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Yogaübung. Der herabschauende Hund.

© picture-alliance/ dpa

Ausbildung zum Yogalehrer: Auf der Matte

Es gab noch nie so viele Yogalehrer wie heute. Immer mehr Quereinsteiger machen ihre Passion zum Beruf. Die Nachfrage ist da. Trotzdem ist es nicht leicht, sich zu etablieren

Handflächen auf den Boden legen, Arme, Beine und Rücken strecken, und den Po schön in die Luft recken: Der herabschauende Hund fiel Marlis Deeken anfangs ganz schön schwer. „Der herabschauende Hund heißt auch Adho Mukha Svanasana und ist eine sehr komplexe Yoga-Übung“, sagt Marlis Deeken. 2008 begann die damals 55-Jährige mit Yogastunden im dynamischen Hatha-Stil. Als die Projektassistentin bei der Stiftung Warentest damals das erste Mal den Po in die Luft streckte, hätte sie nicht gedacht, dass sie daraus mit fast 60 Jahren noch mal einen zweiten Beruf machen würde. „Nach einem Jahr Yogaunterricht habe ich mich entschlossen, eine Ausbildung zur Yogalehrerin zu machen. Ich habe mir gedacht: Wenn ich das mache, bleibe ich tatsächlich beim Yoga. Ich hatte gemerkt, dass Yoga mir sehr viel Spaß macht. Und ich wollte tiefer hineintauchen – in die Philosophie des Yoga und auch in meinen Körper.“ Inzwischen unterrichtet sie einmal pro Woche in dem Yoga-Studio in Berlin-Kreuzberg, in dem sie zum ersten Mal den herabschauenen Hund ausprobierte – und auch ihre Ausbildung machte. Ihre Arbeitszeit bei der Stiftung Warentest hat sie dafür reduziert.

In körpertherapeutischer Hinsicht arbeiten

Tiefer eintauchen ins Yoga – so beschreibt auch Bettina Richter (Name geändert) ihren Entschluss eine Ausbildung zur Yogalehrerin zu machen: „Nach dem Studium und erster Berufserfahrung im Verlagswesen wurde mir klar, dass ich eigentlich gern in körpertherapeutischer Hinsicht arbeiten möchte“, erzählt sie. „Deshalb habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht. Ich habe mir das langsam aufgebaut und die Ausbildung finanziert, indem ich trotzdem normal gearbeitet habe.“ Im Gegensatz zu der wesentlich älteren Marlis Deeken möchte die 33-jährige Kunsthistorikerin Bettina Richter daraus aber einen Vollzeitberuf machen.

Doch das klappt noch nicht so gut. Ihren richtigen Namen möchte sie zurzeit nicht in der Zeitung lesen, weil „meine berufliche Situation gerade ungeklärt ist und ich noch so einiges mit dem Arbeitsamt klären muss.“ Um sich als Yogalehrerin zu etablieren, sucht sie zurzeit erstmal einen Raum. Dann will sie sich ein „Stammklientel“ aufbauen. Vor einigen Monaten ist sie „der Liebe wegen“ aus einer kleineren Stadt in Süddeutschland nach Berlin gezogen und sagt, dass es gar nicht leicht ist, sich als Yogalehrerin zu etablieren – gerade weil Yoga immer beliebter wird: „Es gab noch nie so viele Yogalehrer wie jetzt“, sagt die 33-Jährige. „Es ist ein enormer Boom. Fast eine Art Schwemme. Aber es gibt auch eine große Nachfrage. Sonst würden es ja gar nicht so viele machen. Die Krankenkassen haben Yoga als Präventionsmaßnahme in ihr Programm aufgenommen. Und Yoga ist einfach Hip.“

Es gibt immer mehr Yogaschulen

Vor 20 Jahren hat sie mit 13 angefangen Sivananda-Yoga zu machen, einen der ersten Yoga-Stile, die überhaupt im Westen ankamen. „Damals wurde ich oft schief angeschaut, wenn ich von Sonnengrüßen und Atemübungen erzählt habe. Heute ist es das normalste der Welt, dass man schon mal auf der Yogamatte gesessen hat. Keiner wird mehr ausgelacht, wenn er sagt: Ich geh zum Yoga.“ In der Stadt in Süddeutschland, aus der sie kommt, habe es vor ein paar Jahren zwei Yogaschulen gegeben. Heute seien es sieben und und dazu gebe es noch viele freie Yogalehrer. „Und in Berlin gibt es eine Riesenyogalandschaft – hier ist es noch schwieriger, sich als Yogalehrerin zu etablieren“, sagt Bettina Richter.

Mehr als 15 Prozent der Deutschen praktizieren Yoga oder haben das schon mal in der Vergangenheit getan – vor allem Frauen. Weitere 16 Prozent können sich zumindest vorstellen, demnächst mal eine Yogastunde zu besuchen. Diese Zahlen hat der Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland (BDY) in diesem Jahr erhoben.

Persönliche Reife vorausgesetzt

Der BDY bietet in Zusammenarbeit mit rund 40 Yoga-Schulen in Deutschland, die ein Anerkennungsverfahren des Verbands durchlaufen haben, die mindestens vier Jahre dauernde nebenberufliche „Ausbildung zum/r Yogalehrer/-in BDY/EYU“ an. EYU bedeutet, das die Ausbildung „auf der Grundlage des Europäischen Basisprogramms der Europäischen Yoga-Union (EYU)“ beruht. Teilnehmer müssen einige Voraussetzungen erfüllen: „Ein Mindestalter von 25 Jahren, das eine gewisse persönliche Reife und eine weitgehend gefestigte Persönlichkeit erwarten lässt, gute Allgemeinbildung, Erfahrungen im Umgang mit Menschen, das heißt Offenheit für ihre Anliegen und die Bereitschaft, ihre individuelle Situation wahrzunehmen“, heißt es beim Verband. Hinzu kommt, dass man vorher mindestens drei Jahre Yoga praktiziert haben sollte.

Die Ausbildung umfasst 720 Unterrichtseinheiten in vier Jahren, zu den Inhalten gehören etwa Entspannung und Körperwahrnehmung, Meditation, Didaktik und Methodik, Stimme, Sprache, Kommunikation, Psychologie, Selbst- und Fremdwahrnehmung, Gesprächsführung und medizinische Grundlagen, etwa zu den Themen Bewegungsapparat, Herz-Kreislauf-System und Ausscheidungsorgane. Hinzu kommen Quellentexte des Yoga mit Sanskrit-Grundlagen, die Geschichte Indiens und die Beschäftigung mit Weltreligionen, Mystik, Spiritualität. Ganz unspirituell gibt es aber auch Unterrichtseinheiten zu Existenzgründung, Finanzplanung und Marketing.

Jede der Schulen, die zum Verband gehören, habe ihren eigenen Schwerpunkt oder folge einer bestimmten Yoga-Tradition. Dadurch würden sich die Ausbildungen voneinander unterscheiden, heißt es beim Verband. Grundsätzlich – also auch bei Schulen, die nicht zum Verband gehören – kommt es bei der Wahl der Ausbildungsstätte vor allem darauf an, dass die Ausbildung die medizinischen Grundlagen umfasst, also etwa Anatomiekurse Teil des Stundenplans sind.

Zusatzausbildung für Fitnesstrainer

Aber nicht alle entscheiden sich für eine klassische Yogalehrer-Ausbildung wie beim BDY. Auch das IST-Studieninstitut, das insgesamt rund 100 Weiterbildungen in vielen Berufsfeldern – vom „Senior Golfmanagement“ bis hin zum „Social Media Recruiting“ – anbietet, hat seit fünf Jahren eine Ausbildung zum Yogalehrer im Programm und profitiert vom Yoga-Boom. „Die Nachfrage ist da“, sagt Simon Kellerhoff vom Fachbereich Wellness und Gesundheit beim IST. „Wer die Ausbildung absolviert, hat gute Jobchancen, aber eher in der Selbstständigkeit. Yoga ist attraktiv. Der Markt entwickelt sich. Man kann Yoga für Senioren, Schwangere, Manager und in Fitnesstudios anbieten. Eigentlich findet Yoga heute überall statt.“ Der Hauptunterschied zu einer klassischen Yogaschule: „Wir haben die Ausbildung immer ohne esoterische Schiene angeboten – eher aus der Fitnessrichtung und in Richtung Poweryoga, weniger meditativ.“ Die Hälfte der Teilnehmer seien Fitnesstrainer, Physiotherapeuten und Personaltrainer, die Yoga als Zusatzleistung anbieten wollten. „Die andere Hälfte sind klassische Quereinsteiger, die seit Jahren Yoga als Hobby betreiben. Die meisten von ihnen werden die Yogastunden wohl auf selbstständiger Basis ergänzend zu ihrem Beruf anbieten. Für sie liegt der Reiz darin, das Hobby zum Beruf zu machen.“ Bei dieser Gruppe der Teilnehmer liege der Altersschnitt um die 40. „Die Fitnesstrainer, die die Ausbildung ergänzend fürs Portfolio sehen, sind deutlich jünger.“ Die Ausbildung beim IST ist ebenfalls berufsbegleitend angelegt, als Fernunterricht mit Präsensphasen in einem Yogastudio bei Düsseldorf. In den  Unterrichtsheften geht es um Ayurveda und Anatomie.

Yoga kann man in jedem Alter machen

„Ich habe sehr viel Anatomie gelernt“, sagt auch Marlis Deeken über ihre zweijährige Ausbildung zur Yogalehrerin in der Kreuzberger Yogaschule. Ein Wochenende pro Monat war für den Lehrgang reserviert, dazu kamen schriftliche Arbeiten, Hausaufgaben, und Assistenz im Unterricht anderer Yogalehrer. „In der Zeit habe außerdem selbst sehr intensiv Yoga gemacht – jeden Tag.“ Das sei aber alles gut neben dem Beruf zu schaffen, „weil es sehr viel Spaß macht“, sagt Marlis Deeken. „Ich bin währenddessen im Berufsleben wie im Privatleben gelassener geworden.“ Und sehr fit. Der Herabschauende Hund macht ihr keinerlei Probleme mehr. Wenn sie mit 65 bei ihrem Vollzeitjob in Rente geht, will sie die Yogastunden auf jeden Fall weiterführen: „Yoga kann man in jedem Alter machen – selbst im Altenheim im Sitzen.“

Auch Bettina Richter fand es nicht anstrengend, die Yogalehrerausbildung neben dem Hauptberuf zu absolvieren: „ Weil man ständig etwas für seinen Körper tut, auch mental. Dadurch hat man eine ausgleichende Komponente zum stressigen Hauptjob.“ Weil ihr die Ausbildung so gut gefallen hat, will sie sich noch zur Yogatherapeutin weiterbilden: „Ich möchte noch fundierter darauf eingehen, was Menschen bei bestimmten Beschwerden aus dem Yoga anwenden können.“ So könnte sie in der „Riesenyogalandschaft“ eine Nische finden.

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