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Jürgen Fitschen

© dpa

Nach Milliardenstrafe wegen Zinsmanipulationen: Alle auf Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen

Der Streit mit Finanzminister Wolfgang Schäuble bringt Deutschlands Top-Banker und Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen in Bedrängnis. Er ist in eine Falle getappt.

Jürgen Fitschen weiß, was die Stunde geschlagen hat. Es ist der Tag, an dem die EU eine Milliardenstrafe wegen Zinsmanipulationen verhängt, auch gegen sein Haus, die Deutsche Bank. Schon wieder Ärger. „Ich bin betroffen im wortwörtlichen Sinne“, sagt er mit gedämpfter Stimme auf einer Diskussion in Berlin. „Die Häufung der Dinge wird ein Gefühl vermitteln, das wir als Unbehagen bezeichnen müssen.“

Doch wegen so einer Sache in Sack und Asche zu gehen, so ein Typ ist Fitschen nicht. Er sucht lieber die Offensive, rügt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für dessen Vorhaltung, die Banken umgingen noch immer jede Regulierung. Und kassiert von dem prompt eine Klatsche. „Im Ton vergriffen“ habe sich der 65-Jährige, befindet der Politiker barsch.

Das saß. Mit nur wenigen Sätzen hat Schäuble Fitschen bloßgestellt – ihn, den Chef der größten deutschen Bank und des Bankenverbandes. Viel Mühe wird es Schäuble nicht bereitet haben – Fitschen steht von vielen Seiten unter Druck. Die Justiz ermittelt gegen ihn, wegen Prozessbetrugs und Umsatzsteuerbetrugs. Und sein Unternehmen kommt nicht aus den Schlagzeilen – neben Zinssätzen soll die Deutsche Bank auch Goldpreise und Währungskurse manipuliert haben.

„Fitschen sollte mal zwei Tage ins Kloster gehen und überdenken, was er da treibt“

Dabei hatte Fitschen erst im Frühjahr „einen tiefgreifenden kulturellen Wandel“ in seinem Haus nach der Ära des umstrittenen Josef Ackermann versprochen. Nur zu gern halten Politiker dem Norddeutschen nun vor, dass hier noch viel Arbeit vor ihm liegt. „Jenseits der Realitäten“ sei Fitschens Plädoyer gegen Überregulierung, sagte der SPD-Fraktionsvize Joachim Poß dem Tagesspiegel. „Er steht mit dem Rücken zur Wand und schlägt um sich.“ Klaus Ernst, Vizechef der Links-Fraktion, riet, „Fitschen sollte mal zwei Tage ins Kloster gehen und überdenken, was er da treibt“. Wenn er so weitermache, „ist er weder als Bankenpräsident noch als Deutsche-Bank-Chef geeignet“. Schon vor einem Jahr lag Fitschen mit der Politik über Kreuz –  wegen einer Razzia in der Bank-Zentrale hatte er sich bei Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) beschwert. Diese Aktion wurde Fitschen als Missachtung der Gewaltenteilung vorgeworfen.

Bemerkenswert ist, dass von Fitschens Co-Chef Anshu Jain bei aller Aufregung nichts zu sehen ist. Der gebürtige Inder, der ab 2017 die Bank alleine führen soll, ist abgetaucht. Das Machtgefüge an der Spitze habe sich verschoben, ist in Frankfurt zu hören. Fitschen sei längst nicht mehr nur eine Art Steigbügelhalter für den 15 Jahre jüngeren Kollegen. Womöglich, weil viele der Altlasten aus dem Investmentbanking stammen – der Sparte, die Jain jahrelang verantwortet hat.

Wolfgang Schäuble - harter Banken-Regulierer?

Wenn er nicht gerade mit Schäuble streitet, ist Fitschen unumstritten. Fast pausenlos reist er für die Bank umher – tagsüber auf Kongressen und Tagungen, abends auf Empfängen oder Bällen. Beim Abschied von Arbeitgeber-Präsident Hundt sitzt er als einziger Banker mit am Tisch. Fitschen ist topfit und schlank, sein Alter merkt man ihm nicht an. Wenn er öffentlich spricht, dann stets ohne Manuskript. Selbst bei den Gewerkschaften genieße er „eine große Wertschätzung“, auch bei Verdi-Chef Frank Bsirske. „Er ist ein ehrliche Typ“, heißt es im Arbeitnehmer-Lager. Hier und da stoße er sogar auf Mitleid, „da er den ganzen Mist seiner Vorgänger ausbaden muss“.

Doch etwas Trennendes bleibt: Anders als Gewerkschafter haben viele Banker kein Verständnis für immer neue Gesetze und Regeln. So auch Fitschen. „Dem ist einfach der Kragen geplatzt“, erklärt ein Banker, der ihn gut kennt, die Reaktion auf Schäubles Vorhaltungen. Für den Finanzminister sei das eine Steilvorlage gewesen. „Schäuble steckt gerade in einem persönlichen Wahlkampf um seine Zukunft als Minister – da macht es sich gut, wenn man dem führenden Banker des Landes eine verpasst.“

Dass die Debatte nicht nur dem Deutsche-Bank-Chef schadet, findet auch der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick. „In dieser Debatte liegen beide schief“, sagt er. Schäuble gebe in der Öffentlichkeit den harten Banken-Regulierer, „obwohl das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat“, schließlich habe er in Brüssel bei der Bankenregulierung immer gebremst. Ebenso unpassend sei Fitschens Wunsch nach einer Regulierungspause – „hier gibt es noch viel zu tun, etwa die Einführung eines Unternehmensstrafrechts“. (mit alf)

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