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Wirtschaft: Aufschwung ohne Ende

Deutsche Firmen rechnen mit noch besseren Geschäften – und höheren Preisen

Berlin - Ein Ende des unerwartet kräftigen Wachstums in Deutschland ist nicht in Sicht. Die Unternehmen wollen so viel investieren wie noch nie, zugleich planen fast alle Branchen, ihr Personal aufzustocken. Das geht aus einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unter 24 000 Unternehmen hervor. „Die Wirtschaft läuft auch in diesem Jahr auf vollen Touren“, sagte Verbandschef Martin Wansleben am Mittwoch in Berlin. Er hob die Wachstumsprognose für dieses Jahr um 0,5 Punkte auf 3,5 Prozent an. Die Industrieländer-Organisation OECD erwartet in ihrer neuen Schätzung 3,4 Prozent in diesem und 2,3 Prozent im nächsten Jahr. Allerdings drücken die rasch steigenden Preise die Stimmung der Verbraucher.

„Die Wirtschaft hat die Krise hinter sich gelassen. Die Unternehmen beurteilen ihre Geschäftslage sogar etwas besser als zum Höhepunkt des Booms 2007“, sagte Wansleben. Zum einen seien Waren aus deutscher Produktion im Ausland weiterhin begehrt. Zum anderen stärke der Investitionsboom die Binnennachfrage. Die Aufholjagd nach der Krise habe sich damit ebenso schnell vollzogen wie der Absturz vom Konjunktur-Höhepunkt zwischen Mitte 2007 und Mitte 2008.

Die Unternehmen sehen vorerst kein Ende der starken Nachfrage. Ein Drittel rechnet mit noch besseren Geschäften in den kommenden Monaten, nur ein knappes Zehntel mit schlechteren. Dabei übernehme die Binnenwirtschaft mehr und mehr die Funktion der Konjunkturstütze, als die bislang das Exportgeschäft galt. Das hat Folgen für die Beschäftigung: Der DIHK rechnet im Jahresdurchschnitt mit nur noch 2,8 Millionen Arbeitslosen – im Herbst werde es sogar Monate mit nur noch 2,3 Millionen Jobsuchenden geben, sagte der Hauptgeschäftsführer.

In den Regionen unterscheiden sich die Pläne und Erwartungen der Unternehmen stark. So ist die Zuversicht im exportstarken Süden sehr viel deutlicher ausgeprägt als im Osten. Bei den Beschäftigungsplänen indes melden die Kammern in den neuen Ländern Zahlen, die sich dem Bundesschnitt annähern.

Treffen die Prognosen zu, erlebt die Bundesrepublik derzeit den stärksten Konjunkturzyklus seit der Vereinigung. Wachstumsraten von mehr als drei Prozent in zwei aufeinander folgenden Jahren gab es zuletzt im Wende-Boom 1990/91. Eine Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft unter gut 2300 Firmen hatte kürzlich ähnliche Ergebnisse gebracht wie nun die DIHK-Studie – demnach plant jeder zweite Unternehmer in diesem Jahr Einstellungen.

Mit Sorge blickt die Wirtschaft allerdings auf die steigenden Preise für Energie und Rohstoffe. „Sie werden zum Konjunkturrisiko Nummer eins“, warnte Wansleben. Vor allem in den Branchen Schifffahrt, Gummi, Kunststoffe, Nahrung und Metallerzeugung sei dies ein Thema. Im April war die Inflationsrate in Deutschland auf 2,4 Prozent gestiegen, vor allem Sprit und Lebensmittel wurden teurer. Der Trend zeigt weiter nach oben.

Die Verbraucher sind angesichts der Preisentwicklung und der Schuldenkrise spürbar verstimmt. Das von der Nürnberger Firma GfK per Umfrage ermittelte Konsumklima fiel für Juni den dritten Monat in Folge – von 5,7 auf 5,5 Punkte. Damit markiert es den niedrigsten Stand in diesem Jahr. Viele Haushalte stellten sich auf sinkende Einkommen ein, hieß es am Mittwoch. Das Geld für größere Anschaffungen sitze nicht mehr so locker, auch wegen der Angst der Bürger um ihre Kaufkraft. Allerdings ist der private Konsum in den vergangenen fünf Quartalen beständig gestiegen. „Der private Konsum hat sich zu einer zuverlässigen Stütze des Aufschwungs entwickelt“, sagte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) mit Blick auf die steigende Beschäftigung. „Die Aussichten sind gut, dass dies auch im weiteren Jahresverlauf so bleibt.“ Carsten Brzeski von der Bank ING ist skeptischer. „Inflation ist wahrscheinlich die größte Bedrohung für die deutsche Wirtschaft“, findet er.

In Sachen Inflationsbekämpfung steckt die Zentralbank allerdings in einer Zwickmühle: Höhere Leitzinsen, die das Wachstum in Deutschland abbremsen würden, dürften den Schuldenstaaten im Süden und Norden des Kontinents zusätzliche Probleme bereiten. Ökonomen wie Christoph Weil von der Commerzbank sehen als mögliche Folge sogar eine Überhitzung der deutschen Konjunktur – mit bis an den Rand ausgelasteten Kapazitäten sowie rasch steigenden Preisen und Löhnen.

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