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Streik bei der Lufthansa: Auch am Berliner Flughafen Tegel wurden viele Flüge gestrichen.

© dpa

Arbeitsniederlegung: Lufthansa-Streik - die Berliner bleiben cool

Mit ihrem Streik haben die Lufthansa-Piloten den Betrieb an mehreren deutschen Flughäfen weitgehend lahmgelegt. Doch das befürchtete Verkehrschaos blieb aus. Und die Berliner nahmen's gelassen.

Dunkelblaue Uniform, weißes Hemd oder Bluse, dunkle Krawatte, die Herren die klassische Pilotenmütze auf dem Kopf und die standesgemäße Piloten-Sonnenbrille auf der Nase: Es ist eine seriöse, fast elegante Gemeinschaft, die sich am Mittwochvormittag vor der Zentrale der Lufthansa in Frankfurt am Main versammelt hat. In scharfem Kontrast stehen die Buttons an den Revers der rund 400 Pilotinnen und Piloten: „Nonstop Profit“ steht darauf. Dazu halten die Streikenden Plakate in die Höhe, die eher an Klassenkampf oder eine Demo von Kapitalismus-Kritikern erinnern. „Bilanz gecheckt, Rendite entdeckt, Dividende perfekt – Eure Gier frisst unsere Renten“ ist da zu lesen.

Mit ihrem Streik haben die Lufthansa- Piloten am ersten Tag ihres Ausstandes den Betrieb an mehreren deutschen Flughäfen weitgehend lahmgelegt. Neun von zehn Flügen wurden gestrichen. Insgesamt sollen über 400 000 Fluggäste vom größten Ausstand in der Geschichte der Lufthansa betroffen sein.

Streik bei der Lufthansa: Gähnende Leere am Flughafen Tegel

Um so überraschender ist es, dass das erwartete Verkehrschaos ausblieb. So herrschte an den Terminals am Berliner Flughafen Tegel am Mittwoch gähnende Leere. Normalerweise heben hier jeden Tag 77 Maschinen der Lufthansa und der Tochter-Airline Germanwings ab. Etwas mehr Betrieb war dafür an den Infoschaltern der Lufthansa. Gestrandete Fluggäste konnten sich hier nach Alternativen zu abgesagten Flügen erkundigen. Soweit es die Kapazitäten erlaubten, wurden Umbuchungen auf alternative Flüge anderer Airlines wie Air Berlin oder Iberia sowie Bahnfahrten ermöglicht. Allerdings hatten sich die meisten deutschen Lufthansa-Passagiere bereits im Vorfeld des Streiks informiert und waren gar nicht erst zum Flughafen gekommen.

Manch einen ausländischen Fluggast erwischte der Streik dagegen kalt. Die spanische Meeresbiologin Laura Muriel beispielsweise wollte am Mittwochvormittag mit der Lufthansa von Berlin nach Bilbao und von dort weiter nach Sevilla fliegen. Dass ihr Flug gestrichen wurde, erfuhr die 24-Jährige erst in Tegel. Nun wird sie Berlin erst am Samstag verlassen: Auf die Schnelle fand sich für sie kein passender Ersatzflug. „An sich ist das nicht weiter dramatisch“, sagt die Spanierin. „Allerdings muss ich nun die Kosten für den neuen Anschlussflug selbst bezahlen und schaffe es nicht zu einem Termin am Donnerstag.“

Am Berliner Hauptbahnhof war die Lage trotz des Pilotenstreiks entspannt: Es gab weder lange Warteschlangen im Reisezentrum noch überfüllte Züge, obwohl zahlreiche Inlands-Fluggäste ihr Flugticket gegen eine Bahnfahrkarte eintauschten. Nur die ICE-Sprinter am frühen Morgen, die die Strecke Berlin– Frankfurt in dreieinhalb Stunden schaffen, seien streikbedingt voller als sonst gewesen, berichtete das Bahnpersonal.

"Niemand war unvorbereitet"

Und mancher Reisende musste wegen des Streiks zum Teil erhebliche Einschränkungen hinnehmen. Der Berliner Geschäftsmann Dirk Brennsel zum Beispiel musste wegen des Pilotenausstands wie viele seiner Kollegen mehrere Termine nach hinten verschieben, weil er vom Flugzeug auf die Bahn ausweichen musste und dadurch mit Verspätung sein Ziel Frankfurt am Main erreichte.

Gerhard Lein aus Karlsruhe sah den Streik dagegen gelassener. Der 62-Jährige hielt in Berlin einen Vortrag und wollte auch von Tegel aus nach Frankfurt fliegen. Da die Arbeitsniederlegung der Piloten schon vor knapp einer Woche angekündigt worden war, kaufte sich Lein ein ICE-Ticket nach Frankfurt und stornierte seinen Lufthansaflug. Zwar hatte er dadurch einen höheren Aufwand, konnte jedoch sein Ziel mit einem frühen Zug noch rechtzeitig erreichen: „Niemand war unvorbereitet, daher konnte jeder auf den Streik reagieren“, sagt Lein.

Während es an den Flughäfen und Bahnhöfen vergleichsweise ruhig blieb, hatten die Lufthansa-Mitarbeiter an der Servicehotline gut zu tun. Sie brach zeitweilig zusammen – und das, obwohl die Airline zusätzliches Personal eingesetzt hatte, um den Andrang zu bewältigen.

Schon jetzt ist klar, dass der Streik der rund 5400 Piloten für die Lufthansa mit erheblichen Kosten verbunden sein wird: Analysten rechnen mit einem Betrag von bis zu 50 Millionen Euro. Dabei sei der zwangsläufige Imageverlust für das Unternehmen noch nicht eingerechnet, hieß es. Nach Einschätzung von Markenexperte Brad Doble von der Beraterfirma Lambie-Nairn werden Fluggäste künftig zwei Mal überlegen, bevor sie bei der Lufthansa buchen. „Sie können nicht einfach die Flüge von mehr als 400 000 Menschen streichen und davon ausgehen, dass das die Marke nicht treffen wird“, sagte Doble.

K. Fiedler[R. Obertreis], S. Kramer[R. Obertreis], J. Schilling

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