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Wirtschaft: Arbeitgeber wollen an die 35-Stunden-Woche

Gesamtmetall will eine Korridorlösung – IG-Metall-Vize Huber fürchtet, dass es um unbezahlte Überstunden geht

Berlin (alf). Die bevorstehende Tarifauseinandersetzung wird vermutlich über flexiblere Arbeitszeiten entschieden. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, sagte am Donnerstag in Berlin, es gebe „keinen Spielraum für Lohnerhöhungen“ ohne zusätzliche betriebliche Gestaltungsspielräume. Dazu schwebt den Arbeitgebern ein Arbeitszeitkorridor zwischen 35 und 40 Wochenstunden vor.

Der zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, sagte dem Tagesspiegel, „gegen einen Korridor spricht nichts“, da es ihn faktisch bereits heute gebe. Im Rahmen des Tarifvertrags könne die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich reduziert werden. Und wenn auf Grund der Auftragslage zusätzliche Arbeit erforderlich sei, dann genehmige der Betriebsrat Überstunden, für die allerdings Zuschläge zu zahlen sind. Hier sieht Huber das Motiv der Arbeitgeber: „Die zusätzliche Arbeitszeit soll nicht bezahlt werden.“

Im Übrigen sei eine Arbeitszeit über 35 Stunden jederzeit auch ohne Zuschläge möglich, sagte Huber. Die Arbeitnehmer müssten nur binnen eines Jahres ihr Zeitkonto wieder ausgleichen, so dass im Jahresdurchschnitt die Wochenarbeitszeit bei 35 Stunden liegt; das betrifft vor allem auch saisonal schwankende Branchen. Wenn eine Genehmigung der Tarifparteien vorliegt, kann der Ausgleichszeitraum auf 24 Monate verlängert werden. Das ist zum Beispiel im Maschinenbau relevant, wenn etwa binnen 15 Monaten einen Papiermaschine produziert und geliefert werden muss und in dieser Zeit entsprechend viel zu arbeiten ist. Huber wies ferner darauf hin, dass es bei einer tariflichen Verkürzung der Arbeitszeit weniger Geld gibt. Im Umkehrschluss müsse es mehr Geld geben, wenn die Arbeitszeit steigt, sagte der stellvertretende IG-Metall-Chef.

Derzeit liegt die tarifliche Arbeitszeit im Westen bei 35 und im Osten bei 38 Stunden. Am Donnerstag beschloss die Große Tarifkommission der baden-württembergischen IG Metall eine Tarifforderung von vier Prozent. Die IG Metall strebt eine Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten an, während Gesamtmetall für 24 Monate plädiert. Gesamtmetall-Präsident Kannegiesser sagte, den Arbeitgebern gehe es nicht um eine grundsätzlich längere Arbeitszeit. „Wir reden nicht generell von 40 Stunden.“ Und ein Korridor, der auch Arbeitszeitverlängerung zuließe, sei „keine Revolution, die zur Explosion führt“. Der Arbeitgeber betonte allerdings, „das Dogma von der Arbeitszeitverlängerung, die Arbeitsplätze kostet, ist in dieser Schlichtheit unglaublich falsch – wir brauchen betriebliche Differenzierungsmöglichkeiten beim Arbeitszeitvolumen nach oben und nach unten“. Kannegiesser stellt sich das so vor, dass es – je nach Verabredung der Betriebsparteien – eine längere Arbeitszeit mit teilweisem Lohnausgleich oder ohne Lohnausgleich geben könnte. Auch ein Prämiensystem sei denkbar.

In der Bundesrepublik sei der Lebensstandard nur zu halten, wenn bei konstantem Einkommen mehr gearbeitet würde. Kannegiesser räumte ein, der IG Metall „viel zuzumuten“. Ihm wäre es lieber, „wir würden auf den Konsolidierungsprozess in der IG Metall Rücksicht nehmen können“, erinnerte er an die Führungskrise in der Gewerkschaft. Doch die „Situation in unserem Land lässt das nicht zu“. Wenn die Tarifparteien in der aktuellen schwierigen wirtschaftlichen Lange „den Anforderungen nicht gerecht werden, dann verlieren wir unsere Existenzberechtigung“, sagte der Metallerpräsident.

Am 27. November beschließt der Vorstand der Gewerkschaft endgültig die Forderung. Bislang gibt es eine Empfehlung für „bis zu vier Prozent“. Im Dezember beginnen dann in den einzelnen Bezirken die Verhandlungen. In Baden-Württemberg, wo zumeist der Pilotabschluss ausgehandelt wird, treffen sich die Tarifparteien am 15. Dezember zum ersten Mal. Der dortige Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Otmar Zwiebelhofer, äußerte in den „Stuttgarter Nachrichten“ die Befürchtung, dass immer mehr reguläre Beschäftigungsverhältnisse durch Leiharbeiter ersetzt würden, wenn es keine Öffnungsklausel gebe. „Öffnungsklauseln für Vereinbarungen zwischen Betriebsräten und Geschäftsführung sind das essenzielle Thema der kommenden Tarifrunde.“

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