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Wirtschaft: Angst vor dem schwachen Dollar geht um

Defizite in der Handelsbilanz und im Staatshaushalt drücken den Kurs – Verluste an den Börsen

Berlin/Kiel (brö/dr/msh). Unter Ökonomen und Börsianern macht sich Unsicherheit breit: Der Grund: Die allmähliche Erholung der Weltwirtschaft könnte durch eine plötzliche Schwäche des amerikanischen Dollar ernsthaft in Gefahr geraten. Ökonomen befürchten, dass die Haushaltspolitik der USRegierung sowie das Leistungsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten zu einer Abwertung der amerikanischen Währung führen könnten. „Nur wenn die USA die Wachstumslokomotive unter den Industrieländern bleiben, können sie diese Gefahr für die Weltwirtschaft abwenden“, sagte Rolf Langhammer, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), am Dienstag in Kiel.

Die Entwicklung in den vergangenen Tagen gibt den Pessimisten recht. Bereits am Montag verlor der Dollar gegenüber dem Euro deutlich. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs des Euro am Montag mit 1,1468 Dollar nach 1,1312 am Freitag fest. Am Dienstag zunächst das gleiche Bild. Zeitweise kletterte der Euro auf 1,1529 Dollar. Den Referenzkurs setzte die EZB allerdings mit 1,1464 Dollar etwas niedriger fest. Im Vergleich zum japanischen Yen fiel die amerikanische Währung am Dienstag zeitweise sogar auf ein neues Drei-Jahres-Tief.

Nicht anders an den Börsen. Am Montag verlor der Deutsche Aktienindex (Dax) 3,4 Prozent auf 3456 Punkte. Am Dienstag eröffneten die Märkte erneut deutlich schwächer und der Dax gab bis auf ein Tagestief von 3401 Punkten (minus 1,8 Prozent) nach. Erst im Tagesverlauf konnten sich die Kurse wieder etwas erholen, und zum Börsenschluss stand das Börsenbarometer bei 3411 Zählern. Ein Minus von 1,3 Prozent.

Eine weitere Abschwächung des Dollar könnte auch für die deutsche Wirtschaft verhängnisvoll sein. Die exportorientierten deutschen Unternehmen – etwa die Autobranche – gerieten in Schwierigkeiten. Sie müssten ihre Produkte beispielsweise auf dem wichtigen nordamerikanischen Markt teurer verkaufen als heute. Noch beruhigt Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels allerdings. Für die deutsche Exportwirtschaft sei der aktuelle Anstieg des Euro-Kurses noch kein großes Problem. „Die Aufwertung des Euro kommt nicht unerwartet und liegt im Rahmen unserer Prognosen", sagte er. Genaue Zahlen zur Exportbranche stellt der Verband erst in der kommenden Woche vor.

Der Dollar läuft seit Jahren Gefahr, von den Finanzmärkten abgewertet zu werden. Schuld ist das Ungleichgewicht der amerikanischen Handelsbilanz: Die USA importieren mehr Waren, als sie exportieren. Dies können sie nur ausgleichen, indem pro Tag bis zu zwei Milliarden Dollar an ausländischem Anlagekapital ins Land fließen. „Würde dieser Strom versiegen, geriete der Dollarkurs unter Druck“, sagte Langhammer.

Hinzu kommt die Haushaltspolitik der Bush-Regierung, die mit kreditfinanzierten Steuersenkungen versucht, die Wirtschaft anzukurbeln. „In diesem Jahr wird das US-Etatdefizit bei 400 Milliarden Dollar liegen", befürchtet Robert H. Chandross, Ökonom an der Drew University in Madison/New Jersey. Zudem betreibe die Regierung „eine kreative Buchführung wie keine Regierung vor ihr“. Chandross schätzt, dass das tatsächliche Defizit bei etwa 1,2 Milliarden Dollar liege, wenn man alle Schattenhaushalte einbezieht. Dieses „Zwillingsdefizit“ – eine tiefrote Leistungsbilanz zusammen mit einer unsoliden Fiskalpolitik – bereitet den Forschern Sorge. Vor „Zinsanstiegen und einer drastische Abwertung des US-Dollar, welche den weltwirtschaftlichen Aufschwung gefährden würden“ warnen die Kieler Wirtschaftsforscher in ihrer jüngsten Prognose, und sehen ein weiter wachsendes Leistungsbilanzdefizit in den kommenden Monaten.

Doch IfW-Vizechef Langhammer macht auch Mut. Die Chancen stünden gut, dass die US-Wirtschaft sich schneller und stärker von der jahrelangen Konjunkturflaute erholen werde als Europa und Japan, die anderen großen Wirtschaftsblöcke der Welt. „Deshalb wird der Strom von ausländischem Kapital nach Amerika auch vorerst anhalten - in diesem Fall wäre der Kauf von Aktien und Anleihen aus den USA auch weiterhin ohne zusätzliches Risiko“, sagte er.

Tatsächlich bessern sich die Aussichten für das US-Wachstum: In diesem Jahr wird die weltgrößte Volkswirtschaft dem IfW zufolge um 2,5 Prozent zulegen, im kommenden sogar um 3,7 Prozent. Für US-Verhältnisse ist dies mäßig – in den neunziger Jahren lagen die Zuwächse deutlich über diesen Werten. Die Euro-Teilnehmerländer kommen indes nur auf 1,8 und 2,5 Prozent, Japan auf 2,7 und 1,8 Prozent. Allerdings wird der Arbeitsmarkt davon kaum profitieren, erwartet US-Fachmann Chandross. „Seit Beginn der Wirtschaftskrise sind 2,8 Millionen Arbeitsplätze vernichtet worden.“

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