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Wirtschaft: Abriss wünschenswert

Für das ehemalige Konsistorium der Evangelischen Kirche in Tiergarten ist eine neue Nutzung in Sicht

„Privatgrundstück! Unbefugten ist das Betreten verboten“, mahnen die Schilder vor dem düsteren Bauwerk an der Bachstraße 1–2 in Tiergarten. Der hohe Zaun hat nicht verhindern können, dass großflächige Graffiti die Aluminiumfassade verunzieren. Die Fenster im Erdgeschoss sind teilweise durch Holzplatten ersetzt, und der ganze düstere, abweisende Eindruck legt die Vermutung nahe, dass abgesehen von Wachschützern schon lange niemand mehr dieses Haus betreten hat.

Tatsächlich steht das ehemalige Konsistorium der Evangelischen Kirche seit mehr als zehn Jahren leer. 2000 zog das Konsistorium (das ist die oberste Verwaltungsbehörde der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg- schlesische Oberlausitz) an seinen heutigen Standort an der Georgenkirchstraße in Friedrichshain – und seither fragen sich Passanten, warum sich am markanten Gebäude in unmittelbarer Nähe des U-Bahnhofs Hansaplatz so gar nichts tut.

„Es war in den vergangenen Jahren schwierig, ein so großes Projekt zu veräußern“, begründet Volker Jastrzembski, Pressesprecher der Evangelischen Kirche, die lange Stagnation. 2007 schloss die Kirche laut Jastrzembski zwar einen Optionsvertrag mit einem Immobilienunternehmen ab; dieses kaufte dann aber doch nicht. 2009 jedoch kam es endlich – von der Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen – zu einem Eigentümerwechsel: Die Kirche veräußerte das Objekt an die Hilfswerk-Siedlung, ein Wohnungsunternehmen mit Sitz in Berlin. Damit bleibt die Immobilie gewissermaßen in der Familie – die Hilfswerk-Siedlung ist nämlich eine Tochtergesellschaft der Evangelischen Kirche und des Diakonischen Werks.

Auch beim neuen Eigentümer lässt man sich allerdings Zeit mit der Entwicklung. „Die Diskussion hinsichtlich der künftigen Nutzung ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Simone Fendler, Assistentin der Geschäftsleitung der Hilfswerk-Siedlung. Auch seien noch Abstimmungen mit den Behörden des Bezirks Mitte erforderlich. Ein Zeitplan lasse sich deshalb noch nicht nennen. Angedacht sei jedoch eine gemischte Nutzung mit Wohnungen und Gewerbe.

Und das bedeutet im Klartext wohl: Das bestehende Gebäude wird abgerissen. „Ein Abriss ist wünschenswert“, sagt jedenfalls Ephraim Gothe, Baustadtrat des Bezirks Mitte. Unter Denkmalschutz steht die Immobilie nicht. Gothe wünscht sich einen Wohnanteil von mindestens 50 Prozent und lobt, die Hilfswerk-Siedlung habe „schon gute Konzepte entwickelt“.

Sollte das ehemalige Konsistorium tatsächlich abgebrochen werden, so würde eines der bedeutendsten Werke von Hans Christian Müller verschwinden. Der vor wenigen Monaten verstorbene Architekt, der von 1967 bis 1982 als Senatsbaudirektor in West-Berlin wirkte, errichtete das Konsistorium gemeinsam mit Georg Heinrichs von 1968 bis 1971, wobei er die Form eines Stahlskelettbaus mit vieleckigem Grundriss wählte. Zuvor hatte Müller bereits ganz in der Nähe, in der Klopstockstraße im Hansaviertel, ein Wohnhaus gebaut.

Mit Wohnbau kennt sich auch die Hilfswerk-Siedlung aus. Sie bewirtschaftet nach eigenen Angaben rund 8000 Wohneinheiten. An der viel befahrenen Bachstraße allerdings dürften Wohnungen nicht gerade einfach zu vermarkten sein. Umso attraktiver ist die Rückseite des weitläufigen Grundstücks des ehemaligen Konsistoriums: Sie grenzt nämlich direkt an die Spree – und das Wohnen am Wasser wird auch in Berlin immer beliebter. Christian Hunziker

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