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Arbeitsmarkt: Die Guten werden abgeworben

Der Fachkräftemangel bereitet der IT-Wirtschaft große Probleme. Ein Gipfeltreffen soll Lösungen bringen.

Düsseldorf - Bernd Völcker muss künftig ohne einen seiner besten Mitarbeiter auskommen. Gerade erst hat der Vorstand des Berliner Software-Unternehmens Infopark den Entwickler verabschiedet, den es nach München gezogen hat. Nun schaut sich Völcker nach Ersatz um. „Die Suche wird immer schwieriger“, sagt er.

Wie Infopark stöhnen die meisten Berliner Firmen aus der Informationstechnologiebranche über den akuten Mangel an Fachkräften. Im Raum Berlin dürften es 2000 sein, schätzt der Verband der Software-, Informations- und Kommunikationsindustrie in Berlin und Brandenburg (SIBB). Die guten Leute werden oft von Unternehmen aus Süddeutschland abgeworben, wo das Gehaltsniveau etwa 20 bis 30 Prozent höher ist und schon nach wenigen Berufsjahren laut Branchenkennern ein Jahresgehalt von 100 000 Euro winkt.

Bundesweit gibt es 43 000 offene Stellen für IT-Fachleute, rechnete vergangene Woche der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) vor. Nicht besetzte Arbeitsplätze kosteten die Industrie in diesem Jahr rund eine Milliarde Euro, erklärte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. Auch die Bundesregierung spricht von einem Problem für die immer bedeutendere Branche. „Ein Prozent Nicht-Wachstum ist dem Fachkräftemangel geschuldet“, sagt Wirtschaftsstaatssekretär Hartmut Schauerte.

Am Montag suchen die Teilnehmer des von der Bundesregierung initiierten IT-Gipfels in Hannover (siehe Kasten) auch nach Möglichkeiten, den Engpass zu beseitigen. Vorschläge liegen bereits auf dem Tisch. „Die Hochschulen müssen die Studienanfänger besser betreuen“, sagte Scheer mit Blick auf eine Abbrecherquote von 50 Prozent im Fach Informatik. Auch sollten Lehrer schon Grundschüler stärker für Mathematik und Naturwissenschaften begeistern.

Weil dies alles aber erst in ein paar Jahren Früchte trägt, will die Branche auch die Zuwanderung von Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern erleichtern. Man halte den Zuzug von jährlich 10 000 Computerspezialisten mit Hochschulabschluss aus dem Ausland für nötig, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder dem Tagesspiegel. „Diese Einwanderer müssten dann aber auf jeden Fall eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung bekommen.“ Die von der rot-grünen Regierung eingeführte und wenig nachgefragte Green Card sah dagegen nur eine maximale Arbeitserlaubnis von fünf Jahren vor.

Zudem soll nach Vorstellung von Bitkom der bislang gültige Mindestverdienst für ausländische Fachkräfte von 85500 Euro ebenso wegfallen wie die Verpflichtung für Selbstständige, vom Start weg fünf Mitarbeiter einzustellen. „Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, dass wir von Informatikermassen überflutet werden – denn sie sind weltweit gesucht und umworben. Wir müssen uns anstrengen und Deutschland als Lebens- und Arbeitsmittelpunkt für Menschen innerhalb und außerhalb der EU attraktiv machen“, sagte Rohleder.

In der Politik gibt es jedoch Widerstände – gerade erst hat der neue Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) im Bundestag erklärt, zunächst müssten die inländischen Arbeitslosen Jobs bekommen. Das ist jedoch ohne jahrelange Umschulung kaum möglich. Die branchenspezifische Arbeitslosigkeit liegt bei nur 2,2 Prozent.

Auch die Berliner IT-Unternehmen setzen daher auf den erleichterten Zuzug von Ausländern. Bis sich das Arbeitskräfteangebot vergrößert hat, erhöht Infopark-Vorstand Völcker aber zunächst seine Aufwendungen für die Rekrutierung. „Früher haben wir gut 2000 Euro für die Werbung eines Mitarbeiters veranschlagt, heute sind es 5000.“ Die Firma ist auf Messen präsent, spricht Absolventen direkt an und sucht auf Kontaktplattformen wie Xing nach Kandidaten. Öfter als einen Diplomanden für ein Trainee-Programm zu gewinnen gelingt es, den Mitarbeiter einer anderen Firma abzuwerben. „Volkswirtschaftlich bringt das natürlich wenig“, sagt Völcker. Denn dann steht der Konkurrent vor demselben Problem.

Nils-Viktor Sorge

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