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Alstom Sarkozy

© AFP

AGV: Der Stolz der Grande Nation

Die Franzosen lieben ihre Schnellzüge – die fahren wohlmöglich bald auch in Deutschland. Das Unternehmen hofft, dass die Deutsche Bahn bis zu 15 Züge bestellt.

Aus den Lautsprechern in der Alstom-Bahnfabrik dröhnen die Bässe. Durch eine halbtransparente Leinwand schimmern die drei Hauptscheinwerfer des neuen Schnellzuges AGV, dem neuen Vorzeigeprodukt des französischen Industriekonzerns. Im Schritttempo rollt der Schnellzug auf die Gäste zu. „Excellence Française“ flimmert über die Leinwand. Auf der Bühne betrachten Alstom-Chef Patrick Kron und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy ergriffen und stolz das Schauspiel.

Neben den Flugzeugen von Airbus lösen wohl nur die Schnellzüge von Alstom derart viel Nationalstolz in Frankreich aus. Hier sieht sich die Grande Nation noch als Weltmarktführer: Man habe 70 Prozent aller Züge auf dem Globus produziert, die schneller als 300 km/h fahren, tönt Alstom. Bald könnte der AGV auch in Deutschland zu sehen sein: Alstom hofft, eine Ausschreibung der Deutschen Bahn über bis zu 15 Züge zu gewinnen, die nach Frankreich und in die Benelux-Staaten fahren sollen. Dem bis zu 360 km/h schnellen AGV werden gute Chancen eingeräumt. Er bietet bis zu 900 Passagieren Platz, 400 mehr als im bisherigen TGV.

Die Schnellzugtechnik gilt seit jeher als Paradebeispiel für französische Industriepolitik: Die ersten TGV (Train à Grande Vitesse) wurden Anfang der 70er Jahre von der Staatsbahn SNCF gemeinsam mit Alstom entwickelt, der Absatz war garantiert. Diese geschlossene Vermarktung funktioniert im EU-Binnenmarkt zwar nicht mehr. Dennoch ließ Sarkozy keinen Zweifel daran, dass Alstom weiter auf staatliche Hilfe zählen kann – etwa bei der Eroberung von Exportmärkten für den AGV: „Es ist meine Pflicht, bei jeder meiner Auslandsreisen ohne Unterlass die Industrie bei ihren Exportbemühungen zu unterstützen“, befand er.

Schon länger erfreut sich Alstom Sarkozys besonderer Aufmerksamkeit – 2004 verhinderte er noch als Finanzminister mit einer Teilverstaatlichung das Aus für den Konzern, obwohl die EU dagegen war. Zwei Jahre später konnte Paris seine Alstom-Aktien mit Gewinn an den Bouygues-Konzern verkaufen. „Wir haben nicht akzeptiert, dass Alstom zu Gunsten seines Konkurrenten Siemens zerschlagen wird. Ich war gegen die Übernahme durch Siemens“, lobte Sarkozy seine Rettungstat. Einmal in Fahrt, bekamen auch andere ihr Fett weg, die Frankreich das Leben schwer machen. Zum Beispiel der kanadische Konkurrent Bombardier: „Ich akzeptiere nicht, dass ein Unternehmen in Frankreich Ausschreibungen gewinnt, in seinem Heimatmarkt aber bilateral Aufträge zugesprochen bekommt.“ Oder die Europäische Zentralbank: „Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Währung für die Produzenten in der Eurozone keine Rolle spielt.“ Oder die Banken: Statt in die Industrie zu investieren, würden sie „in ihren Handelssälen nur noch spekulieren, und das mit wenig brillanten Ergebnissen“.

Nach Sarkozys Wortsturm folgte das Blitzlichtgewitter: Der Präsident posierte neben Konzernchef Kron und dem schwarz-silbernen Superzug, den Sarkozy fast schon zärtlich tätschelte. Zuvor hatte er im Cockpit unter Anleitung Krons an den Hebeln herumgefingert. Journalisten hatten dagegen keinen Zugang zum Zug – die Inneneinrichtung entspräche noch nicht dem endgültigen Entwurf, hieß es. Auch die unsauber verarbeitete Farbe an den Fenstern belegte, dass Alstom einen Prototyp zeigte. Als Souvenir machte Karl-Friedrich Rausch, Personenverkehrs-Chef der Deutschen Bahn, dennoch ein Foto mit seiner Digitalkamera. Und ein weiterer Bahn-Vertreter meinte etwas neidisch: „Wenn sich die deutsche Politik mal so für die heimische Industrie wie Sarkozy einsetzen würde...“HB

Holger Alich

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