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Wirtschaft: Auf der Stelle getreten

Trotz Fortschritten scheitern die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Bundesländer/Verdi attackiert Arbeitgeber

Berlin - Mit Empörung hat der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, das Scheitern der Tarifverhandlungen mit den Bundesländern kommentiert. „Die Arbeitgeber wollen aktiv die Arbeitslosenzahl in die Höhe treiben“, attackierte der Gewerkschafter die Strategie einiger westdeutscher Landesregierungen, die Arbeitszeit der öffentlich Bediensteten zu erhöhen. An diesem Punkt waren die Verhandlungen in der Nacht zum Montag geplatzt. Der schleswig-holsteinische Finanzminister Ralf Stegner (SPD), Mitglied der Verhandlungskommission, bedauerte das Scheitern. „Wir hatten deutliche Bewegung.“ Konkret seien sich die Parteien bei der Einstufung von Wissenschaftlern sowie der Lehrer in Ostdeutschland nahezu einig gewesen. Sogar in der umstrittenen Arbeitszeitfrage habe es „Fortschritte“ gegeben.

Dass es dennoch zu keiner Einigung kam, habe am Verhandlungsführer der Länder, dem niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) gelegen, sagte Bsirske. Auch in Arbeitgeberkreisen war die Einschätzung zu hören, dass Stegner und sein sächsischer Kollege Horst Metz (CDU) ohne Möllring eine Einigung erreicht hätten. Dieser wiederum warf Verdi vor, „es bewusst auf ein Scheitern“ angelegt zu haben. Auch der nordrhein-westfälische Finanzminister Jochen Dieckmann (SPD), der nicht an den Verhandlungen teilnahm, machte die Gewerkschaft für den Abbruch verantwortlich. Der Verdi-Chef prophezeite den Arbeitgebern „unzufriedene und demotivierte“ Mitarbeiter. „Man kann heute eine große Dienstleistungseinrichtung wie eine Verwaltung nicht führen wie einen Gutshof“, warf Bsirske den Arbeitgebern vor. Er kündigte für die nächste Zeit „Aktionen in einer ganzen Reihe von Ländern“ an. Verdi werde mit denen verhandeln, „die an einer Lösung interessiert sind“. Ob die Gewerkschaft dann im Ergebnis Tarifverträge mit einzelnen Ländern abschließen wird, ließ Bsirske offen. „Wir wollen am liebsten mit der TdL (Tarifgemeinschaft deutscher Länder) eine Gesamtlösung, aber wir schlagen einzelnen Ländern nicht die Tür zu“. Es gilt indes als wahrscheinlich, dass die TdL, der bis auf Berlin und Hessen alle Bundesländer angehören, erledigt wäre, wenn mit einzelnen Ländern Vereinbarungen getroffen würden.

Von Anfang an waren die Verhandlungen zwischen Verdi und der Tarifunion des Beamtenbundes (dbb) auf der einen sowie den Bundesländern auf der anderen Seite durch den Streit um die Arbeitszeit belastet, da einige westdeutsche Länder neu eingestellte Beschäftigte bis zu 42 Stunden arbeiten lassen wollen. Verdi beharrt aber auf der 38,5-Stunden-Woche, die im Westen für die Arbeiter und Angestellten von Bund und Kommunen gilt. Im Osten beträgt die Arbeitszeit 40 Stunden. Dem Kieler Finanzminister Stegner zufolge kam es aber auch in diesem Punkt zu einer Annäherung. „Bundesländer, die die 38,5 Stunden nicht wollen, sollten ein Sonderkündigungsrecht in Anspruch nehmen können und versuchen, eine längere Arbeitszeit mit Verdi zu erreichen“, sagte Stegner dem Tagesspiegel.

Schwierig sei die Frage gewesen, was man mit den Beschäftigten macht, die bereits länger als 38,5 Stunden arbeiten. Verdi hatte angeboten, die Arbeitszeit dieses Personenkreises in Stufen so zu reduzieren, dass mit dem Ende 2007 alle Beschäftigten wieder 38,5 Stunden arbeiten. Diese Idee bezeichnete Stegner als „im konkreten Detail nicht optimal, aber im Grundsatz kann man sich einigen“. Aber, so der Kieler Finanzminister, „ich sehe auf beiden Seiten auch Kräfte, die eine Einigung nicht wollen“. Er bekräftigte das Angebot der Länder, in der Woche nach Pfingsten die Verhandlungen fortzusetzen und warnte vor einem Arbeitskampf parallel zum Wahlkampf in NRW. „Je stärker die Parteipolitik eine Rolle spielt, desto schwieriger wird eine Einigung.“ Stegner appellierte mit einem Wort Herbert Wehners an die Gewerkschaften zur Rückkehr an den Verhandlungstisch. „Wer rausgeht, muss wieder reinkommen.“

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