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Promis für Opel. Der Schauspieler Armin Rohde (l.), Comedian Hennes Bender und andere Kulturschaffende gingen in Bochum auf die Straße.

© dapd

Autoindustrie: Angst um Opel im Revier

Die Zukunft des Opel-Werks in Bochum erschien bis 2016 gesichert, doch die Führungskrise beim Autobauer bringt neue Unruhe. Und die Opelaner sind sauer auf Dortmund.

Weil gute Nachrichten selten geworden sind, haben sich die Bochumer zu Beginn des Monats besonders gefreut. Ein Jubiläum wurde gefeiert: Vor 50 Jahren, am 2. Juli 1962, hatte Ministerpräsident Franz Meyers den Startschuss für den Bau der ersten Universität im Ruhrrevier gegeben. Generationen haben an der international geachteten Bildungsstätte mittlerweile ihre akademischen Abschlüsse gemacht und auf diese Weise dabei geholfen, dass die Region den Niedergang von Kohle und Stahl bewältigt hat. „Ihr bekommt die Uni, wir werden deutscher Fußballmeister“, kommentierten 1962 sarkastisch (und weitsichtig) die Dortmunder Reviernachbarn. Sie hätten ebenfalls gerne den Zuschlag für die Universität bekommen.

50 Jahre später haben die Dortmunder nicht nur im Fußball etwas zu feiern. Und das tut in Bochum gleich doppelt weh. Denn es geht diesmal auch um Opel. Ausgerechnet Opel. Während im Revier über die Schließung des Produktionswerks mit 4200 Beschäftigten debattiert wird, haben die Rüsselsheimer Automanager am Donnerstag verkündet, als Sponsor beim Deutschen Meister Borussia Dortmund einzusteigen. Der Deal mit dem erfolgreichen BVB soll Opel aus der Verliererecke holen – und die verheerend schlechten Nachrichten der vergangenen Tage vergessen machen.

Für die Bochumer eine Demütigung. „Ich finde, die sollten lieber den VfL unterstützen“, schimpft ein erboster Opelaner vor dem Werkstor, „außerdem bezahlen die das von der Lohnerhöhung, die sie uns als Sanierungsbeitrag vorenthalten“.

Im Gegenzug für einen Lohnverzicht der Arbeitnehmer hatte die Opel-Geschäftsführung dem gefährdeten Werk, wo die Modelle Zafira und Astra gebaut werden, zwei Jahre Gnadenfrist eingeräumt – bis Ende 2016. Doch diese Geschäftsführung gibt es nicht mehr. Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke musste vor zehn Tagen gehen. Der von General Motors (GM) installierte neue Chef, Thomas Sedran, ist auch nur eine Übergangslösung. Wie es mit der Sanierung des Unternehmens weitergehen soll, ist offen. Deshalb ist auch die Angst wieder da – vor allem in Bochum. Gelten die Zusagen noch? Oder wird das Opel-Werk nun doch früher geschlossen?

In der Bochumer Innenstadt sind die Reaktionen auf den Borussia-Deal denn auch gespalten. Allenfalls die eingefleischten BVB-Fans, die es auch in Bochum gibt, können der Zusammenarbeit etwas abgewinnen. „Da strahlt das positive Image des Deutschen Meisters auf die Automarke ab, die kann es gebrauchen“, heißt es. „Schön für Dortmund, schade für Bochum“, urteilt Kulturdezernent Michael Townsend.

Opel ist mehr als eine Automarke, Opel ist für Bochum ein Symbol der Hoffnung. 1962 wurde das Werk hinter der Universität auf einem alten Zechengelände gebaut. Damals hatten die Stadtväter die Hoffnung, mit dem Doppelschlag aus Universität und Autofabrik alle Sorgen hinter sich lassen zu können. Wie in den anderen Revierstädten starben die Zechen, sank die Zahl der Arbeitsplätze in den Stahlwerken – und plötzlich stellte Opel 20 000 neue Mitarbeiter ein.

„Wir feiern hier bald das zehnjährige Schließungsjubiläum“, sagt Betriebsrat Carsten Adametz. Trotzig fügt er hinzu, dass er hier noch 20 Jahre im grauen Opel-Kittel bis zur Rente schaffen will. Darauf würden viele andere nicht mehr wetten. Die Arbeitnehmer zahlen einen hohen Preis im Kampf um ihre Arbeitsplätze. Die IG Metall hat sich mit der Opel-Geschäftsführung auf eine Stundung der ausgehandelten Lohnerhöhung von 4,3 Prozent bis Ende Oktober geeinigt. Der Aufsichtsrat billigte Ende Juni einen entsprechenden Geschäftsplan, den sie bei Opel „Deutschlandplan“ nennen. Er sieht unter anderem „signifikante Investitionen“ in 23 neue Modelle, 13 neue Motoren und Getriebe bis 2016 vor.

Was Opel in der Krise helfen soll

Auch eine Exportstrategie soll für Opel entwickelt werden: China, Russland, Australien – große Pläne für ein Unternehmen, das nur einmal seit 1999 auf Jahressicht einen Gewinn erwirtschaftet hat. Auch 2012 droht wieder ein Milliardenverlust. Im ersten Halbjahr brachen die Absatzzahlen in Europa um 15 Prozent ein, der Marktanteil in Deutschland liegt aktuell bei nur noch 7,3 Prozent (siehe Grafik). 1995 waren es noch 17 Prozent.

Mit der Bestellung von Thomas Sedran werde keine der zwischen Opel und der IG Metall getroffenen Vereinbarungen infrage gestellt, betont Armin Schild, Opel-Aufsichtsrat und Leiter des IG-Metall-Bezirks Mitte. „Ganz im Gegenteil. Offensichtlich ist bei GM endlich die Einsicht eingekehrt, dass Opel, in erster Linie ein Führungsproblem und weniger ein Kostenproblem hat“, sagt Schild. Der „einseitige Blick auf die Kosten und die Ausblendung der Führungs- und Strategieprobleme“ sei von den Gewerkschaften immer kritisiert worden. Opel müsse effizienter werden – auch auf den Chefetagen. „Wir werden sehen, was die neue Führung zuwege bringt“, sagt Schild.

„Ich fürchte, das Aus ist längst beschlossen“, gibt sich derweil Andreas Graf Praschma pessimistisch. Der gepflegte ältere Herr kennt sich bei Opel gut aus, er war in besseren Zeiten Sprecher des Bochumer Werks und gleichzeitig als Rennfahrer eine Größe in Deutschland; natürlich auf den Fahrzeugen mit dem Blitz am Kühler. Seit zehn Jahren hat er Kürzungsplan um Kürzungsplan kommentiert, ihm fehlt die Fantasie, wie es nach 2016 weitergehen könnte: „Es wird keine Ruhe ins Unternehmen kommen.“

Auch Bochums Bürgermeisterin Ottilie Scholz hat ähnliche Sorgen wie der Graf, die SPD-Politikerin redet aber viel von Hoffnung und der guten Qualität, die dort im Süden der Stadt bei Opel gefertigt wird. Scholz hat inzwischen gelernt, mit schlechten Nachrichten umzugehen. Exakt am ersten Tag ihrer Amtszeit im Jahre 2004 musste sie den ersten Abwehrkampf um das Opel-Werk führen. So etwas prägt. „Wir müssen alles tun, um neue Arbeitsplätze anzusiedeln“, hat sie damals in ihrer Antrittsrede formuliert. An jenem Tag stand sie wegen der drohenden Schließung von Opel unter Schock, es sollte eine Gefühlslage werden, die ihre Amtszeit bis heute begleitet.

Wenn es nicht um Opel ging, hatte Ottilie Scholz es zum Beispiel mit Nokia zu tun und mit dem ohnmächtigen Gefühl, den internationalen Märkten ausgeliefert zu sein. „Wir haben gute Standortbedingungen“, wird sie nicht müde zu wiederholen. Erst Opel, dann die Universität, später Nokia und zahlreiche Forschungsinstitute. Vor allem in der Gesundheitswirtschaft hat man viele Firmen überzeugt, nach Bochum zu kommen. Scholz listet die schönen Erfolge auf, die sie und ihre Vorgänger verbuchen können. Und dennoch beschleicht einen das Gefühl, dass in Bochum auf einen Erfolg stets ein noch größerer Misserfolg folgt – und die Bilanz am Ende bescheiden ausfällt.

„Die Stärke der Region ist der Zusammenhalt“, hat die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) kürzlich bei einem Besuch bei Opel ausgerufen. Auf mehr Unterstützung durch die Politik setzen viele bei Opel – nicht nur in Bochum. Man erinnert sich an das Jahr 2009, als der Fall Opel im Kanzleramt verhandelt wurde. Der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna, die Chinesen und Fiat lieferten sich einen Bieterstreit um die GM-Tochter. Gleichzeitig ging es um Staatshilfe und eine Einigung mit GM. Die Amerikaner machten am Ende eine Kehrtwende und behielten Opel selbst – die Bundesregierung war brüskiert.

Während die Bochumer derzeit vergeblich auf Kommentare aus Berlin zum Thema Opel warten, regt sich nach dem jüngsten Coup der General-Motors-Führung in Detroit Unmut in den Bundesländern mit Opel-Werken. Der erneute Führungswechsel innerhalb kürzester Zeit sei für ein Unternehmen, das umstrukturiert werde, „bedenklich“, sagt der Thüringer Wirtschaftsminister Matthias Machnig. Den vereinbarten „Deutschlandplan“ will der SPD-Politiker verteidigen: „Für die Opel-Standorte gilt, was am 28. Juni im Aufsichtsrat beschlossen und zugesichert wurde: Bis 2016 bleiben die Standorte erhalten, es gibt keine betriebsbedingten Kündigungen.“

Darauf hofft man auch in Bochum. Die Solidarität ist in der Stadt tatsächlich noch etwas breiter angelegt als anderswo. Vor allem die Kulturschaffenden stehen an der Seite der Malocher, wenn die wieder einmal protestieren. Als Opel-Betriebsratschef Rainer Einenkel jetzt im Schauspielhaus Bochum anrief und fragte, was man machen könne, organisierten die Theaterleute sofort eine große Kundgebung, an der mehrere tausend Bochumer teilnahmen. Seither hängt ein überdimensioniertes Transparent über dem Eingang zum Schauspielhaus. „Spielzeitverlängerung für Opel“, steht dort. Der Beifall war stürmisch, als es entrollt wurde.

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