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Abwracken Ade: Bis zum letzten Schrott

Viele hielten sie für einen faulen Kompromiss, noch mehr aber freuten sich über ihre Umsetzung: Die Abwrackprämie sorgte in den vergangenen acht Monaten für Furore in Deutschland. Nun ist der staatliche Fördertopf leer. Was hat die Aktion gebracht, und wie geht es nun weiter?

Die ganze Nacht beobachtete ein Mitarbeiter des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) seinen Bildschirm. Vorsorglich. Denn die Zahl der noch freien Anträge auf die staatliche Abwrackprämie sank zuletzt kontinuierlich und drohte noch in der Nacht zum Mittwoch bei Null anzukommen. Dann hätte der Mitarbeiter schnell reagieren und das Reservierungsportal im Internet sperren müssen. Doch erst gegen 9.30 Uhr am Mittwochmorgen wurde es wirklich knapp, noch 1803 Anträge waren zu diesem Zeitpunkt den Angaben zufolge verfügbar. Um 10.14 Uhr war es so weit: Die Bafa verkündete, der letzte Antrag, der noch bewilligt werden könne, sei gestellt worden. Auf der Homepage erschien kurz darauf der Hinweis: „Es stehen leider keine Mittel für die Umweltprämie mehr zur Verfügung. Das Online-Portal für die Reservierung ist daher geschlossen. Für weitere 15 000 Antragsteller wird ab morgen, 3. September, 9.00 Uhr, an gleicher Stelle eine Warteliste für eventuell freigewordene Prämien eingerichtet.“

Wann wird die letzte Prämie ausgezahlt?

Die Fördersumme von insgesamt fünf Milliarden Euro ist ausgeschöpft. Und so wird die letzte Abwrackprämie mit dem letzten Antrag der Warteliste ausgezahlt. Wer einen Platz auf der Warteliste, die ab Donnerstagmorgen freigeschaltet ist, ergattern kann, darf darauf hoffen, von den Fehlern früherer Antragsteller zu profitieren: In einer allerletzten Runde können noch einmal Prämien à 2500 Euro vergeben werden, die aus abgelehnten oder zurückgezogenen Anträgen stammen. Autokäufer, die bereits einen Antrag gestellt haben, werden sich nach Vergabe dieser letzten 15 000 Prämien auf kürzere Wartezeiten einstellen können, erklärte Bafa-Sprecherin Christiane Fuckerer, da die Behörde dann sämtliche Mitarbeiter für die Bearbeitung der Anträge einsetzen wird. „Zwischen vier und sechs Wochen Bearbeitungszeit sind dann realistisch“, sagte Fuckerer.

Wem hat die Aktion genutzt?

Die Abwrackprämie hat verhindert, dass der Automarkt in Deutschland in der Wirtschaftskrise eingebrochen ist. „Ohne Abwrackprämie hätten Händler, Hersteller und Zulieferer massive Probleme gehabt“, sagte Stefan Reindl vom Institut für Automobilwirtschaft. Der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) teilte am Mittwoch mit, im Jahr 2009 lägen in Deutschland bisher 2,675 Millionen Neuzulassungen vor, 26,8 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Besonders Privatleute entschieden sich wegen der Prämie für ein neues Auto. 1,7 Millionen Käufer bedeuteten eine Verdopplung im Jahresvergleich, erklärte der VDIK. „Profitiert haben die Hersteller von Kleinwagen, allen voran Volkswagen, mit weitem Abstand vor Opel und Ford“, sagte Reindl.

Was ist mit ausländischen Herstellern?

Auch ausländischen Autobauern kamen die deutschen Steuergelder zugute. Der Marktanteil der Importeure stieg dem VDIK zufolge auf den historischen Höchststand von rund 42 Prozent. „Der niedrigste Marktanteil der deutschen Autobauer in Deutschland wurde mit viel Steuergeld erkauft – eines der Paradoxa der Abwrackprämie“, sagte dazu Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte der Universität Duisburg-Essen.

Wem hat die Prämie nichts gebracht?

Nicht alle Autohersteller profitierten von der Prämie. „Verlierer sind die Premiumhersteller wie Mercedes und BMW“, sagte Reindl. Die Prämienjäger bevorzugten überwiegend günstige Modelle und keine Luxuskarossen. Und auch dem gewerblichen Bereich half die Aktion nicht: Der Verkauf von Dienst- und Firmenwagen ist laut Reindl um rund ein Viertel zurückgegangen. Zudem brach der Gebrauchtwagenmarkt völlig ein. Es gebe sowohl eine schwache Nachfrage nach gebrauchten Autos als auch ein geringeres Angebot, da viele Altwagen verschrottet worden seien, sagte der Experte.

Wie sieht die Bilanz für den Staat aus?

Die große Koalition aus Union und SPD ist sich einig: Die Umweltprämie war ein voller Erfolg. Der gewünschte Effekt, den massiven Konjunktureinbruch im Automobilsektor abzufedern, sei eingetreten. Automobilhersteller seien vor dem Schlimmsten bewahrt worden und die positive konjunkturelle Wirkung werde auch noch bis ins Jahr 2010 spürbar sein, hieß es beim Bundeswirtschaftsministerium.
Hat die Prämie der Umwelt genutzt?

Offiziell heißt sie Umweltprämie, doch Abwrackprämie trifft es besser. Einen positiven Effekt der Aktion für die Umwelt gibt es so gut wie nicht. Zwar sind Neuwagen in der Regel sauberer als alte Modelle, auch weil die Prämie ja an den Kauf eines Autos mit mindestens Abgasnorm Euro 4 gekoppelt war. Aber es gab weder eine Beschränkung des CO2-Ausstoßes des neuen Fahrzeugs noch für dessen Spritverbrauch. Manche Experten schätzen sogar, dass die Bilanz negativ ausfällt, da die Umweltbelastungen durch die Verschrottung der Abwrackautos und die Produktion der Neuwagen die positiven Effekte überlagern.

Wie geht es weiter?

„Der Neuwagenmarkt wird einbrechen, da viele ihren Autokauf vorgezogen haben“, ist sich Reindl sicher. Bis Ende 2009 seien Händler und Hersteller noch mit dem Abarbeiten der Aufträge beschäftigt, dann komme der Einbruch. Hoffnung bestehe dagegen im gewerblichen Bereich. Wenn die allgemeine Wirtschaftslage sich verbessere, könnten wieder mehr Firmenwagen gekauft werden. Für den Gebrauchtwagenmarkt immerhin prognostiziert Dudenhöffer eine vorsichtige Erholung. Fahrzeuge, die zwischen drei und neun Jahre alt sind und somit nicht abgewrackt wurden, könnten wieder gefragt sein, vermutet auch Reindl. Dennoch: Eine Roland-Berger-Studie sieht 90 000 Arbeitsplätze in der Branche gefährdet. Die massiven Rabatte machten den Autoverkauf für viele Händler zum Verlustgeschäft. Darauf bauen, dass die Politik die Prämie noch einmal verlängert, kann die Branche nicht. CDU und SPD sind sich einig: Es wird keine Verlängerung geben.

Wie werden sich die Kfz-Preise entwickeln?

Die Preise bleiben niedrig. „Das Preisgefüge im deutschen Automobilmarkt ist als Folge der Abwrackprämie nachhaltig zerstört“, schreibt Dudenhöffer in einer aktuellen Studie. Es werde sehr schwer werden, dem deutschen Autokäufer zu sagen, dass ein neuer Golf nur mit 20 oder 30 Prozent Rabatt gekauft werden könne. „Die Listenpreise sind das Papier nicht mehr wert, auf denen sie gedruckt werden.“ Für die nächste Zeit erwartet er eine „neue Rabattschlacht im deutschen Automarkt – diesmal eben ohne Staatszuschuss“.

Jan Drebes, Daniel Gratzla

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