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Mit angezogener Handbremse. Wer meint, nichts zu können, gibt gar nicht erst alles. Bleibt dann der Erfolg aus, bestätigt dies das negative Selbstbild.

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Arbeit und Psychologie: Im Stillstand

Selbstzweifel hemmen Beschäftigte im Job. Es sei denn, sie gehen mit ihnen konstruktiv um. Was Experten raten.

Wenn Christine Jurowski die Zweifel plagen, dann greift sie zum Telefon. Die 57-Jährige leitet im brandenburgischen Senftenberg eine kleine Firma für Werbeträger, für Schilder, Fassadenwerbung und Leuchtreklame. Seit 1990 ist sie selbstständig, führt mit Leidenschaft ihr Unternehmen, leitet Mitarbeiter, Lehrlinge und Praktikanten an. Derzeit sind es zwei Mitarbeiter, die sie in Teilzeit beschäftigt.

Eigentlich ist sie der Typ, der den Mund aufmacht und Probleme anspricht, sagt Jurowski über sich selbst. Aber in manchen Situationen – wie damals, als ein Mitarbeiter plötzlich aufhörte mit ihr zu reden, oder als zwei, drei große Aufträge hintereinander unbezahlt blieben – kommen auch bei ihr die Fragen im Kopf: „Habe ich etwas falsch gemacht?“

Selbstzweifel sind an sich nichts Schlechtes. Sie dienen gemeinhin als Warnsignal, Situationen und Strategien kritisch zu prüfen, im Privaten wie im Berufsleben. So gut wie jeder ist gelegentlich davon betroffen. Auch beruflich sehr erfolgreiche Menschen hadern hin und wieder mit sich. Entscheidend ist, wie man auf Selbstzweifel reagiert. Wie kann man konstruktiv mit ihnen umgehen – und neue Lösungen finden für Probleme, die einen umtreiben? Sich darüber auszutauschen kann helfen. Doch gerade für Führungskräfte ist es gar nicht so einfach, Ansprechpartner zu finden, die Ihnen dabei zur Seite stehen.

Keine Zweifel zu haben, ist bedenklich

Vorab zur Beruhigung: Zweifel zu haben ist an sich nicht problematisch. Im Gegenteil, gar keine Zweifel zu haben, ist laut Astrid Schütz bedenklich. Sie ist Professorin für Persönlichkeitspsychologie an der Universität Bamberg und nebenberuflich als Coach und Autorin tätig. „Jemandem, der sich uneingeschränkt positiv sieht, fällt es schwer, Kritik ernst zu nehmen“, sagt sie. So verpasse man viele Gelegenheiten, zu lernen und besser zu werden. Bessere Lösungen zu finden, wird aber auch schwierig, wenn man in das andere Extrem kippt: Wer sich nach dem Motto „Ich kann ja gar nichts“ ständig und fundamental in Frage stellt, neigt laut Schütz eher dazu aufzugeben. Fundamentale Selbstzweifel lassen sich nicht mehr allein aus der Welt schaffen und sie machen auch soziale Beziehungen schwer. Personen suchen dann ständig Bestätigung, was eine Zusammenarbeit häufig belastet.

Große Selbstzweifler fahren „mit angezogener Handbremse und torpedieren sich damit selbst“, sagt Schütz. Weil sie ja ihrer Meinung nach sowieso nichts bringen, geben sie erst gar nicht alles. Wenn dann der Erfolg ausbleibt, bestätigen sie sich selbst wieder ihr negatives Selbstbild. „War ja klar, dass das nicht klappt“, heißt es dann. Personen in Führungspositionen dagegen neigen laut Umfragen, die Schütz durchgeführt hat, generell eher dazu, sich etwas zu positiv zu bewerten. In neuen Situationen oder bei Umwälzungen tauchen aber auch bei ihnen Selbstzweifel auf.

Zweifelnde Chefs sind oft sehr einsam

Und dann sind gerade erfolgreiche Menschen sehr einsam, beobachtet Karsten Noack. Er ist Coach in Berlin und kennt Fälle von Führungskräften, die sich vor lauter Zweifeln im Büro verschanzen und dem Assistenten sagen, sie seien für niemanden mehr zu sprechen. Im Extremfall wird zu Alkohol und aufhellenden Medikamenten gegriffen, so Noack. Gerade in Führungspositionen gilt es als Tabu, Selbstzweifel den Mitarbeitern gegenüber zu thematisieren. Das habe nichts damit zu tun, im Beruf eine Maske aufzusetzen, meint Noack, sondern sei Teil des Berufsbildes einer Führungskraft: Man hat Orientierung und Sicherheit zu geben. „Je höher, desto einsamer wird es“, sagt der Coach. Dazu komme, dass man in höheren Positionen auch kaum noch ehrliches Feedback bekommt, weder beruflich noch privat: Wenn ein nach außen hin Erfolgreicher gegenüber Freunden oder der Familie Zweifel äußere, würden diese schnell abgeschmettert. „Du bist doch so toll!“ Die Zweifel würden nicht ernst genommen.

Dabei sieht auch Noack Selbstzweifel als inneres Feedback und nützliches Warnsignal. Häufig tauchen sie in veränderten Situationen auf: „Bin ich in Ordnung?“ fragt sich dann jemand und stellt fest, dass sich gerade seine ganze Branche neu strukturiert und er sich noch nicht überlegt hat, wie er darauf reagieren will, erklärt der Coach.

Selbstzweifel tauchen laut Noack auch auf, wenn die eigenen Ziele und Prioritäten nicht mehr klar sortiert sind. Sich diese regelmäßig wieder vor Augen zu führen, ist für ihn deswegen ein gutes Mittel, Selbstzweifeln vorzubeugen (siehe Kasten). Gerade für Führungskräfte gehört es laut Noack aber auch zu den „Hausaufgaben“, sich für den Akutfall einen Rahmen zu organisieren, in dem man Zweifel besprechen und konstruktiv bearbeiten kann.

Auch Christine Jurowski bespricht Probleme nicht mit Mitarbeitern. „Man darf nicht wankelmütig sein und sich aus der Bahn bringen lassen“, meint sie über ihre Rolle als Führungskraft. Auch ihre Yoga-Freundinnen, die Jurowski sehr schätzt, haben für ihre Fragen und die Erfordernisse ihrer Tätigkeit relativ wenig Verständnis, meint sie. Für solche Fälle hat sie sich deshalb ihr eigenes inoffizielles Netzwerk aufgebaut: mit vier ehemaligen Mitschülern aus der Meisterschule, die inzwischen alle über Brandenburg verteilt kleine Unternehmen führen. Wenn einer von ihnen von Zweifeln gepackt wird, holt er sich telefonisch Rat von den anderen.

Außerdem ist Jurowski seit acht Jahren mit einem Management-Berater in Cottbus in Kontakt. Bei größeren Veränderungen meldet sie sich bei ihm. Auch Fortbildungskurse zum Thema Mitarbeiterführung haben sie selbstsicherer gemacht.

Und dann gibt es noch einen besonderen Ansprechpartner: Jurowskis ältere Schwester, die sich als Friseurmeisterin selbstständig gemacht hat und drei Läden in Brandenburg betreibt. Die beiden haben schon viel über Führung und ihre Firmen gesprochen und sich immer wieder aufgerappelt, berichtet Christine Jurowski. Es sei eine ungemeine Erleichterung, jemanden zu haben, der zuhören kann und versteht, was in einem vorgeht, sagt sie.

Auch wenn sich eine der beiden Schwestern in einer Krise wieder einmal fragt: „Mein Gott, wofür mache ich das?“, steht ihr die andere zur Seite. Bis das Problem aus der Welt geschafft ist.

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