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ARCANDOR: Was mit der Großaktionärin und dem Unternehmen jetzt passiert

Sie sind reich und bevorzugen die Diskretion. Doch die Wucht der Ereignisse zwingt Madeleine Schickedanz in die Öffentlichkeit. Ein Schock, den die Arcandor-Großaktionärin mit Maria-Elisabeth Schaeffler und Susanne Klatten teilt.

Von Andreas Oswald

Berlin - Worte können sehr weh tun. Als Madeleine Schickedanz am Dienstag vor den Scherben ihres Konzerns stand, der in die Insolvenz ging, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Uns waren die Zusagen der Gläubiger und Eigentümer absolut nicht genug, um sich für Arcandor zu engagieren.“ So gut die Gründe sind, die gegen eine Staatshilfe sprechen, es ist der Ton, der Schickedanz wehgetan haben muss. „Die Watsche ist schallend, und sie knallt in aller Öffentlichkeit“, schrieb die „Financial Times Deutschland“. Madeleine Schickedanz erlitt an diesem Tag einen Zusammenbruch und wurde auf die Intensivstation gebracht.

Inzwischen ist sie wieder zu Hause. Der Schock der Ereignisse, der Schock, plötzlich an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, er muss für diese Frau, die stets konsequent ein zurückgezogenes Leben geführt hat, zerstörerisch sein. Es ist ein Schock, den sie noch mit zwei anderen Frauen, Maria-Elisabeth Schaeffler und Susanne Klatten teilt.

Madeleine Schickedanz hatte vor ihrem Zusammenbruch etwas für sie sehr Ungewöhnliches getan. Sie gab eine öffentliche Erklärung ab: „Ich habe mich mit meinem ganzen Vermögen engagiert und damit weit über jedes vertretbare Maß ins Risiko begeben.“ Die Reaktionen vieler Medien auf diesen Satz waren ziemlich ungnädig. Eine Konzernherrin, die ihr ganzes Vermögen zur Rettung des Familienerbes einsetzt? Das Selbstbild dieser Frau entsprach nicht dem Bild, das sich die Öffentlichkeit in den letzten Monaten von Konzernlenkern gemacht hat. Fast scheint es so, dass jetzt ausgerechnet diese Frau die öffentliche Wut abbekommt, die sich im Zuge der nicht enden wollenden Nachrichten über gierige, unersättliche und anmaßende Banker angestaut hat.

Madeleine Schickedanz ist Opfer zusätzlicher Häme. Genüsslich breiten die Blätter aus, dass sie mit 22 Jahren ihr Betriebwirtschaftsstudium abgebrochen hat. Kann die Frau mit Geld umgehen? Das ist die Frage, die im Raum steht. Offensichtlich kann sie das nicht, warum sonst ist Karstadt-Quelle seit Jahren in der Krise?

An diesen Fakten gibt es nichts zu rütteln. Auch nichts an der Verantwortung von Madeleine Schickedanz am Niedergang eines Familienkonzerns, der wie kaum ein anderer für den Wirtschaftsaufschwung im Nachkriegsdeutschland steht. Aber es gibt noch andere Fakten. Sie machen sie nicht zur besseren Unternehmerin, rücken aber das Bild ihrer Persönlichkeit gerade. Noch im Jahr 2007 schätzte das Magazin „Forbes“ ihr Vermögen auf 5,5 Milliarden Dollar. Vor drei Monaten legte „Forbes“ eine neue Schätzung vor: eine Milliarde. Sie hat 2004 das Unternehmen mit einer Kapitalerhöhung gerettet, sie hat im Anschluss bei mehreren Rettungsversuchen große Teile ihres Vermögens entweder direkt verbrannt oder gewaltige Sicherungen hinterlegt. „Ich habe stets zum Unternehmen gestanden und auch in schwierigsten Zeiten die Treue gehalten“, sagt sie. Und noch etwas ist wichtig: Sie hat stets die Führung des Konzerns Männern überlassen, denen sie die Treue hielt, zuletzt Thomas Middelhoff. Sich auf Männer zu verlassen, das zeigt ihr Beispiel, kann ein großer Fehler sein.

Die Erfahrung hat auch Susanne Klatten gemacht. Die scheue Milliardärin und Großaktionärin von BMW, deren Vermögen Anfang 2008 noch auf neun Milliarden Euro geschätzt wurde, wurde im vergangenen Jahr Opfer eines Gigolos. Sie liebte den Kriminellen, der die verheiratete Mutter dreier Kinder mit delikaten Videoaufzeichnungen erpresste. Klatten, die als geborene Quandt zu einer der einflussreichsten deutschen Familien gehört, entscheidet sich tapfer für den Frontalangriff: Die „Königin der Diskretion“ zeigt den Erpresser an – und findet sich plötzlich in den Gazetten wieder. Dass sie nebenbei auch Milliarden durch den Wertverlust der BMW-Aktien verliert, gerät zur Nebensache.

Auch Maria-Elisabeth Schaeffler legte lange Wert auf Diskretion. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie das vom ihm geerbte Unternehmen zum zweitgrößten Wälzlagerhersteller der Welt aufgebaut – und sich den Ruf einer der mächtigsten und verschwiegensten Frauen Deutschlands erworben. Als das Magazin „Forbes“ sie und ihren Sohn Georg auf die Liste der 100 reichsten Menschen der Welt setzte, ärgerte sie das noch „wie die Pest“. Doch spätestens als Schaeffler 2008 die Fühler nach dem dreimal größeren Dax-Konzern Continental ausstreckt und damit die Übernahmeschlacht des Jahres anzettelt, ist es mit der Diskretion endgültig vorbei. Sie steht im Rampenlicht – auch noch, als das Vorhaben wegen der Wirtschaftskrise dramatisch zu scheitern droht. Als Tausende Mitarbeiter im Februar für das Unternehmen auf die Straße gehen und Staatshilfen fordern, sieht man die Chefin, von der lange kaum ein Foto existierte, zu Tränen gerührt. Auch Scheitern kann sehr weh tun.

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