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© dpa

Auto-Industrie: Betriebsräte befürchten Opels Ende

Die Sanierung stockt, die Konkurrenz eilt Opel davon. Unternehmenschef Reilly spricht zwar von einem fertigen Rettungskonzept und Milliarden Euro aus öffentlicher Hand. Im Wirtschaftsministerium ist davon aber nichts bekannt.

Berlin - An diesem Montag ist in Rüsselsheim wieder Sprechstunde. Opel-Chef Nick Reilly trifft Vertreter des Betriebsrats zum … ja, was eigentlich? Gedankenaustausch? Zu Gesprächen? Verhandlungen? „Über was sollte da verhandelt werden?“, fragt Aufsichtsrat Armin Schild. Der Frankfurter IG-Metall-Chef zieht eine deprimierende Zwischenbilanz des nun schon 15 Monate dauernden Dramas: „Weniger Lösung war bei Opel nie.“

Seit Nick Reilly vor zehn Tagen die Schließung des belgischen Opel-Werks in Antwerpen mit 2600 Beschäftigten verkündet hat, ist das Verhältnis zu den Opelanern auf winterliche Temperaturen eingefroren. Ihren zugesagten Sanierungsbeitrag – jährlicher Lohnverzicht in Höhe von 265 Millionen – haben die Arbeitnehmer auf Eis gelegt. Er war ein Baustein von „New Opel“, dem neuen, vom alten Eigentümer General Motors (GM) geführten Automobilhersteller.

Glaubt man den Betriebsräten, droht Opel aber an die Wand zu fahren. „Das Unternehmen ist in einer dramatischen Situation“, sagt Armin Schild. Die Gefahr einer Insolvenz sei keineswegs gebannt.

Glaubt man Reilly, fehlen nur noch die Unterschriften unter das fertige Sanierungskonzept. In „zwei bis drei Wochen“ sei damit zu rechnen, verspricht er. Bis zu 2,7 Milliarden Euro will der Brite an öffentlichen Krediten oder Bürgschaften bei den Regierungen einwerben, die um die Zukunft der Opel-Werke in ihren Ländern fürchten. Das Konzept, das den Abbau von 8300 Stellen in Europa, davon 4000 in den vier deutschen Werken, vorsieht, werde bereits von den Verantwortlichen geprüft, ließ er wissen.

Im Berliner Bundeswirtschaftsministerium kann man dies nicht bestätigen. „Es liegt kein Konzept und kein Antrag vor“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. „Es werden derzeit keine Gespräche geführt.“ Ob überhaupt jemals wieder Gespräche mit der Bundesregierung geführt werden, ist ungewiss. Nach den langen Nächten im Kanzleramt im Sommer 2009, nach dem geplatzten Verkauf von Opel an das Magna-Konsortium und nach dem überraschend selbstbewussten Comeback des Alteigentümers GM, ist man in Berlin vorsichtig geworden.

Auch in den vier Bundesländern mit Opel-Werken (Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen) stoßen Reillys optimistische Ankündigungen auf Verwunderung. „Es gibt keinen neuen Sachstand“, heißt es etwa in Nordrhein-Westfalen. Tatsächlich ist derzeit keine Landesregierung bereit, GM finanziell unter die Arme zu greifen, solange der US-Konzern nicht mehr eigenes Geld für Opel in die Hand nimmt. „Die von GM zugesagten 600 bis 650 Millionen Euro reichen in keinem Fall aus“, erfuhr Jochen Homann, zuständiger Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, unlängst in einer Stellungnahme der Länder. Doch es geht nicht nur ums Geld. „Wir möchten erst mal ein Gesamtkonzept sehen“, heißt es in Thüringen. Im Moment sei alles noch ein „Fischen im Trüben“.

Diejenigen, die schon Einblick in die Überlegungen von GM nehmen konnten, machen den potenziellen Geldgebern wenig Hoffnung. „Der jüngste GM-Plan (Viability Plan VI) ist schlechter als alles, was Magna vorgelegt hatte“, sagt Armin Schild. Sein Appell an die Bundesregierung und die Länder: „Für diese Pläne darf es keine Staatshilfe geben.“ Wie auch Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz stößt sich Schild nicht ausschließlich am „überzogenen Stellenabbau“. Es sind die im GM-Plan fehlenden Zukunftsinvestitionen, die den Arbeitnehmern Sorgen bereiten.

Und die Kurzatmigkeit der Amerikaner. Während Magna einen für die Automobilindustrie üblichen Fünf-Jahres-Investitionsplan präsentiert hatte, denkt GM nur bis ins Jahr 2012. Budgets für die (von Reilly versprochene) Eroberung neuer Märkte – Fehlanzeige. Forschung und Entwicklung für neue Antriebe – Mangelware.

„GM muss sich zur Opel-Technik bekennen und diese globalisieren, so ähnlich wie Ford das bereits macht“, kritisiert auch Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft. Die Technik aus Deutschland hält er im Prinzip für gut, sie werde auch zunehmend für den US-Markt interessant. Aber wohl kaum unter dem Markennamen Opel, sondern als Chevrolet oder Buick. Andere Beobachter gehen mit den Opel-Ingenieuren härter ins Gericht. Während VW schon lange ein Doppelkupplungsgetriebe in Serie fertige und in den kommenden drei Jahren 800 Millionen Euro für neue Antriebe ausgeben wolle, fahre Opel den modernen Motoren der Wettbewerber – etwa BMW – fünf Jahre hinterher.

Zweifel bestehen, ob die GM-Rechnung aufgeht, dass die Opel-Sanierung „nur“ 3,3 Milliarden Euro kostet. Ratingagenturen kalkulieren mit Kosten von fünf bis sechs Milliarden. „Bis auf einen Rest von 250 bis 300 Millionen Euro gehen die 3,3 Milliarden vollständig für laufende Verluste und den Personalabbau drauf“, rechnet ein Insider vor. Allein die Schließung von Antwerpen verschlingt 500 Millionen Euro an Abfindungen und Auffangkosten, weitere 500 Millionen Euro sind verloren, weil die belgische Regierung Staatshilfe verweigert. „Die Milliarde könnte Opel anderswo gut gebrauchen“, sagt Armin Schild.

Um etwas mehr Licht in die GM-Pläne zu bringen, reist am Montag Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zu Gesprächen nach Washington, wo der GM-Eigentümer sitzt: die US-Regierung. Auf der Tagesordnung steht auch Opel. Doch womöglich ist Brüderle für „Government Motors“ zunächst gar nicht so wichtig. Interessanter könnte sein britischer Kollege Peter Mandelson sein. In Großbritannien, wo GM insgesamt 4500 Mitarbeiter beschäftigt, wird demnächst ein neues Parlament gewählt. Und Wahlkämpfe – das hat der Sommer 2009 in Deutschland gezeigt – sind eine ideale Kulisse, um für Opel Steuergeld locker zu machen.

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