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Wirtschaft: Arbeitgeber attackieren Biedenkopf

Wissenschaftler wollen Mitbestimmung beibehalten / Beifall von Gewerkschaften, Kritik von Aktionärsvertretern

Berlin - Arbeitgeber und Aktionärsvertreter haben mit scharfer Kritik auf Empfehlungen zur Reform der Mitbestimmung reagiert. Die wissenschaftlichen Mitglieder der Mitbestimmungskommission unter der Leitung von Kurt Biedenkopf hatten am Mittwoch ihren Bericht, in dem sie für die Beibehaltung der paritätischen Mitbestimmung plädieren, an Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben. Die Sichtweise der drei Professoren erkläre sich aus deren „Nähe beim Zustandekommen des Mitbestimmungsgesetzes 1976“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt (BDA) und Jürgen Thumann (BDI) sowie des früheren Daimler-Finanzvorstands Manfred Gentz. Die drei Arbeitgeber hatten gut ein Jahr zusammen mit drei Arbeitnehmervertretern sowie drei Wissenschaftlern über die Reform der Mitbestimmung beraten. Da sich die Sozialpartner nicht einigen konnten, legten die Wissenschaftler nun allein einen Bericht mit Empfehlungen vor. Gewerkschafter begrüßten die Empfehlungen, Aktionärsvertreter sprachen dagegen von einem „Scherbenhaufen“.

Christian Strenger von der Fondsgesellschaft DWS und Mitglied der Corporate-Governance-Kommission sagte dem Tagesspiegel, die Ergebnisse „sind irrelevant“ und behindern den Fortschritt“. So würden zum Beispiel, „um den Frieden im Aufsichtsrat zu halten“, teure Arbeitsplätze im Inland tendenziell nicht abgebaut. „Dadurch unterbleiben notwendige Anpassungen“, sagte Strenger. DGB- Chef Michael Sommer bewertete den Bericht der drei Professoren als ein „ordentliches Stück Arbeit“. Neben dem früheren sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf war die Wissenschaft vertreten durch Wolfgang Streeck vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung und Hellmut Wißmann, ehemals Präsident des Bundesarbeitsgerichts. Mit dem Bericht ist für Sommer nun klar, dass „die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat nicht zur Debatte steht. Das haben wir jetzt schwarz auf weiß.“ Sommer vertrat mit IG-Metall-Chef Jürgen Peters und dem RWE-Betriebsratsvorsitzenden Günter Reppien die Arbeitnehmerseite in der Kommission.

Verdi-Chef Frank Bsirske sagte dem Tagesspiegel, „die Mitbestimmung sollte sinnvoll weiterentwickelt werden“. Und zwar könnten „die Wahlverfahren vereinfacht werden, ausländische Belegschaften in Konzernen ein Wahlrecht erhalten und Ausschüsse paritätisch besetzt werden“. Die Arbeitgeber dagegen forderten eine grundlegende Modernisierung mit Verweis auf die Globalisierung und die internationalen Kapitalmärkte. Ferner ignorierten die drei Professoren „diese absolut isolierte Sonderstellung des Unternehmensrechtes in Deutschland“. Schließlich, so empörten sich die Arbeitgeber, würden die Vorschläge der Professoren die Mitbestimmung noch vertiefen. Stattdessen „plädieren wir für eine Drittelbeteiligung“.

Biedenkopf dagegen sieht die Mitbestimmung als einen „Schutz der Mitarbeiter vor Willkür des Arbeitgebers“. Ferner weist er hin auf „die wachsende Bedeutung von Wissen und Können der Belegschaft“, das Kapital sei im Unternehmen „ohne Verbindung mit Wissen und Können wertlos“. Schließlich sei die Mitbestimmung auch ein mögliches Instrument gegen den „share-trader“-Kapitalismus, wie Biedenkopf den Trend auf den Finanzmärkten nennt, mit Kauf und Verkauf von Unternehmen kurzfristig Profit zu machen und dabei die langfristigen Firmeninteressen zu vernachlässigen.

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