, dies mit Stellenkürzungen auszugleichen, „das erhöht den Druck auf den Arbeitsmarkt“, warnte Heise. Allerdings verbillige der starke Euro zugleich die Importe, dies wirke ausgleichend. Am Donnerstag erreichte der Eurokurs mit 1,0535 Dollar ein Drei-Jahres-Hoch.

Auch in Berlin und Brandenburg meldeten die Arbeitsämter hohe Zahlen von Erwerbslosen. In beiden Bundesländern wurde der höchste Dezember-Stand seit der Wiedervereinigung gemessen. In Berlin wurden 296 500 Erwerbslose gezählt, das waren 17,5 Prozent. In Brandenburg suchten Ende des Jahres 242 486 Menschen oder 17,8 Prozent einen Job. Der Präsident des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg, Klaus Clausnitzer, sprach von einer „ganz schlechten Ausgangslage für das begonnene Jahr“.

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