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Entspannt am Telefon. Ältere kennen sich selbst und können mit Emotionen bei der Arbeit besser umgehen als jüngere Berufstätige. Deshalb sind sie im Job weniger gestresst.

© picture alliance / dpa

Als Rentner arbeiten: Zurück ins Büro

Sie punkten mit ihrer Erfahrung, verdienen sich etwas dazu, geben ihrem Alltag eine neue Struktur: Immer mehr Rentner gehen arbeiten – und einige übernehmen sogar noch eine Führungsposition.

Eigentlich könnte Brigitte Lichtenberg sich zurücklehnen, Bücher lesen am Nachmittag, Ausstellungen besuchen, spazieren gehen. Doch dafür bleibt der 69-jährigen Restaurantfachfrau kaum Zeit. Sie ist vielbeschäftigt, arbeitet als Dozentin für Servicelehre an der Hotelakademie in Berlin-Schmöckwitz, ist ehrenamtliche Trainerin für den gastronomischen Nachwuchs der Industrie- und Handelskammer und auch noch stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes für Serviermeister (VSR).

40 Stunden in der Woche arbeiten im Ruhestand – nicht nur für Brigitte Lichtenberg ist das Alltag.

Nicht nur Kofi Annan zeigt, dass es geht

„Alt ist nicht gleich alt“, sagt Laura Romeu-Gordo vom Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA). Es gibt immer mehr Ältere, die auch im hohen Alter noch leistungsfähig und aktiv sind, Berühmtes Beispiel: Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan. Mit Ende 50 übernahm der studierte Wirtschaftswissenschaftler das Amt des UN-Generalsekretärs. Mit 74 Jahren wurde er Sondergesandter der Vereinten Nationen für Syrien. Und nicht nur für Menschen in höheren Führungsebenen ist es ein Thema, beruflich aktiv zu bleiben.

Laut einer Erhebung der Bundesagentur für Arbeit gingen im Vorjahr rund 1 Millionen Menschen über 65 Jahre einer Beschäftigung nach. Das sind so viele, wie nie zuvor. Auch der Anteil der 55 bis 65-Jährigen auf dem Arbeitsmarkt wächst stetig: von rund 39 Prozent im Jahr 2009 auf 43,9 Prozent im Vorjahr. „Aufgrund des demografischen Wandels sind immer mehr Ältere auf dem Arbeitsmarkt aktiv und gehen später in den Ruhestand als früher“, erklärt DZA-Ökonomin Romeu-Gordo.

Das hängt auch mit dem Fachkräftemangel zusammen. „Wir brauchen ältere Arbeitnehmer, um den massiven Fachkräftemangel auszugleichen“, sagt Paul Ebsen von der Bundesagentur für Arbeit. Laut einer Prognose der Bundeszentrale für politische Bildung werden im Jahr 2030 rund 30 Prozent der deutschen Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. Die Zahl der Erwerbstätigen wird von 40,6 auf 39,2 Millionen sinken.

Arbeitgeber bevorzugen Junge

Doch nach wie vor sind solche Erkenntnisse in vielen Unternehmen noch nicht angekommen. Häufig stünden dort ältere Arbeitnehmer nicht hoch im Kurs, berichtet Ökonomin Romeu-Gordo. „Das Altersbild unserer Gesellschaft ist sehr negativ. Viele Arbeitgeber denken alt heiße automatisch krank oder überfordert.“

Weniger leistungsfähig, weniger engagiert, seltener bereit, sich weiterzubilden – all das hat man Älteren lange nachgesagt. Jüngste Untersuchungen zeigen etwas anderes. Stressresistenter, motivierter, erfahrener sind die Älteren, belegt etwa eine Studie des Organisations- und Wirtschaftspsychologen der Universität Münster, Guido Hertel. Die Studie zeigt auch: Ältere Arbeitnehmer sind gut fürs Unternehmen. „Sie kennen sich selbst besser und können mit Emotionen bei der Arbeit besser umgehen als jüngere Berufstätige“, sagt Hertel. Zudem seien ältere Arbeitnehmer gut fürs Team: Wer nicht auf seine Karriere fixiert sei, und das gelte gemeinhin für die Senioren, sei teamfähiger.

Dass sogar eine zweite Karriere im Alter möglich ist, zeigt eine Studie der Wirtschaftsinformationsagentur Bürgel. Demnach arbeiten in 13,5 Prozent der deutschen Unternehmen Menschen über 65 Jahre in Führungspositionen – Tendenz steigend.

Fortschrittliche Unternehmen hätten bereits verstanden, dass Arbeitsplätze altersgerecht gestaltet werden müssen, sagt die DZA-Ökonomin Romeu-Gordo. Dort, wo körperliche Arbeit noch dominiere, müsse man die Arbeitsabläufe besser an die Fähigkeiten der älteren Arbeitnehmer anpassen. Auch das Thema Gesundheitsförderung und Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer gelte es in vielen Unternehmen noch auszubauen. „Nur wenn die Betriebe sich auf den demographischen Wandel aktiv einstellen, können wir das Potenzial der älteren Beschäftigten auch voll nutzen.“

Doch nicht nur die Wirtschaft profitiert von den aktiven Alten. Auch die Alten profitieren von der neuen Situation auf dem Arbeitsmarkt. „Weiterbildung, Sinngebung und Strukturierung des Alltags“ – eine Studie des Deutschen Zentrums für Altersfragen zeigt: Fragt man ältere Arbeitnehmer nach ihrer Motivation zu arbeiten, spielt die regelmäßige Überweisung aufs Konto oft eine nebensächliche Rolle. Auch der Restaurantfachfrau Brigitte Lichtenberg geht es nicht primär ums Geld.

Es gibt aber auch andere Fälle. Eine Umfrage des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt zu dem Ergebnis: Rund ein Drittel der älteren Arbeitnehmer sind auf ihr Einkommen angewiesen.

Vor vier Jahren ging Lichtenberg in Rente – nach 37 Jahren in der Gastronomie. „Glückliche 37 Jahre waren das“, sagt Lichtenberg.

Das sie auch nach der Rente weiter arbeiten würde, war ihr schon vor ihrem letzten Arbeitstag klar: „Ich arbeite gerne. Der Umgang mit jungen Menschen, die Abwechslung. Das hält mich fit.“ Brigitte Lichtenberg will solange arbeiten, wie „die Gesundheit mitmacht und ich Lust an der Sache habe.“ Erst dann will sie sich eine Pause gönnen.

Gesa Steeger

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