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Wirtschaft: Angriff aus der Nische

Versandapotheken sind seit Jahresbeginn auch in Deutschland zugelassen. Doch die Kunden bleiben misstrauisch

Berlin (pet). Kaum ist der Versandhandel mit Arzneimitteln auch in Deutschland zugelassen, da prophezeien ihm Branchenvertreter schon wieder ein rasches Ende. „Wenn die Versandhändler es nicht schaffen, einen Preisvorteil gegenüber der Apotheke an der Ecke zu realisieren, dann sind sie bald platt“, sagt Jens Apermann, Geschäftsführer der Schweizer Internetapotheke Apo AG, die seit Anfang Januar Arzneimittel von Holland aus vor allem an deutsche Kunden verschickt. „Die Zurückhaltung im deutschen Markt ist noch groß“, bestätigt Thomas Kerckhoff, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheker.

Der Arzneimittelversand mit rezeptpflichtigen Medikamenten ist in Deutschland erst seit Anfang des Jahres erlaubt. Bundesgesundheitsministerinn Ulla Schmidt (SPD) erhofft sich durch den neuen Vertriebsweg MillionenEinsparungen bei den Gesundheitskosten. Die gut 21 000 deutschen Apotheken, jahrzehntelang durch staatlich reglementierte Preise und abgeschottenen Wettbewerb verwöhnt, befürchten dagegen einen Verdrängungskampf und wehren sich heftig gegen die neue Konkurrenz. Eine viel größere Gefahr als die deutschen Versandapotheken sind derzeit allerdings Internet-Händler wie Doc-Morris, der von Holland aus Arzneimittel überwiegend an deutsche Kunden verschickt und dabei weder an deutsche Festpreise noch an die neuen Zuzahlungsregeln gebunden ist.

Wenn zur Jahresmitte, wie geplant, auch patentgeschützte Arzneimittel unter die Festpreisregelung fallen, hoffen die Internetapotheker auf eine neue Runde im Wettbewerb – zu ihren Gunsten. Der Billigkonkurrent aus Holland unterbietet schon jetzt die deutschen Arzneimittelpreise mit kräftigen Rabatten und erlässt deutschen Kunden zudem die Hälfte der Zuzahlungsgebühr.

In den nächsten zehn Jahren traut Doc-Morris-Chef Ralf Däinghaus dem Internethandel einen Marktanteil in Deutschland von sechs bis acht Prozent zu. Derzeit deckt Marktführer Doc-Morris gerade 0,3 Prozent des Marktes ab. Das Unternehmen profitiert von der Gesundheitsreform: Allein im ersten Quartal setzte Doc Morris laut Däinghaus 30 Millionen Euro um, im gesamten Vorjahr waren es 50 Millionen Euro. Für 2004 rechnet Däinghaus mit 140 Millionen Euro Umsatz, zu Gewinnen sagt er nichts.

Während Doc Morris bereits gut im Geschäft ist, müssen sich die deutschen Versandapotheken ihren Platz noch erkämpfen. „Wir müssen den Verbraucher erst davon überzeugen, dass er bei uns gut aufgehoben ist“, sagt Versandapotheker Kerckhoff, der auch Inhaber des Pillen-Versenders Berg-Apotheke ist. Er räumt ein, dass der deutsche Verbraucher Preisvorteile im Versandhandel nur bei den nicht preisgebundenen Medikamenten hat, aber die darf seit Jahresbeginn auch der Apotheker an der Ecke gewähren. Die Versandhändler versuchen daher, über Kassen-Kooperationen ins Geschäft zu kommen. Als erster seiner Zunft hat Kerckhoff gerade einen Vertrag mit der Hanseatischen Krankenkasse (HEK) abgeschlossen. Das könnte auch bei Konkurrenten Schule machen. Ziel ist es, HEK-Versicherten, die an einem Programm für chronisch Kranke teilnehmen, einen Teil der Zuzahlung zu erlassen, wenn sie ihre Pillen bei der Berg-Apotheke bestellen. „Das ist ein Pilotprojekt“, sagt Kerckhoff. Die Genehmigung des Bundesversicherungsamtes steht noch aus. Sie wird für den Sommer erwartet.

Auch die Apo-AG prüft gerade, ob sie in Deutschland verordnete, teure Arzneimittel durch billigere Marken ersetzt – und den Preisvorteil an die Kunden weitergibt. Anders als in Deutschland ist das nach Angaben von Apo-Chef Apermann in Holland grundsätzlich erlaubt. Schon jetzt lockt die Apo AG Kunden mit einer Gutschrift der Praxisgebühr. Ob die Versandhändler es schaffen, deutlich billiger zu sein als traditionelle Apotheker, wird für sie zur Überlebensfrage. „Wenn die Preisvorteile signifikant sind, können wir 25 Prozent der Arzneimittel im Versandhandel transportieren“, sagt Apermann. „Wenn nicht, bleiben wir Nischenanbieter.“

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