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Wirtschaft: Aus der Bahn geflogen

Der wohl größte Karussellbauer Deutschlands muss Insolvenz anmelden – und gibt trotzdem nicht auf

Bremen - Fast jeder hat ihre Produkte schon mal gesehen, viele haben sie bereits ausprobiert, aber kaum jemand kennt die Herstellerfirma: Die Bremer Maschinenfabrik Huss entwickelt und produziert Fahrgeschäfte für Jahrmärkte und Vergnügungsparks in aller Welt. Jetzt ist das Unternehmen pleite, und das Bremer Amtsgericht hat ein vorläufiges Insolvenzverfahren eingeleitet.

Der wohl größte Karussellbauer Deutschlands und einer der weltweiten Marktführer hat Kirmesklassiker wie „Breakdance“, „Top Spin“ oder „Frisbee“ entwickelt, insgesamt knapp 50 verschiedene Modelle. Gegründet wurde Huss 1919, damals lieferte die Maschinenfabrik zunächst nur Schiffsausrüstungen. Erst 1969 stieg sie auf Karussells um. Die Produktion ist anspruchsvoll: Einzelanfertigung auf Bestellung. Manche Modelle werden laut Betriebsrat nur drei- oder viermal gebaut.

Aber da den Kirmesbesuchern das Geld nicht mehr so locker sitzt wie einst, tun sich die deutschen Schausteller seit Jahren schwer damit, neue, teure Karussells zu ordern. Huss steuerte gegen, indem die Firma ihre Montage nach und nach ins kostengünstigere Budapest verlegte und sich außerdem auf den Bau von Anlagen für Freizeitparks konzentrierte, vor allem in China und den USA.

Dennoch geriet Huss mit seinen 280 Beschäftigten in die Krise. Nach Angaben der Industriegewerkschaft Metall schrumpfte der Umsatz 2005 im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte. Zudem leide die Firma unter Altlasten: Weil die Kauflust der deutschen Schausteller zurückgegangen sei, habe Huss die Vermietung im Leasing-Verfahren angeboten – und dadurch manches Karussell bald wieder zurücknehmen müssen.

Als Retter kam die zur Certina-Holding gehörende Krupp Stahlbau Hannover (KSH) ins Gespräch, die die Firma übernehmen und weiter sanieren wollte. IG Metall und Betriebsrat akzeptierten, dass Urlaubs- und Weihnachtsgelder gestrichen wurden und neun von gut 40 Beschäftigten in der Bremer Zentrale die Kündigung erhielten. Auch in der Produktion in Budapest sei „drastisch reduziert“ worden, heißt es beim Bremer Betriebsrat. IG-Metall-Sekretär Jürgen Kandulla: „Alle Hausaufgaben auf unserer Seite haben wir gemacht.“

Doch die geplante Übernahme durch KSH ist mittlerweile geplatzt. „Es hat gedauert und gedauert, und dann hieß es: kein Interesse mehr“, erzählt der stellvertretende Huss-Betriebsratschef Thomas Müller. KSH-Geschäftsführer Jürgen Mitsch sagte dazu am Mittwoch dem Tagesspiegel: „Wir hätten so hohe finanzielle Risiken übernehmen müssen, die eventuell auch KSH massiv in Mitleidenschaft gezogen hätten.“

Am Ende sah Huss nur noch den Weg ins vorläufige Insolvenzverfahren. Doch noch besteht Hoffnung: „Insolvenzverwalter, Geschäftsleitung und Investoren führen zurzeit Gespräche, um die Arbeitsplätze, die Produkte und die Marke Huss zu erhalten“, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Auftragslage sei „mittlerweile gut“. Und die Geschäftsführer haben bereits eine neue Firma gegründet: Huss Park Attractions. Der englische Name deutet darauf hin, dass die Bremer ihr künftiges Glück wohl noch stärker als bisher in ausländischen Freizeitparks suchen wollen.

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