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ANLEGER Frage: An Oliver Borgis Leiter des Portfoliomanagements der Weberbank

Die USA lassen den Markt kalt

Den USA scheint eine neue Rezession zu drohen. Wie groß ist die Gefahr, die davon für die heimische Wirtschaft und Kapitalanlagen ausgeht?

Vor Mitte 2009 schienen die USA den schwersten Teil der Finanzkrise überstanden zu haben. Inzwischen aber können die Konjunkturprogramme, Steuergeschenke und Bankenrettungen die strukturellen Probleme nicht mehr überdecken. Der Immobilienmarkt liegt noch immer am Boden, allein im laufenden Jahr mussten 45 Banken schließen und der Arbeitsmarkt hat sich völlig untypisch auch zwei Jahre nach Rezessionsende kaum erholt. Zu allem Übel droht nun auch noch der Verlust der erstrangigen Bonitätseinstufung durch die führenden Ratingagenturen. Akut angefacht wurden die Konjunktursorgen durch einige Frühindikatoren der vergangenen Wochen. So verzeichnete der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe den größten monatlichen Rückgang seit Januar 1984.

Selbst wenn die Herabstufung der Kreditwürdigkeit vermieden werden kann, ist die fiskalpolitische Handlungsfähigkeit der USA eingeschränkt, da weitere Jahre mit rund zehn Prozent Haushaltsdefizit wie in 2009 und 2010 nicht tragbar wären. Einer Wirtschaftskrise könnte nicht erneut mit massiven Staatsausgaben begegnet werden. Ein Abgleiten der USA in eine Rezession ist allerdings noch nicht ausgemachte Sache. Auch gilt heute der Leitsatz „wenn die USA husten, bekommt Europa einen Schnupfen“ so nicht mehr. Gerade Deutschland hat den USA den Wirtschaftsschneid abgekauft und wächst mit über vier Prozent wesentlich rasanter als die Vereinigten Staaten. Die Erfolge der deutschen Arbeitsmarktpolitik und der Exportausrichtung auf die dynamisch wachsenden Schwellenländer wirken wie ein Impfschutz.

Zyklischen Branchen wie Autobauern und rohstofforientierten Sektoren wie Stahlwerten würde sicherlich einiges an Wachstumsphantasie genommen werden. Der Gesamtmarkt würde nur für den Fall, dass die USA auch China mit herabziehen, stärker belastet. Die Bedeutung der US-Importe für die inzwischen stärker diversifizierte und binnenorientierte Wirtschaftsmacht China wird aber gemeinhin überschätzt. Eine nachlassende Nachfrage der USA nach Rohstoffen würde zudem den Inflationsdruck und den Bedarf an Zinserhöhungen auch für Europa dämpfen. Davon könnten defensive Aktien und Zinsanlagen sogar profitieren, außer es handelt sich um Anleihen von schwächelnden US-Unternehmen. Insbesondere bonitätsschwächere US-Emittenten wären gefährdet - generell sollte für dieses Szenario bei der Jagd nach Zinsaufschlägen vorsichtig selektiert werden.

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An Oliver Borgis

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