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Siemens soll die Übernahme von Alstom durch GE verhindern.

© AFP

Alstom-Übernahme: Siemens im Auftrag der französischen Regierung

Paris hat Siemens eingeschaltet, um in letzter Minute die Übernahme von Alstom durch GE zu verhindern. Der Chef des französischen Konzerns ist davon offenbar gar nicht begeistert.

Im Ringen um die Übernahme der Energiesparte des französischen Konzerns Alstom durch den US-Technologiekonzern General Electric (GE) hat sich in letzter Minute der deutsche Konkurrent Siemens eingeschaltet. In einem Brief an Alstom-Chef Patrick Kron, der zum Sonntagabend den Alstom-Verwaltungsrat zur entscheidenden Beratung des GE-Angebots zusammengerufen hatte, bekundet Siemens-Chef Joe Kaeser die „Bereitschaft zu Gesprächen über Fragen zukünftiger Zusammenarbeit“. Konkret enthält das Schreiben das Angebot, die Kraftwerkssparte, die erneuerbaren Energien und die Energieübertragungstechnik von Alstom zu kaufen. Siemens sei bereit, bar zu zahlen, könne aber auch im Gegenzug die eigenen Hochgeschwindigkeitszüge und das Lokomotivgeschäft an Alstom abgeben. Der Vorschlag sei eine einmalige Gelegenheit, zwei starke europäische Champions zu schaffen.

Alstom will sich bis spätestens Mittwochmorgen zu seiner künftigen Strategie äußern. Das teilte das in Levallois-Perret bei Paris ansässige Unternehmen am Sonntagabend mit. Der Konzern habe die Börsenaufsicht gebeten, den Handel mit Alstom-Aktien bis dahin auszusetzen.

Einzelheiten der in größter Diskretion zwischen den Konzernspitzen von Alstom und GE geführten Verhandlungen über den Verkauf der Alstom-Energietechnik an den US-Konzern waren erstmals am vergangenen Mittwoch bekannt geworden und hatten die Regierung in Paris in helle Aufregung versetzt. Das auf 13 Milliarden Dollar (neun Milliarden Euro) veranschlagte Übernahmeprojekt umfasst mit Windrädern, Kraftwerksturbinen und Übertragungssystemen die Kernsparte von Alstom. Auf sie entfallen 70 Prozent des Konzernumsatzes von 20 Milliarden Euro. Nicht betroffen ist der Hochgeschwindigkeitszug TGV, den Alstom seit vier Jahrzehnten produziert.

Frankreichs Industrie steht vor dem Ausverkauf

Die Verhandlungen über die Übernahme waren, wie die Agentur Reuters berichtet, so weit gediehen, dass einer Billigung des Abschlusses durch den Alstom-Verwaltungsrat am Sonntagabend im Prinzip nichts mehr im Wege stand. In Erwartung eines Abschlusses war am Morgen auch GE-Konzernchef Jeff Immelt in Paris eingetroffen. Die Aufregung in der französischen Hauptstadt über den Deal ist umso größer, als mit der Übernahme der Alstom-Energiesparte durch General Electric eines der wenigen noch in französischer Hand verbliebenen Traditionsunternehmen unter ausländische Kontrolle geriete – mit ungewissen Aussichten.

Nach der Akquisition des Aluminiumherstellers Pechiney durch die kanadische Gruppe Alcan, dem Ausverkauf der Stahlschmiede Arcelor an die indische Mittal-Gruppe, der Anlehnung des Autokonzerns Peugeot an den chinesischen Partner Dongfeng und zuletzt der Verschmelzung des Zementproduzenten Lafarge mit dessen Schweizer Konkurrenten Holcim wird die Alstom-Übernahme durch GE wie ein „nationales Psychodrama“ empfunden, meint die Zeitung „Le journal du dimanche“.

Entsprechend hektisch reagierte auch die Politik. Der Staat ist zwar nicht mehr Aktionär bei Alstom, doch die Regierung will die Übernahme verhindern. Als Lieferant des Elektrizitätskonzerns Electricité de France und Hersteller des TGV für die Staatsbahn SNCF kommt dem Konzern eine Schlüsselposition in der französischen Wirtschaft zu. „Alstom ist das Symbol unserer industriellen Macht und der französischen Erfindungsgabe“, betonte Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg. Die Regierung will auf jeden Fall sicherstellen, dass die Produktionsstätten des Alstom-Energiezweigs im ostfranzösischen Belfort erhalten bleiben und keiner der 9000 Arbeitsplätze dort abgebaut wird.

Der Alstom-Chef und die Geschichte vom Scheiterhaufen

Weltweit beschäftigt der Konzern 93.000 Mitarbeiter, 18.000 in Frankreich. Hierzulande arbeiten 4500 Menschen für den Siemens-Konkurrenten. Ob und welche Zusagen zum Erhalt der Jobs GE gegeben hat, ist nicht bekannt. Siemens-Chef Kaeser verspricht in seinem Brief an Alstom-Chef Kron hingegen, mindestens für drei Jahre auf Stellenstreichungen in Frankreich zu verzichten und danach das Geschäft weiter auszubauen.

In den vergangenen Tagen hatte sich Wirtschaftsminister Montebourg bei heimischen Unternehmen als Alternative zu GE umgesehen, war aber sowohl beim Nuklearunternehmen Areva als auch beim Elektronikkonzern Thales und dem Elektroausrüster Schneider abgeblitzt. Dass Siemens nun ins Spiel kommt, passt Kron offenbar nicht. „GE und Alstom würden sich in vielen Bereichen ergänzen“, heißt es in seiner Umgebung. Hingegen würde ein Zusammengehen mit Siemens Tausende Jobs bedrohen. Lieber wolle Kron „sich auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen“ als eine Verbindung mit den Münchnern einzugehen.

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