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ANLEGER Frage: An Eva Bell Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Berlin

Lohnt sich eine „Bürgeranleihe“?

Der niederländische Stromnetzbetreiber Tennet bietet mit der „Bürgeranleihe – Westküstenleitung“ ein Finanzprodukt an, das Bürgern die Möglichkeit bieten soll, vom Netzausbau auch finanziell zu profitieren. Bis zu fünf Prozent Rendite pro Jahr werden versprochen. Die Bundesregierung macht Anlegern solche Bürgeranleihen ebenfalls schmackhaft. Was ist davon zu halten?

„Bürgeranleihe“ – das klingt nach gesellschaftlichem Engagement, nach einem besonderen Beitrag der Landeskinder für die Zukunft Deutschlands, ganz so wie von Bundesumweltminister Altmaier kürzlich vorgeschlagen. Die sympathische Werbung des Unternehmens Tennet macht glauben, hier würden Anwohner in Norddeutschland exklusiv den Netzausbau in ihrer Nachbarschaft unterstützen. Hinter der sogenannten Bürgeranleihe sammelt der niederländische Stromnetzbetreiber Geld für seine Investitionen in den Netzausbau. Finanztechnisch gesehen handelt es sich um eine Unternehmensanleihe, das heißt Anleger geben dem Unternehmen mit einer Anleihe einen Kredit.

Wer sich für die Anleihe interessiert, stößt auf eine Benotung der Ratingagentur Standard & Poors, die auf erhebliche Risiken hinweist. Die liegen vor allem darin, dass ein Totalverlust des eingesetzten Geldes nicht ausgeschlossen wird und die Anleihe nicht gekündigt werden kann. Im Insolvenzfall werden die Anlegeransprüche nur nachrangig behandelt, das heißt die Käufer der Bürgeranleihe bekommen erst dann ihr Geld, wenn vorrangig zu bedienende Gläubiger befriedigt worden sind.

Die Laufzeit des Finanzprodukts ist unbefristet, so dass nur Tennet kündigen kann oder ein Verkauf über den Börsenhandel infrage kommt. Wie viel an der Börse im Verkaufsfall gezahlt wird, ist ungewiss. Der Mindestanlagebetrag von 1000 Euro richtet sich nicht an Kleinanleger. Der Anfangszins von drei Prozent ist angesichts der Risiken wenig attraktiv. Die ab Baubeginn in Aussicht gestellten höheren Zinsen können aufgeschoben, die Renditen angepasst werden.

Diese „Bürgeranleihe“ dürfte nicht im Interesse des Umweltministers sein, denn sie schürt die Skepsis der Verbraucher über die Umsetzung der Energiewende. Eine Studie des Bundesverbands der Verbraucherzentralen belegt, dass 82 Prozent der Verbraucher hinter den Zielen der Energiewende stehen, aber eine Mehrheit die derzeitige Kostenverteilung kritisch sieht. Wenn die Bundesregierung Bürgerdividenden populär macht, ist sie gut beraten, auf ein hohes Verbraucherschutzniveau und kleinanlegerfreundliche, leicht verständliche Finanzprodukte zu drängen.

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An Eva Bell

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