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Wirtschaft: „Achtzig Prozent der Babcock-Arbeitsplätze sind sicher“

Vorstandschef Horst Piepenburg über den radikalen Konzernumbau und die Ursachen des Zusammenbruchs

Herr Piepenburg, Sie sind Anwalt, bauen jetzt Kraftwerke und sind der Chef von 21 000 Menschen. Wie geht das?

In meiner 20jährigen Laufbahn als Insolvenzverwalter habe ich in viele Branchen hineingeschnuppert. Da sammelt man seine Erfahrungen. Ohne Zweifel ist Babcock-Borsig etwas Besonderes. Der Vorstandsposten ist mir Anfang Juli im Übrigen auch für den Fall angeboten worden, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgenommen worden wäre.

Jetzt ist das Unternehmen aber pleite. Sie könnten Ihre Aufgabe ganz routiniert angehen.

Ich hätte den Job auch ohne den Schutz des Insolvenzverfahrens gemacht. Der Druck ist trotzdem sehr hoch. Wenn ich jetzt einen Fehler mache, dann können viele Leute ihren Job verlieren. Und jeder Schritt wird von der Öffentlichkeit bis ins Detail wahrgenommen.

Woran messen Sie ihren Erfolg ?

Natürlich will ich eine vernünftige Quote für die Gläubiger erzielen. Aber meine Leistung sollte daran gemessen werden, wie viele Arbeitsplätze ich sichern konnte.

Vorstände von Aktiengesellschaften werden für ihren Erfolg üblicherweise mit Aktienoptionen belohnt.

Ich habe einen Vertrag abgeschlossen, der die Vergütung an der Rückzahlungsquote für die Gläubiger bemisst.

Die Zahl der erhaltenen Arbeitsplätze spielt keine Rolle?

Das habe ich mir selbst zur Aufgabe gemacht. Wenn ich in Betriebe zurückkomme, die ich saniert habe, werde ich an den erhaltenen Arbeitsplätzen gemessen.

Wie viele wollen Sie bei Babcock retten?

Für 3200 habe ich noch keine Lösung, etwa 1000 Beschäftigte haben ihren Arbeitsplatz definitiv verloren. Achtzig Prozent der Stellen sind dagegen gesichert. Es sind ja auch nur 68 der 260 Konzern-Beteiligungen insolvent, das macht allein 12 500 Stellen aus. Hinzu kommen bereits verkaufte Töchter sowie 2600 Stellen in der Auffanggesellschaft. Bilanz kann ich erst im Frühjahr ziehen.

Man hat den Eindruck, nach der Pleite ist vor der Pleite bei Babcock?

Das ist falsch. Babcock wird völlig neu aufgestellt. Wir konzentrieren uns auf das Service-Geschäft und auf Europa. Babcock wird keine kompletten Kraftwerke mehr bauen. Und die neue Auffanggesellschaft werden wir so weit entwickeln, dass sie in zwei bis drei Jahren mit Gewinn an einen Investor verkauft werden kann.

Sie wollen in kürzester Zeit bewerkstelligen, woran ihre Vorgänger in jahrelanger Arbeit gescheitert sind?

Der Konzern wird seit über einem Jahrzehnt umgebaut. Mit den Instrumenten des Insolvenzrechts kann man den Umbruch kräftig beschleunigen. Was wir in drei Monaten geschafft haben schafft ein lebendes Unternehmen möglicherweise in drei Jahren nicht.

Woran ist Babcock gescheitert? Der frühere Vorstandschef Lederer behauptet, die Banken hätten das Unternehmen fallen lassen.

Ein Finanzierungsbedarf von 700 Millionen Euro taucht nicht von heute auf morgen auf. Herr Lederer hat versucht, diesen Bedarf durch Verkäufe von Beteiligungen zu decken. Das ist absolut vernünftig. Dabei hat er aber völlig falsch eingeschätzt, welche Wirkung es hat, wenn er gemeinsam mit der Schiffswerft HDW das Unternehmen verlässt. Das hat bei den Banken ein tiefes Misstrauen ausgelöst, weil das Signal lautete: Der Kapitän verlässt das sinkende Schiff. Da war die Krise nicht mehr kontrollierbar.

Ist die Insolvenz verschleppt worden?

Das kann ich jetzt noch nicht beurteilen. Zumal das Gegenstand von Untersuchungen der Staatsanwaltschaft ist. Ich will nur soviel sagen: Unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Kennziffern hätte man die Entwicklung zu einer Krise erkennen können und hat sie wahrscheinlich auch erkannt.

Gäbe es Babcock ohne die Einmischung der Politik noch?

Das frühzeitige Angebot, Landes- und Bundesbürgschaften über rund 320 Millionen Euro bereit zu stellen, war überlebensnotwendig. Im Übrigen ist es durchaus hilfreich, wenn man politische Kontakte nutzen kann um beispielsweise Aufträge im Ausland zu akquirieren.

Hilft es, dass Ihr Wolfgang Clement jetzt als Superminister für Wirtschaft und Arbeit am Kabinettstisch in Berlin sitzt?

Er ist ja nicht mein Superminister. Es kann jedoch nicht schaden, wenn man eine solche Persönlichkeit kennt.

Es verzerrt den Wettbewerb, wenn einzelnen Firmen so massiv geholfen wird.

Die Politik soll Rahmenbedingungen für alle Unternehmen schaffen. Unterstützung in Einzelfällen halte ich trotzdem für völlig legitim.

Helfen auch die Großaktionäre?

Die Westdeutsche Landesbank trägt schon deshalb mehr Verantwortung, weil sie Geldgeber und Aktionär ist. Aber es gibt auch Institute die kein Aktionär sind wie zum Beispiel die Commerzbank, und trotzdem eine Führungsrolle bei der Sanierung spielen.

Früher machten Konkursverwalter schöne Geschäfte mit den Resten von Aktiengesellschaften wegen der dicken Verlustvorträge.

Das geht bei Babcock erst in einigen Jahren, wenn alle Werte des Konzerns verwertet sind und es dann auch einen Kaufinteressenten gibt. Ich kann Aktionären aber nicht empfehlen, darauf zu spekulieren.

Das Gespräch führte Dieter Fockenbrock.

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