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Wirtschaft: Arbeitsmarkt: "Der Staat muss Arbeitslose unter Druck setzen" - Arbeitsmarkt-Experte Franz über eine bessere Beschäftigungspolitik

Wolfgang Franz ist Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Von 1994 bis 1999 gehörte er dem Sachverständigenrat ("Fünf Weise") an.

Wolfgang Franz ist Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Von 1994 bis 1999 gehörte er dem Sachverständigenrat ("Fünf Weise") an.

Herr Franz, die deutsche Arbeitsmarktpolitik ist angesichts vieler Millionen Jobsuchender offensichtlich nicht besonders erfolgreich. Gibt es keine besseren Alternativen?

Doch. Statt nur aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, bei der die Bundesanstalt für Arbeit versucht, mit Weiterbildung und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen den Beschäftigungslosen wieder einen Job zu verschaffen, brauchen wir eine mehr aktivierende Arbeitsmarktpolitik. Die könnte dafür sorgen, dass die Anreize und die Bereitschaft steigen, eine Arbeit aufzunehmen.

Andere Länder, Großbritannien beispielsweise, setzten dieses Instrument schon seit Jahren ein. In Deutschland hingegen riskieren Politiker, die laut über eine Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln für einen Arbeitslosen nachdenken, Prügel von den Gewerkschaften. Will niemand die Arbeitslosigkeit ernsthaft reduzieren?

Doch, und zugleich ist die Solidarität mit Arbeitsunwilligen recht begrenzt. Die Frage ist aber, wann Arbeitsunwilligkeit beginnt und wie man sie dem Betreffenden nachweisen kann. Ob eine Arbeit zumutbar ist, hängt davon ab, welche Lohndifferenz zum vorhergehenden Arbeitsplatz der Arbeitslose akzeptieren und wie hoch seine Bereitschaft zur Mobilität sein muss - darüber muss die Politik entscheiden.

Aber wie soll man messen, ob jemand arbeitsunwillig ist oder ob er einfach nur keine Chance auf dem Arbeitsmarkt hat?

Am besten natürlich mit Hilfe eines angebotenen Arbeitsplatzes, aber dies geht häufig nicht und dann beginnt eine Grauzone. Bei begründeter Vermutung einer Arbeitsunwilligkeit könnte man die Beweislast statt dessen umkehren: Der Arbeitslose muss belegen, dass er tatsächlich wieder ins Berufsleben zurückkehren will - indem er Bewerbungen oder Weiterbildungskurse nachweist und damit zeigt, dass er unbedingt arbeiten will. Schafft er dies nicht, werden seine Bezüge spürbar gekürzt.

Die Behörden können aber schon jetzt offensichtlich Arbeitsunwilligen die Bezüge kürzen. Sind die deutschen Arbeitsämter dabei zu zögerlich?

Nicht unbedingt - ein Arbeitsvermittler muss einem Beschäftigungslosen gerichtsfähig nachweisen, dass er arbeitsunwillig ist. Das ist sehr schwer.

Wenn der Staat den Druck erhöht, müssen auch genügend Arbeitsplätze für alle Jobsuchenden zur Verfügung stehen. Ist das derzeit der Fall?

Nein, nicht für alle. Es gibt rund 500 000 gemeldete offene Stellen, hinzu kommen rund eine Million bei den Ämtern nicht gemeldete Jobs - diese 1,5 Millionen freien Arbeitsplätze sind für 3,8 Millionen Arbeitslose zu wenig. Das Problem ist aber, dass nicht alle Arbeitslosen für die offenen Stellen ausreichend qualifiziert sind.

Die Möglichkeiten der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik sind also begrenzt?

Sie ist kein Allheilmittel und müsste flankiert werden von Lohnzurückhaltung von Seiten der Arbeitnehmer und einer Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitsmarktes. Denn die Zahl der Arbeitsplätze ist nicht gottgegeben, durch eine bessere Wirtschaftspolitik ließe sie sich erhöhen.

Die Bundesregierung will mit dem so genannten Job-Aktiv-Gesetz einen zaghaften Schritt in Richtung aktivierende Arbeitsmarktpolitik gehen. Was halten Sie davon?

Damit ist die Regierung auf dem richtigen Weg. Das Prinzip, dass der Staat die Arbeitslosen unterstützt, dafür aber auch Gegenleistungen verlangen und Druck machen kann, ist gut. Dänemark und Großbritannien wenden das seit Jahren an. Neue Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sollte sich die Koalition jedoch nicht ausdenken. Der Erfolg von ABM und Fortbildung ist sehr begrenzt, das zeigen viele wissenschaftliche Studien.

Herr Franz[die deutsche Arbeitsmarktpolitik ist a]

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